Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Bewegende Kranzniederlegung am Denkmal der Vertriebenen in Bad Cannstatt
Erinnern – Bewahren – Gestalten!“ Hartmut Liebscher, BdV-Vorsitzender von Baden-Württemberg, verwies am 14. September auf der von der Blaskapelle der Siebenbürger Sachsen würdevoll umrahmten Kranzniederlegung am Vertriebenendenkmal in Stuttgart-Bad Cannstatt auf das diesjährige Motto der Vertriebenen, das von zwei großen Ereignissen geprägt ist: 80 Jahre Kriegsende und 75 Jahre Charta der Heimatvertriebenen. Diese wurde übrigens in unmittelbarer Nähe des Denkmals im Kursaal von Bad Cannstatt verfasst.
Helga Ruhnke von der Landsmannschaft Ostpreußen blickte auf 80 Jahre Vertreibung zurück, die gekennzeichnet waren von Arbeit, Entbehrungen und Integrationswillen. Die Vertriebenen hatten mit nichts angefangen und haben sich hier in Baden-Württemberg ein neues Zuhause geschaffen. Sie können mit Recht stolz sein auf ihre Leistung, so Ruhnke.
Ruhnke wurde 1939 in Königsberg geboren. Drei Monate später begann der Zweite Weltkrieg. Später hat sie Luftangriffe auf die Stadt Immanuel Kants erlebt. Nachdem sie mit ihrer Mutter Königsberg kurzzeitig verlassen hatte, kehrten sie für kurze Zeit dorthin zurück, weil ihre Mutter noch einmal ihre Eltern sehen wollten, die später an Hungertyphus starben. An den Geruch des brennenden Königsbergs kann sie sich noch heute erinnern.
Die Flucht mit ihrer Mutter führte sie zunächst in einem kalten Winter im offenen Viehwagen nach Pommern. Kälte und Hunger waren ihre ständigen Begleiter. Ein Stahlhelm diente als Kochtopf. Luftangriffen waren sie schutzlos ausgeliefert. Mal gab es was zu essen, mal nicht. Sie erinnert sich, wie Menschen, die bei einem Halt des Zuges ausstiegen, um ihre Notdurft zu verrichten, den Zug verloren haben, weil dieser plötzlich anfuhr. Bei diesen Stopps wurden auch Kinder von ihren Eltern getrennt.
Was ist mit den Unschuldigen?
Von dort kamen Helga Ruhnke und ihre Mutter nach Ostfriesland, wo sie aufgrund der Zwangseinweisungen nicht immer gut angesehen waren. Sie selbst kamen bei einem Bauern unter, der zu ihrer Mutter gleich nach der Ankunft sagte: „Ab morgen können Sie bei uns arbeiten.“ Bürgergeld oder andere staatliche Unterstützung gab es nicht. Ihre Mutter, eine Postbeamtin, musste Feldarbeit verrichten. Helga Ruhnke ging in Ostfriesland sechs Jahre zur Schule, fand dort auch Freunde. Dann kam sie im Dezember 1950 nach Stuttgart: „Hier bin ich zu Hause, aber meine Heimat ist Ostpreußen!“
Ruhnke sagte: „Nichts ist schlimmer für ein Volk als Krieg.“ Dieser Krieg sei die Schuld der Deutschen gewesen. Aber was, so die Referentin, ist mit den Unschuldigen? Zum Beispiel mit Kindern wie sie eines war? 14 Millionen Deutsche wurden damals entwurzelt, verloren ihre Heimat, zwei Millionen auch ihr Leben. „Der christliche Glauben hat uns vor dem Schlimmsten bewahrt.“
Ruhnke gehört zur Erlebnisgeneration, die immer noch da ist und als Mahner wirkt. Sie wünscht sich manchmal von den Medien mehr Verständnis für die Heimatvertriebenen und erinnert an den Beitrag der Heimatvertriebenen für die deutsche Kultur. Königsberg zum Beispiel wurde vor 770 Jahren gegründet und hat in dieser Zeit wie ganz Ostpreußen viel für die deutsche Kultur geleistet. „Wir haben dieses Land geprägt!“
Auf Vergeltung verzichten
Anschließend berichtete Friedrich Glas, der das furchtbare Lager Jarek des Tito-Regimes überlebt hat, über das Zusammentreffen von Ereignissen, wie man sie nicht erfinden kann, sondern wie sie nur das Leben schreibt. Genau vor 80 Jahren, am 14. September 1945, wurde sein zwölf Jahre alter Jugendfreund Peter Kendle morgens um 4.30 Uhr erschossen. Friedrichs Schwester ist im Lager verhungert. Sein Appell lautete, dafür zu sorgen, dass in Zukunft nie mehr Mahnmale für Opfer und Vertreibung gebaut werden müssen.
Franz Pitzal, ehemaliger katholischer Pfarrer aus Renningen, der aus Iglau stammt, unterstrich dabei, welch besonderer Größe es bedurfte, bereits fünf Jahre nach Kriegsende auf Vergeltung zu verzichten, „als die Wunden noch bluteten“. In diesem Geist ist die Charta der Heimatvertriebenen verfasst. Er stellte die Frage, was wir als einfache Menschen tun können, damit so etwas nie wieder passiert. Wir brauchen, so seine Antwort, Menschen, die ein friedliches Leben wollen.
Für ihn ist es entsprechend dem Motto dieses Jahres wichtig, nicht nur zu erinnern und zu bewahren, sondern auch zu gestalten. Für ihn ist Vergebung die Umsetzung von Menschlichkeit. „Wir wollen Versöhnung schaffen!“