08.05.2024

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Terroranschlag bei Moskau

Anteilnahme und Schadenfreude

Die Reaktionen auf die Tragödie in der Crocus City Hall fielen äußerst unterschiedlich aus

Wolfgang Kaufmann
04.04.2024

Nach dem Terroranschlag in der Crocus City Hall vor den Toren Moskaus mit bislang 144 Toten bekundeten zahlreiche Staaten ihre Anteilnahme – manche sehr aufrichtig und andere augenscheinlich nur pflichtschuldig. Darüber hinaus wurde teilweise auch offene Schadenfreude geäußert, darunter nicht zuletzt von deutschen Russlandhassern.

Zwei der Reaktionen stachen besonders heraus. Zum einen verurteilten die in Afghanistan herrschenden radikalislamischen Taliban das Attentat und forderten eine „koordinierte, klare und entschlossene Haltung“ gegen den Terror. Zum anderen brauchte es fast zwei Tage, bis eine Pressesprecherin des Weißen Hauses kondolierte. Das stand in deutlichem Kontrast zu den übrigen schnellen Mitteilungen aus Washington zu dem Geschehen in Moskau. Nur zwei Stunden nach dem Terrorakt vom 22. März verkündete der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, die Ukraine habe mit dem Anschlag absolut nichts zu tun. Weitere zwei Stunden später sagte Kirby, am 7. März sei eine Warnung der US-Geheimdienste an Moskau gegangen, dass der Islamische Staat (IS) einen großen Anschlag in Russland plane.

Tatsächlich übernahm der IS kurz darauf die Verantwortung für das Massaker in der Konzerthalle: Über ihren Propagandakanal Wikalat Amaq lil-Anba veröffentlichte die Terrormiliz anonymisierte Bilder der Attentäter und ein Video, dass den Anschlag gegen „tausende Christen“ aus der Perspektive einer Täter-Bodycam zeigte. Bei den vier Dschihadisten soll es sich um Tadschiken gehandelt haben, die dem afghanisch-pakistanischen IS-Ableger

Daesh-Khorasan angehören. Dieser steht in Konkurrenz zu den Taliban und hat auch Russland zu seinem Feind erklärt. Das resultiert aus der Verwicklung Moskaus in den Syrienkrieg sowie dem russischen Vorgehen gegen radikale Moslems im Kaukasus und Zentralasien.

Zweifel an der Version von IS und USA
Allerdings dauerte es nur kurze Zeit, dann verwiesen sowohl russische Stellen als auch kritische Stimmen im Westen auf diverse Umstände, die geeignet sind, Zweifel an der Version des IS und der US-Regierung zu wecken. Wieso agierten die Täter nicht wie üblich als Selbstmordkommando mit Sprengstoffwesten? Warum erhielten die „Glaubenskrieger“ eine Belohnung von 500.000 Rubel pro Kopf wie gewöhnliche Auftragsmörder? Und weshalb flüchteten die nur gebrochen oder gar nicht russisch sprechenden Attentäter dann nicht direkt ins heimische Tadschikistan, sondern quer durch Russland in Richtung der ukrainischen Grenze, wobei sie gefasst wurden? Letzterer Umstand bewog den Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, von einer „ukrainischen Spur“ zu sprechen und den Geheimdienst Kiews zu beschuldigen, den Terroranschlag mit Hilfe der USA und Großbritanniens inszeniert zu haben. Rückendeckung bekam er dabei von dem früheren CIA-Analysten Larry Johnson: „Die USA wussten, dass die Ukraine etwas vorbereitete ... Sie ahnten, was die Ukrainer tun würden ... Das hat dem Weißen Haus eine Heidenangst eingejagt.“

Natürlich reagierte die Ukraine hierauf mit entschiedenen Dementis: Sie habe „niemals terroristische Kriegsmethoden angewandt“ und die Vorwürfe seien „absurd“. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht, denn es kämpfen auch islamische Freiwilligenverbände auf Seiten Kiews. Dazu zählen das Scheich-Mansur-Bataillon, das Dschochar-Dudajew-Bataillon und das Bataillon Imam Schamil. Ebenso wechselten ehemalige IS- und Al-Kaida-Leute wie Abdul Hakim al-Shishani aus Syrien in die Ukraine.

Und es wurde Kiew ja auch immer wieder angeraten, „den Krieg nach Russland zu tragen“. Dergestalt äußerte sich unter anderem der deutsche CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der nun freilich genau wie viele andere Kreml-Kritiker über eine „False-Flag-Operation“ Moskaus orakelt: Könnte hinter dem Anschlag nicht vielleicht der FSB stecken?

Immerhin – so der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak – gebe es zahlreiche, höchst verdächtige Ungereimtheiten rund um die Bluttat. So seien sämtliche Metalldetektoren an den Eingängen zu der Halle außer Betrieb gewesen und die Antiterror-Einheiten erst ungewöhnlich spät am Ort des Geschehens eingetroffen.

Dahingegen geht der deutsche Russland-Experte Jan Behrends vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam von einem Versagen der russischen Sicherheitsorgane aus: Diese seien zu stark auf den Krieg in der Ukraine fixiert gewesen und hätten deshalb die Bekämpfung der radikal-islamischen Gefahr im eigenen Lande vernachlässigt.


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