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Politik

Auf Carsten Linnemann wartet ein Berg an Arbeit

Mit ihrem neuen Generalsekretär hat die CDU die Möglichkeit, den Ballast der Ära Merkel abzuwerfen – und sich wieder ihren Stammwählern zuzuwenden

Klaus Kelle
19.07.2023

Die Wahl des Paderborner CDU-Politikers Carsten Linnemann zum neuen Generalsekretär seiner Partei kann tatsächlich so etwas wie ein Befreiungsschlag werden. Nach den destruktiven Merkel-Jahren, die eine programmatische Entkernung und einen personellen Aderlass bei führenden Köpfen, Mitgliedern und Wählern der Union hervorgerufen hat, sagt der neue „General“ auf der Kommandobrücke des Konrad-Adenauer-Hauses bei seinem ersten Auftritt genau das Richtige.

„Es gibt in Deutschland eine leise, aber klare bürgerliche Mehrheit, die sich an Regeln hält, die morgens arbeiten geht und sich abends im Sport- oder Musikverein engagiert“, analysiert Linnemann völlig richtig. Und wenn die CDU den Anspruch, die bürgerliche Volkspartei der Mitte bleiben zu wollen, ernst meint, dann – so Linnemann – müsse es „allerhöchste Priorität“ für ihn und seine Partei haben, „für diese Menschen da zu sein.“

Warum fallen solche Sätze eigentlich nicht anderen Spitzenpolitikern der CDU ein? Es ist doch gar nicht so schwer. Und das Totschlagargument des linksgrünen Juste Milieus, dass jeder kluge Gedanke, der sich gegen die Politik der Ampelregierung richtet, „rechts“ und somit aus dem Diskurs heraus sei, darf Linnemann, dürfen der Vorsitzende Merz und die gesamte Union nicht mehr länger mitmachen.

Befreiung aus linken Tabus
Wenn CDU – und auch CSU – das Spiel der Grünen und Roten wie bisher mitspielen und so tun, als sei die AfD gar nicht vorhanden, dann sind andere Mehrheiten in Deutschland rechnerisch nahezu ausgeschlossen. Dann ist es – außer in Bayern – für die Union kaum mehr möglich, nach Wahlen Regierungen ohne Beteiligung der Grünen zu bilden. Ist das im Interesse der Mehrheit der Deutschen?

Bei 21 Prozent liegt die AfD in aktuellen Umfragen bundesweit. Das bedeutet, dass wenn man im Restaurant sitzt oder in der Schlange beim Aldi oder Edeka steht, jeder fünfte Erwachsene derzeit die selbsternannte „Alternative“ wählen würde. Das sind eine ganze Menge, oder?

Die AfD ist nach der Union in Deutschland derzeit die zweitstärkste politische Kraft. Diesen Satz sollte man sich ruhig noch ein zweites und drittes Mal durchlesen. Die zweitstärkste politische Kraft, vor SPD und vor den Grünen. Und da soll es nicht erlaubt sein, mit denen zu sprechen? Das ist absurd. Vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass bei SPD und Grünen sowie mancherorts sogar der CDU ungeniert mit der Nachfolgepartei der SED gekuschelt wird. Die Grünen, nur zur Erinnerung, haben in ihren Anfängen Maoisten, Steinewerfer und Pädophile in ihren Reihen geduldet, und trotzdem gab es kein Kontaktverbot zu ihnen.

Dabei ist allen klar, dass die Union den Tabubruch eines Bündnisses mit der AfD auf viele Jahre nicht wagen kann, selbst wenn sie es wollte. Und das obwohl, besonders in Westdeutschland, die AfD in übergroßer Mehrheit aus früheren Mitgliedern und Wählern der Union besteht, die nach den Merkel-Jahren, nach Euro-Krise und Massenzuwanderung, nicht mehr zu CDU und CSU gehören wollen.

Doch die Ostflanke der „Alternative“ ist zu bizarr, um mit denen ernsthafte Politik für Deutschland zu organisieren: EU-Austritt, ungezügelter Amerika-Hass, Austrittsphantasien aus der NATO, wo um uns herum gerade viele Staaten eintreten wollen – ja, bizarr ist wohl das richtige Wort für solche Visionen und erst recht für den (Alb-)Traum in diesen Kreisen von einem Großreich „Eurasien“ mit Putins Unrechtsstaat obendrüber.

