18.11.2025

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Die Flagge von Widewuto, der selbst in der Mitte zu sehen ist und sein Bruder, der Oberpriester Bruteno, rechts abgebildet ist. Die Person links ist nicht klar zuordbar
Bild: mauritius images/The History Collection/AlamyDie Flagge von Widewuto, der selbst in der Mitte zu sehen ist und sein Bruder, der Oberpriester Bruteno, rechts abgebildet ist. Die Person links ist nicht klar zuordbar

Eine sagenhafte Entstehungsgeschichte

Zwölf Söhne als Gründungsväter Preußens

Der 116 Jahre alte erste Prussenkönig Widewuto vererbte seinen Nachkommen die umliegenden Ländereien seines Reiches

Wolfgang Kaufmann
18.11.2025

Das Volk der Prußen, also quasi die Ureinwohner Ostpreußens, bestand aus einer Reihe von Stämmen, über deren Ursprung nur wenige und dazu auch noch eher unzuverlässige Quellen berichten. Insofern ist zu vermuten, dass die nachfolgend beschriebene Überlieferung viele Elemente enthält, die wohl eher der Phantasie als der Realität entsprungen sind
– doch eine andere gibt es nicht.

Sprechen wir also von einer Sage. Und nach der drangen die beiden Brüder Bruteno und Widewuto mit ihren Leuten in den Wirren der Völkerwanderung von Skandinavien aus bis ans Frische Haff vor. Dort unterwarfen sie die dort lebenden Ulmigerier. Im Jahre 521 soll Bruteno dann zum Oberpriester aufgestiegen sein, während der weniger spirituell veranlagte Widewuto zum König gewählt wurde.

573 wiederum, als Widewuto angeblich 116 Jahre alt war, und Bruteno sogar das 132. Lebensjahr erreicht hatte, beschlossen die beiden weisen Greise schließlich, das umliegende Land unter Widewutos zwölf Söhnen aufzuteilen.

Wie es heißt, riefen sie zuerst den ältesten männlichen Nachkommen namens Litwo herbei, der das spätere Litauen erhielt. Der zweite Sohn, Samo, bekam hingegen die Halbinsel zwischen dem Kurischen und dem Frischen Haff übertragen, die heute als Samland bekannt ist. Samo und dessen Leute hatten der Überlieferung zufolge eine „andächtige Lebensweise“ und „wählten einen besonderen Eichwald aus, in dem sie einen Haufen Schlangen zu Ehren ihrer Götter unterhielten“.

Der drittälteste Sohn, Sudo, gelangte in den Besitz der Gebiete im Südosten bis zur Memel, also des Landes Sudauen. Die Sudauer galten als „lustig Volk, das seine größte Freude im Trinken hat“, sowie als überheblich. Sie „däuchten sich alle Edelinge“, weil ihnen der alleinige Sieg über einen mächtigen König irgendwo jenseits der Memel gelungen sei.

Faul und träge
Widewutos Sohn Nummer Vier namens Nadro durfte mitsamt seiner Gefolgschaft fortan in Nadrauen am oberen Pregel residieren. Parallel dazu entwickelte sich die Region Schalauen nordöstlich von Nadrauen zur Heimat von Nadros nächstjüngerem Bruder Scalawo und dessen Anhängerschar. Über die Schalauer sagt die Legende indes, sie seien „von Anbeginn gewesen ein unlustiges Volk und ungetreu und fanden ihre größte Seligkeit im Schlafen, so dass die Trägheit im ganzen Land zum Sprichwort ward“.

Der als Sechster geborene Natango erhielt Natangen zwischen Pregel, Alle und dem Frischen Haff. Seinem Sohn Lucygo wurden der Überlieferung nach die Burg Noyto und der Fluss Crono übertragen, „denn er war ein Mann, dem Fischerei lieb war. Dieser fand auch zuerst den Bernstein.“ Widewutos siebter Erbe Barto wiederum konnte sich über den Besitz von Barten in der ungefähren Mitte des prußischen Siedlungsgebietes im Raum von der Alle bis zu den Masurischen Seen freuen. Und der achte Sohn Galindo lebte fortan ebenfalls im späteren Masuren, wobei ein Teilstück davon, das ihm zugeteilt wurde, Galinden hieß. Merkwürdig ist allerdings, dass die Galinder bereits etwa im 150 n. Chr. entstandenen Atlas „Geographike Hyphegesis“ des griechischen Geographen Claudius Ptolemäus auftauchten, wobei auch die räumliche Positionierung ihres Siedlungsgebietes korrekt ausfiel. Jedenfalls zettelten die Galinder späteren Quellen zufolge viele Kriege mit ihren Nachbarn an.

Zu Ehren der Gattin
Warmo, der als neunter Sohn des Widewuto geboren worden war, soll der Sage nach das Gebiet an der Nava (also dem Mariensee) und der Bassora (Passarge) erhalten haben. Die alten Chroniken schreiben dazu: „Von ihm ward das Land lateinisch Warmia genannt, zu deutsch aber heißt es Ermeland von seiner Gattin Ermia“, was also eine Huldigung seiner werten Gattin darstellt. Als Sohn Nummer Zehn wurde Hoggo der Herr über Pogesanien, das sich vom heutigen Elbing entlang der Passarge nach Südosten zieht. Bei der Namensgebung dieses Stammesgebietes stand wohl ebenfalls eine Frau Pate – wahrscheinlich Hoggos Tochter Poggezana. Den elften Sohn Widewutos, der Pomeso hieß, verschlug es in das Gebiet von Nogat und Weichsel.

Selbst zu Göttern gemacht
Und Chelmo, dem jüngsten und letzten der männlichen Abkömmlinge des Urvaters aller Prußen, wurde der Besitz jenes Landes übertragen, das später Kulmer Land hieß und südlich von Pomesanien lag. Das war von einem dichten Waldgürtel umgeben, was aber wiederum kein Hindernis für die Prußen darstellte, die hier ansässigen slawischen Ureinwohner erst zu unterwerfen und dann zu vertreiben, um dann ihrerseits ab dem Jahr 1230 unter die Herrschaft des Deutschen Ordens zu geraten.

Dass diese Überlieferung zahlreiche mythische, phantasiereiche Elemente enthält, beweist die Aussage, Widewuto und Bruteno hätten sich nach der Aufteilung ihres Herrschaftsgebietes selbst geopfert und dadurch zu Göttern der Prußen gemacht. In dieser Eigenschaft trug Bruteno fortan den Namen Wurschayto (Ältester), während Widewuto Szwaybrotto (Sein Bruder) hieß. Gleichzeitig gilt Bruteno, dem als Oberpriester unter anderem Männer wie Mexumo, Napeilles und Thywayto nachfolgten, als Namensgeber aller Prußen, weil die zunächst auch als „Bruteni“ bekannt waren.


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