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Zwischen zwei Stühlen

Hans Baldung Grien als Maler heiliger und unheiliger Szenen – Große Ausstellung in Karlsruhe über den Renaissancekünstler

Veit-Mario Thiede
14.02.2020

Das vielseitige Bildrepertoire des eigenwilligen Hans Baldung Grien (1484/85–1545) umfasst liebreizende Madonnen, schamlose Hexen, würdevolle Porträts und schauerliche Knochenmänner. Die Kunsthalle Karlsruhe widmet ihm die eindrucksvolle Schau „Heilig/unheilig“, die 60 seiner 90 erhaltenen Tafelbilder sowie eine Auswahl von Glasgemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken umfasst. Überdies wirbt die Schau für den Besuch des Freiburger Münsters, denn in seinem Chor steht seit über 500 Jahren das bedeutendste und umfangreichste Werk des Meisters: der mit wandelbaren Gemäldeflügeln ausgestattete Hochaltar.

Der in Schwäbisch-Gmünd geborene Hans Baldung erhielt seinen Beinamen „Grien“ vermutlich während seiner Gesellenzeit in der Nürnberger Werkstatt Albrecht Dürers, der er 1503 bis 1507 angehörte. Anschließend ließ sich der von Dürer „Grünhans“ genannte Künstler in Straßburg nieder. Eine seiner produktivsten Schaffensphasen erlebte er in Freiburg im Breisgau, wo er 1512 bis 1518 tätig war. Den Rest seines Lebens verbrachte er wiederum in Straßburg. Dort schuf er den Holzschnitt „Martin Luther als Augustinermönch mit Nimbus und Taube des Heiligen Geistes“ (1521). Ausstellungskurator Holger Jacob-Friesen vermutet, Baldung habe eine „Neigung zum Protestantismus“ gehabt. Gleichwohl war er sowohl für altgläubige als auch evangelische Auftraggeber tätig. Zum Beispiel malte er für Luthers Gegenspieler Kardinal Albrecht von Brandenburg eine vielfigurige Kreuzigungsszene (um 1533/36).

Baldung schuf eine Reihe bemerkenswert „unheiliger“ Bilder, in denen die Erotik und der Tod die Szenerie beherrschen. Sein frühestes Gemälde heißt „Reiter mit Frau und Tod“ (um 1498). Erschrocken wendet sich der Reiter der hinter ihm sitzenden Geliebten zu. Als stark verwester Leichnam ist der Tod hinzugesprungen und verbeißt sich im Kleid der Dame, um sie vom Pferd zu ziehen. Im Gemälde „Adam und Eva“ (um 1531) verwandelt Baldung den Sündenfall zur zärtlichen Aktszene. Eva und der uns aus den Augenwinkeln forschend anblickende Adam schmiegen die Wangen aneinander. Mit ihnen ist eben nicht nur der Tod, sondern auch Erotik und Sexualität in die Welt gekommen.

Den Höhepunkt seiner erotischen Malerei verkörpern die sich der Schaulust darbietenden „Zwei Hexen“ (1523). Die eine präsentiert sich stehend von hinten, die andere auf einem Ziegenbock sitzend von vorn. Sie teilen sich ein langes Tuch, das ihrer Enthüllung dient.

Im „heiligen“ Teil der Ausstellung erweisen sich Darstellungen der Madonna mit dem Kind als wichtige Schaffenskonstante. Aber wir erkennen, wie sich unter dem Einfluss der Reformation Baldungs Madonnen-Darstellungen wandelten. Im hoheitsvollen Tafelbild „Maria als Himmelskönigin“ (1516/18) ist sie in die göttliche Sphäre entrückt.

Baldung blickt uns alle an

In den späteren Gemälden betont Baldung ihre in weltlicher Kulisse geschilderte Mutterschaft. Das eigenwilligste unter ihnen heißt „Maria mit Kind und Papagei“ (1533). Die Mutter stillt den längst dem Säuglingsalter entwachsenen Jesusknaben, der uns aus dem Augenwinkel geradezu „frech“ anschaut.

Glanzlichter in Baldungs Werk sind die 1530 und 1539 gemalten Nachtstücke der „Geburt Christ“. In ihnen ist das Jesuskind die einzige Lichtquelle. Kurator Jacob-Friesen schwärmt: „Auf eine nördlich der Alpen nie dagewesene Weise ist das von Christus ausgehende Licht zur Geltung gebracht.“ Der Erstling dieser Nachtstücke aber gehört zu den schönsten Tafeln des 1516 geweihten Hochaltars im Freiburger Münster. Ihn stellt die Karlsruher Schau mit Hilfe digitaler Technik vor. Man kann sich Bildausschnitte vergrößert anzeigen lassen. Etwa Baldungs Selbstporträt mit rotem Barett, das sich auf der Rückseite des Altars befindet. Unter den zahlreichen Figuren der Darstellung der Kreuzigung Christi ist er der Einzige, der uns ansieht. Rätselhaft bleibt, warum sich Baldung ausgerechnet an den Kreuzesstamm des bösen Schächers gestellt hat. Auf der Mitteltafel der Vorderseite ist die von Christus und Gottvater gemeinsam vorgenommene Krönung Mariens zur Himmelskönigin zu sehen. Dieser glanzvollen Szene wenden sich die auf den beiden Seitenflügeln dargestellten zwölf Apostel zu.

Im Freiburger Münster sind die beiden beweglichen Apostelflügel vom 1. Advent bis Mariä Lichtmess nach innen zugeklappt. Sichtbar ist so die farbenprächtige Schönheit der vier Weihnachtsgemälde. Im linken Bild wendet sich Maria überrascht dem Verkündigungsengel zu, der ihr mit einem Fuß forsch auf den Umhang tritt. Will er verhindern, dass sie sich der so leid- wie ehrenvollen „Bürde“ der Gottesmutterschaft entzieht? Zwischen den Gemälden der Heimsuchung und der Flucht nach Ägypten befindet sich der Höhepunkt der Weihnachtstafeln: die Geburt Christi. Mit diesem anrührenden Gemälde feiert Baldung Jesus als das Licht der Welt. In einem von kleinen Engeln gehaltenen Tuch liegt das hell leuchtende Kind und streckt die Ärmchen nach der Mutter aus. Sein Licht hebt Mariens gefaltete Hände und anmutige Gesichtszüge feierlich aus der Dunkelheit hervor.

Bis 8. März in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2–6, geöffnet von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 12 Euro. Internet: kunsthalle-karlsruhe.de/besuch. Der Katalog aus dem Deutschen Kunstverlag kostet im Museum 39,90 Euro. Baldung im Chor und Chorumgang des Freiburger Münsters, geöffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 11.30 Uhr und 13 bis 16 Uhr, sonnabends von 10 bis 11 Uhr und 12.30 bis 15.30 Uhr, sonntags von 13 bis 16 Uhr, Eintritt: 2 Euro. Internet: www.c-punkt-freiburg.de.


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