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Geschichte

Annäherung beim Boule-Spiel

Geschichtsunterricht im ZDF: Als ein Treffen zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle in den Elysée-Vertrag mündete

Anne Martin
13.09.2025

Lautlos gleitet die schwarze Limousine durch die spätsommerliche Landschaft Lothringens, im Fond ein ernst blickender Mann. Konrad Adenauer ist auf einer Mission, von der viel abhängen wird. In dem Ort Colombey-les-Deux-Églises wird er den französischen Ministerpräsidenten Charles de Gaulle auf dessen Landsitz treffen. Im privaten Gespräch wollen die beiden Staatsmänner die Zukunft besprechen, womöglich eine Zusammenarbeit skizzieren. Ein schwieriges Unterfangen, wie die deutsche Abordnung beim unvorhergesehenen Halt in einem Dorf erlebt.

Plötzlich tauchen hassverzerrte Gesichter vor dem Frontfenster auf, die Insassen werden beschimpft, rohe Eier zerplatzen am Fenster, das Gesicht von Adenauer versteinert. Der ZDF-Film „An einem Tag im September“ (15. September um 20.15 Uhr) beschreibt in bedächtiger Erzählweise, wie brüchig der Frieden 13 Jahre nach Kriegsende immer noch ist, wie viel Hass immer noch zwischen den Völkern lodert. Wird das Treffen im September 1958 daran etwas ändern? Hier Charles de Gaulle (Jean-Yves Berteloot), der hochgewachsene General, im zweiten Weltkrieg ein Wortführer der Résistance – dort Konrad Adenauer (Burkhart Klaußner), der erste Kanzler eines Staates, der um seinen Platz im neugeordneten Europa ringt. Beide waren sie Gegner der Nationalsozialisten, aber wird diese Gemeinsamkeit reichen? Werden sie es schaffen, die Erbfeindschaft zwischen beiden Ländern zu befrieden?

Die Begrüßung auf der Freitreppe des Landhauses ist freundlich, aber förmlich. Überhaupt herrscht feiner Umgangston im Hause de Gaulle. Die Eheleute Charles und Yvonne siezen sich, die Politiker sitzen sich distanziert in schweren Fauteuils gegenüber, das Tageslicht wird durch Jalousien gefiltert. Die Konflikte sind riesig: Frankreich beharrt auf seinem Vorrecht, neben Großbritannien die alleinige Atommacht in Europa zu sein. Von 2000 Sprengköpfen spricht de Gaulle, von einer Schlagkraft wie die Bombe Hiroshimas.

Keine Rede von Gemeinsamkeiten: „Die atomare Bewaffnung Deutschlands kommt nicht in Frage.“ Die Bundesrepublik ist an der EWG und vor allem dem westlichen Verteidigungsbündnis NATO gelegen, Frankreich zweifelt. Westdeutschland erlebt die USA als Schutzmacht, de Gaulle ist skeptisch, auch wenn Adenauer die Luftbrücke der Amerikaner hervorhebt, mit der West-Berlin 1948 während der sowjetischen Blockade versorgt wurde. De Gaulle hält dagegen: „Sind die USA nicht eine übergriffige Schutzmacht, von der wir uns emanzipieren müssen?“

Die Kamera hält auf die Gesichter, in denen ein Kopfheben oder Stirnrunzeln die Gesprächstemperatur andeutet – sie ist eisig. Es kommt der Moment, wo es knirscht, wo Gespräche gemeinhin abgebrochen oder vertagt werden.

Madame de Gaulle bricht das Eis
Aber an diesem Tag gibt es eine Intervention, die geschichtlich nicht verbürgt ist, aber auf unkonventionelle Weise beschwichtigend wirkt. Madame de Gaulle, diese scheinbar so zurückhaltende Grande Dame in biederer Strickjacke, bittet auf die Terrasse zum Tee. Befreit von der bleiernen Schwere des Herrenzimmers liegt ein Themenwechsel nahe. Yvonne de Gaulle zeigt Fotos eines kleinen Mädchens, ihrer Tochter Anne, die mit dem Down-Syndrom zur Welt kam. Sie erzählt, wie sie und ihr Mann das Sorgenkind förderten, wie der Vater bis zum Tod der Tochter zärtlich an ihr hing.

Peinlich könnte dieser private Einblick geraten, die unsichtbare Grenze der Diskretion wird eindeutig überschritten. Aber Adenauer geht auf die veränderte Tonlage ein. Schleppend, um Worte ringend, erzählt er von seiner Frau Auguste, die – von der Gestapo bedrängt – das Versteck enger Angehöriger preisgab, auch seines. Später unternahm sie aus Verzweiflung über ihren Verrat einen Selbstmordversuch. So geben die beiden Männer, die nach außen so gepanzert auftreten, einen Einblick in ihr Inneres.

Später werden sie einen Spaziergang unternehmen, danach wird de Gaulle seinen deutschen Gast in das Nationalspiel Boule, französisch Pétanque, einführen. Die Annäherung ist spürbar, damit sind die beiden Staatsmänner ihren Mitarbeitern um viele Schritte voraus.

So toben in der Küche des Landhauses die Ressentiments. Die Köchin, einst von der Gestapo gefoltert, hasst alle Deutschen und verweigert den Dienst am Herd. Adenauers Fahrer, der sich einen warmen Imbiss erhofft hatte, wird mit Beschimpfungen abgespeist und beißt wütend in sein trockenes Butterbrot.

Regisseur Kai Wessel, der 2006 das eindrucksvolle Drama „Die Flucht“ umsetzte, bleibt diesmal mit seinen Mitteln im klassischen Schulfernsehen stecken. Es wird viel geredet, meist staatstragend, formelhaft. Der Film soll auch in Schulen gezeigt werden, und so dürfen die Heranwachsenden erfahren, dass das informelle Treffen der Staatsmänner 1963 zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, dem Elysée-Vertrag, führte, den Angela Merkel und Emmanuel Macron 2019 erneuerten.

Ihnen wird sicher auch das deutsch-französische Jugendwerk ans Herz gelegt werden, das seit seiner Gründung Millionen junge Deutsche mit der Grande Nation vertraut machte. Und sie werden erfahren, dass als Beleg für die deutsch-französische Freundschaft 1991 der Fernsehsender ARTE mit Hauptsitz in Straßburg gegründet wurde, ein Kulturkanal mit deutschen wie französischen Produktionen, der hierzulande von allen ARD-Anstalten sowie dem ZDF mitgetragen wird. ARTE ist anders als alle anderen öffentlich-rechtlichen Sender unabhängig vom Quotendruck und sendet seit seiner Gründung mit sehr überschaubarer Resonanz. Das mag auch am ausgeprägten Linksdrall von ARTE liegen. Mehr politische Ausgewogenheit könnten die Strahlkraft des Kanals, zum Nutzen beider Länder, sicherlich verstärken.


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