18.07.2025

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Die Feierlichkeiten wurden sowohl von offiziellen Vertretern als auch von Tanzgruppen begleitet
Bilder: Screenshots Ralf LoockDie Feierlichkeiten wurden sowohl von offiziellen Vertretern als auch von Tanzgruppen begleitet

Provokant

„80 Jahre Stettin“

Fröhliche Feierlichkeiten der pommerschen Hauptstadt mit bitterem Beigeschmack

Ralf Loock
18.07.2025

Mit einem mehrtägigen Fest feierte man am ersten Juli-Wochenende in Stettin den 80. Jahrestag der pommerschen Stadt Stettin. 80 Jahre? Diese Stadt ist um einiges älter, wieso also 80 Jahre? Weil Stettin seit 80 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges unter polnischer Verwaltung steht und die Republik Polen die Ostseemetropole seit 80 Jahren als Teil von sich betrachtet.

Politische Spitzfindigkeiten hin oder her – mit Ausstellungen, Konzerten, Vorträgen und Schauspiel beging man das Jubiläum – und wird es in den kommenden Wochen weiter feiern; die Aktionen dauern bis in den Oktober. Schon seit Monaten hatten Medien die Einwohner auf dieses Datum eingestimmt. Viel wurde dabei an den 5. Juli 1945 erinnert – jenem Tag, an dem die sowjetische Militäradministration die Herrschaft über die Ostseemetropole offiziell den Polen unter ihrem Kommandeur Piotr Zaremba (1910–1993) übertrug, welcher der spätere erste polnische Stadtpräsident Stettins wurde.

So wurde das Datum ebenso am Denkmal zelebriert, mit Feierlichkeiten, an denen Vertreter des Stadtparlaments, der Verwaltung sowie der Kirchen teilnahmen. Am Vormittag des Sonnabends erklangen vor dem „Denkmal für die Taten der Polen“ die Hymne und das Signalhorn der Stadt. Der vorgebliche Geburtstag der Stadt, der 5. Juli, ist zugleich der Tag der Stettiner Pioniere. Gastgeber der Feierlichkeiten war Präsident Piotr Krzystek.

„Wir kennen die Geschichte unserer Stadt und wir wissen, wie schwer diese Zeit war. Im April 1945 erobert, war sie – man könnte sagen – eine Geisterstadt. Genau hierher kam Präsident Piotr Zaremba und schuf zusammen mit seinen Mitarbeitern den Grundstein für den Anschluss dieser schönen, aber zerstörten Stadt. Pioniere, die ersten Siedler, kamen: mit Hoffnungen und Kriegserfahrungen. Sie suchten ihren Platz in Stettin. Sie bauten wieder auf und schufen ihre eigene kleine Heimat: freundlich zu allen.“

Der Präsident erinnerte daran, welch große Chance sich Stettin durch die Europäischen Union geboten habe. „Dank EU-Mitteln ist es uns gelungen, viele Probleme zu lösen, mit denen Stettin seit Jahren zu kämpfen hat: Wir haben die Philharmonie, das Pogodno-Stadion, die Oper im Schloss und viele andere kulturelle Einrichtungen“, betonte er.

Man schaffe einen Wirtschaftsraum, der den Herausforderungen der Zeit gerecht wird. „Stettin entwickelt sich zu einem immer moderneren Hafen und zu einem wichtigen Ort für die Entwicklung Erneuerbarer Energien. All diese Herausforderungen bieten eine große Chance, Stettin zu einem immer lebenswerteren Ort zu machen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, denn wir möchten, dass es auch für unsere Kinder und Enkel eine Heimat bleibt.“

Pommern lässt grüßen
Glückwünsche für Stettin wurden auch von Minister Arkadiusz Marchewka im Namen der polnischen Regierung in Warschau und Bogdan Jaroszewicz, Mitglied des Woiwodschaftsrates Westpommern, vorgetragen. Er verlas einen Brief von Marschall Olgierd Geblewicz: „Die heutigen Feierlichkeiten sind nicht nur Ausdruck der Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch der Sorge um die Entwicklung der Stadt und den Aufbau einer starken, bewussten Gemeinschaft. Im Namen des Woiwodschaftsrates Westpommern wünsche ich den kommenden Jahren eine erfolgreiche Entwicklung, gegenseitige Unterstützung und Erfolg in allen Bereichen sowie viel Wohlstand.“

„Wenn wir uns ansehen, wie Stettin vor 80 Jahren aussah, als alles in Trümmern lag, zollen wir denjenigen, die diese Stadt wieder aufgebaut haben und in den darauffolgenden Jahren Stettin so lebenswert gemacht haben, große Ehre und Respekt“, sagte Marchewka.

Der offizielle Teil der Feierlichkeiten endete mit einer Blumenniederlegung vor dem Denkmal. Mittags wurde auf dem Platz bei Jasne Błonia die Fotoausstellung „80 Jahre Stettin“ eröffnet – 36 Fotos zeigen, wie sich die Stadt im Laufe der Jahre verändert hat. Nachmittags erwarteten die Stettiner zwei riesige Geburtstagstorten – je 80 Kilogramm schwer –, ein interaktiver Spiel- und Unterhaltungsbereich für Kinder, Konzerte und eine Party. Abends gab es auf dem Armii-Krajowej-Platz vor dem Rathaus ein historisches Schauspiel mit dem Titel „80 Jahre Stettin“. Beachtenswert ist bei den aktuellen Feierlichkeiten aber auch, dass man an fast alle Beteiligten gedacht hat. An die ersten Kommandeure, an das Militär, die Neusiedler – eine Veranstaltung wurde sogar den Schaffnern und Straßenbahnfahrern dieser Jahre gewidmet.

Ohne deutsche Beteiligung
Nur an eine Gruppe wurde nicht gedacht: An die tausenden deutschen Familien, die Stettin in dieser Zeit verlassen mussten. Menschen, die den Ruf der Stadt als Ostseemetropole mit Schönheit und architektonischer Einzigartigkeit überhaupt erst erbaut, geprägt und damit geschaffen haben. Es waren die deutschen Bewohner, allen voran die Pommern, die aus einer Stadt das wahre Stettin schufen. Doch bei den Jubiläumsfeierlichkeiten gab es kein einziges Wort des Mitleids, der Anteilnahme – diese deutschen Familien wurden schlicht überhaupt nicht erwähnt. Beachtenswert ist ferner auch, dass die Polen unter sich feierten – ohne eine deutsche Beteiligung, ohne eine Abordnung der vertriebenen Stettiner. Sicher auch ein Resultat der polnischen Politik der letzten Jahre. Da war es vor rund 30 Jahren erheblich entspannter; als 1993 die große 750-Jahr-Feier der Stadt Stettin anstand, hatte die polnische Verwaltung nämlich auch Vertreter der Pommerschen Landsmannschaft eingeladen und ihnen ein Grußwort eingeräumt. Das nennt man Völkerverständigung, statt das Aufreißen alter Wunden. Aber in solchen Momenten heißt es, Größe zu zeigen, und daher mit ebenso erhobenem Haupt als mit viel Herz: Herzlichen Glückwunsch, Stettin.


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