Politik für die Mehrheit
Somit müssen Linnemann und Merz in absehbarer Zukunft allein klarkommen, vielleicht noch irgendwie mit der FDP, die aber inzwischen längst nicht mehr die Partei der Steuerberater, Ärzte, Rechtsanwälte und des Mittelstands ist, sondern ebenso stromlinienförmig auf Linkskurs schwimmt wie ihre Koalitionspartner.

Da ist die zart erkennbare Strategie Linnemanns, der schweigenden Mehrheit zu sagen, dass sie wieder die Mehrheit sein kann sowie dass CDU und CSU ihre natürlichen Interessenvertreter sind, genau richtig. Weg von der Konzentration auf Minderheitenthemen, stattdessen wieder Politik für die Mehrheit. Für die, die arbeiten, für Familien mit Kindern, für alle, die sich engagieren in Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder den Tafeln. Und für die rund zwei Millionen Christen, die auch heute noch jeden Sonntag in einen Gottesdienst gehen in diesem Land! Und die unter politischem und medialem Dauerbeschuss stehen.

Sie alle hat die Union lange im Stich gelassen: Weshalb jede Strategie, jeder Plan für die Zukunft, jede Vision mit einem eindeutigen Bruch der Merkel-Ära beginnen muss. Unmissverständlich.

Carsten Linnemann ist genau der richtige Mann dafür. Wenn er es sein will – und wenn sie ihn denn lassen. Sie, die einstigen Nutznießer des Merkelismus und der Anbiederung an den linksgrünen Zeitgeist. Die sitzen da immer noch, all die gleichen Gesichter der Vor-Merz-Ära, in den Tiefen der Partei und ihres Apparats. Gleich am ersten Wochenende grätschten irgendwelche CDA-Funktionäre dem neuen „General“ in die Parade. Bloß kein „Rollback“, bloß nicht zurück zu den Themen, die die Union jahrzehntelang groß und erfolgreich gemacht hatten.

Diese Leute sind in der Union, weil sie dort schöne Pöstchen und Mandate auf bequemen Sesseln genießen können. Aber im Grunde haben sie – wie Frau Merkel – mit der Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls nichts zu tun. Sie wollen nicht aufs Schützenfest, auf den Sportplatz oder sonntags in die Kirche. Manche ekeln sich im Grunde vor den Milieus, von denen sie gut und gerne leben, vor denen, die zehn Euro spenden im Wahlkampf sowie bei Wind und Regen ihre Plakate aufhängen.

Carsten Linnemann hat eine Herkulesaufgabe vor sich. Wenn er sie mit Haut und Haaren annimmt, könnte das zu einem erstaunlichen Comeback führen.


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Kommentare

sitra achra am 28.07.23, 12:11 Uhr

An Schneid ist Merz nicht zu übertreffen. Wenn ihm der Wind frontal ins Gesicht bläst, zieht er den Schwanz ein.
Er sollte sich stattdessen überwinden und mit der geballten Faust auf den Tisch schlagen und die grün angestrichenen Fremdkörper in der CDU zum Teufel (Sozi) schicken. Kretschmer hat ihm da schon eine Spur gelegt, der er getrost nachfolgen kann. Wenn er diese Chance vermasselt, wird er als Don Federico mit Sancho Linnemann in der Versenkung verschwinden.

Andreas Nickmann am 21.07.23, 09:36 Uhr

Die AfD ist keine selbsternannte Alternative, sondern eine Alternative.

Gregor Scharf am 21.07.23, 07:03 Uhr

Wenn es die CDU ernst meint, bedarf es nicht nur klarer Worte, sondern knallharter Handlungen in Form einer Säuberungsaktion in den eigenen Reihen, ein Aussondern und sofortiges Entmachten der erwähnten Opportunisten und Merkelanbeter. Das wäre das einzige Signal an die Wähler zur Schaffung von Vertrauen.

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