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Thorn

Als der Thorner Lebkuchen den Nürnberger entthronte

Feinster Honig, bestes Mehl und ideale Verkehrsanbindungen waren einst die drei Erfolgszutaten

Bodo Bost
14.12.2024

Das Aufblühen der Lebkuchenherstellung in Thorn wurde gleich von mehreren Faktoren beeinflusst. Zur Entwicklung dieses Handwerks trug die hoch entwickelte Bienenzucht in der Umgebung der Weichselstadt bei. Auf dem anderen Ufer des Flusses begann das Kulmer Land, das berühmt war für seine Bienenzucht. Bereits im Jahr 1408 entstand in Thorn die „Straße der Honigsammler“. Der Stadtrat setzte damals einen erfahrenen Imker ein.

Die Region Kulm lieferte zudem gutes Mehl, die zweite Voraussetzung für den Erfolg des Lebkuchens.

Der dritte Vorteil war die Weichsel als Schifffahrtsweg für den Export der Produkte in alle Welt. Über sie kamen auch die Lebkuchengewürze nach Thorn, die bis heute das Geheimnis des Lebkuchens ausmachen. Durch den Erfolg des Gebäcks entstand in Thorn ein vermögendes Bürgertum, das sich letztendlich der Wissenschaft widmen konnte, so wie der bekannte Thorner Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1553).

Aber wie kam es zu diesem einzigartigen Geschmacksaufstieg? Im Jahr 1577 erhielten die Lebküchner von Thorn ein Privileg, das es ihnen erlaubte, Lebkuchen auf königlichen Messen zu verkaufen. Damit begann der Wettbewerb zwischen den Lebkuchenbäckern der Städte Thorn, Nürnberg und auch Königsberg, wo man versuchte, das Thorner Rezept zu kopieren. Thorn gewann den Wettbewerb, woraufhin der Königsberger Bürgermeister den Lebkuchenbäckern seiner Stadt verbot, nach Thorner Rezepten zu backen.

Die Leb- oder Pfefferküchler waren in Zunftgilden vereint. Sie hielten ihre speziellen Rezepte geheim und gaben sie nur vom Vater zum Sohn weiter. Deshalb wurde auch innerhalb der Familien geheiratet. Die bekanntesten Thorner Lebkuchen sind die „Thorner Kathrinchen“ (Kataschinki), einfache Lebkuchen ohne Füllung, mit oder ohne Schokoladenüberzug. Sehr verbreitet sind sie in einer sechsblättrigen Form, zwei Herzen und zwei Ringen, die vielen Legenden ihren Ursprung gaben.

Im 19. Jahrhundert begann sich die Industrie zu entwickeln, und es wurden Süßwarenfabriken gegründet, die sich nicht nur auf die Herstellung von Lebkuchen, sondern dann auch auf die Produktion anderer Süßwaren spezialisierten. Die Entwicklung der Massenproduktion führte jedoch zu einem Rückgang der Zahl an kleinen Betrieben und zu einem langsamen Niedergang des Handwerks. Auch die Popularisierung des Rübenzuckers hatte Auswirkungen auf die Entwicklung der Lebkuchenherstellung. Bis dahin wurde allein Honig zur Herstellung von Lebkuchen verwendet, da importierter Rübenzucker sehr teuer und schwer zu beschaffen war. Die Gründung der ersten europäischen Rübenzuckerfabrik in Schlesien führte zu einem Anstieg der Lebkuchenproduktion in Fabriken.

Von Thorn nach Itzehoe
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es in Thorn drei bedeutende Betriebe, die Lebkuchen herstellten: die Fabrik Gustav Weese, die aus der Pfefferkuchenstadt Pulsnitz stammende Firma Hermann Thomas, die seit 1857 in Thorn arbeitete, und die Fabrik Jan Ruchniewicz. Die Firma Hermann Thomas beschäftigte um die Jahrhundertwende 200 Personen. Die Fabrik von Jan Ruchniewicz spezialisierte sich auf die Herstellung sogenannter „Wappen-Lebkuchen“, die nämlich das Wappen der Stadt Thorn trugen.

Die größte Lebkuchenfirma in Thron war aber das 1763 gegründete deutsche Familienunternehmen Weese. Gustav Traugott Weese (1801–1874) stattete die Fabrik mit modernen Maschinen aus. 1838 gründete er auch eine Handelsvertretung in Königsberg, später auch in der Reichshauptstadt Berlin. 500 Mitarbeiter hatte das Unternehmen 1939. Lebkuchen aus dem Unternehmen Weese gingen nach London, Paris, Russland und sogar Japan. Gustav Weese verkaufte die Fabrik am
10. Januar 1939 an die polnische Firma „Społem“ und zog nach Norddeutschland, wo er in Itzehoe eine neue Fabrik baute.

Lebkuchenmuseum gegründet
Seit 1951 setzt die Fabrik „Kopernik“ die Tradition der Weese-Lebkuchenher­stellung in Thorn fort. Im Jahr 1991 wurde sie privatisiert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Im Jahr 2015 wurde in der ehemaligen Weese-Fabrik das Lebkuchenmuseum von Thorn errichtet, eine Zweigstelle des Kreismuseums.

In Thorn „stolpert“ man heute überall über die größte Süßspezialität, die auch die größte Attraktion der Stadt ist und fast Kopernikus in den Schatten stellt. Jeder der jährlich etwa 1,5 Millionen Gäste der schönen Weichselstadt kommt daher nicht nur an Weihnachten mit den leckeren Lebkuchen in Berührung.


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