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Immer mehr Pflegebedürftige treffen auf immer leerere Kassen bei der gesetzlichen Pflegeversicherung – ein „Pakt der Zukunft“ soll nun helfen
Die Pflegeversicherung steht vor einer Zerreißprobe. Während die Zahl der Pflegebedürftigen in den vergangenen Jahren nicht nur aufgrund der Demographie rasant steigen wird, wächst die Sorge, dass das derzeitige Finanzierungssystem den Anforderungen einer alternden Gesellschaft nicht mehr gewachsen ist. Mit dem „Zukunftspakt Pflege“ wollen Bund und Länder nun einen neuen Anlauf für eine Reform nehmen. Doch schon jetzt gibt es harsche Kritik am Verfahren, an der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und an der Finanzierungslast, die sich immer weiter zulasten der Beitragszahler verschiebt.
Offiziell lautet das Ziel, bis Ende 2025 konkrete Reformvorschläge zu erarbeiten, die dann in ein Gesetzgebungsverfahren münden sollen. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zeigte sich beim Start der Bund-Länder-Kommission entschlossen: „Wir brauchen kein Reförmchen, wir brauchen eine grundlegende Reform.“ Worte, die Hoffnung wecken sollen – doch viele Experten haben Zweifel, ob dem auch Taten folgen. In der Arbeitsgruppe sitzen Vertreter des Bundes, wie Familienministerin Karin Prien (CDU), des Gesundheitsministeriums und des Finanzressorts, dazu die pflegepolitischen Akteure der Länder sowie Vertreter der Kommunen. Die Pflegekassen aber wurden nicht mit hinzugezogen.
Dabei drängt die Zeit. Aktuell erhalten laut Statistischem Bundesamt rund 5,6 Millionen Menschen in Deutschland Leistungen aus der Pflegeversicherung – 2019 waren es noch vier Millionen. Ursache ist nicht allein der demographische Wandel, sondern auch eine Reform aus dem Jahr 2017, die den Zugang zu Pflegeleistungen erleichtert hat. Bis 2055, so die amtlichen Prognosen, könnten es 7,6 Millionen Pflegebedürftige werden. Damit steigen auch die Kosten. Im Jahr 2024 lagen die Ausgaben der Pflegeversicherung bei 63,2 Milliarden Euro – fast drei Mal so viel wie zehn Jahre zuvor.
Vor allem stationäre Pflege wird immer teurer. Zwar übernehmen die Kassen Teile der Pflegekosten, doch Unterkunft, Verpflegung und Investitionsumlagen müssen privat getragen werden. Anfang 2025 belief sich der monatliche Eigenanteil für einen Heimplatz laut Daten der Pflegekassen im Durchschnitt auf knapp 3000 Euro. Das belastet Angehörige, Sozialkassen und vor allem jene, die mit schmalen Renten auskommen müssen.
Dazu kommt ein strukturelles Finanzierungsproblem. Anders als in der Krankenversicherung handelt es sich bei der Pflegeversicherung nicht um eine Voll-, sondern um eine Teilkaskoversicherung. Sie deckt nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Die Lücke wächst – und wird bislang durch immer neue Beitragserhöhungen gestopft. Dennoch rechnet das Gesundheitsministerium für 2025 mit einem Defizit von 166 Millionen Euro. Um die Lage kurzfristig zu stabilisieren, will Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Pflegekassen 500 Millionen Euro als Darlehen zur Verfügung stellen, 2026 sollen weitere 1,5 Milliarden folgen.
Nicht weiter auf Pump leben
Kritiker halten das für ein hilfloses Manöver. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, nennt den Auftakt zur Pflegereform „enttäuschend“. Die Arbeitsgruppe verliere sich im „Klein-Klein“ zahlreicher Untergruppen und vermeide eine klare Positionierung zur Finanzierungsfrage. DAK-Chef Andreas Storm bemängelt die fehlende Einbindung der Pflegekassen: „Eine Bund-Länder-Kommission ohne Beteiligung der zentralen Akteure in der Pflege wird kaum nachhaltige Ergebnisse erzielen.“ Nötig sei die Rückzahlung der in der Corona-Krise ausgelegten 5,2 Milliarden Euro sowie eine Reform mit echten Strukturveränderungen. Florian Reuther, Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung, fordert daher ein Ende der Leistungsversprechen auf Pump: „Ein weiterer Ausbau des Umlagesystems ist nicht finanzierbar.“
Ein weiterer Aspekt ist die häusliche Pflege. Sie macht laut Bundesfamilienministerium rund 86 Prozent aller Pflegeleistungen aus – meist gestemmt von Angehörigen. Diese „stillen Helden“, wie Ministerin Prien sie nennt, sollen künftig besser unterstützt werden. Geplant ist eine Zusammenlegung des Pflegezeitgesetzes mit dem Familienpflegezeitgesetz sowie die Einführung eines Lohnersatzes für pflegende Angehörige. Fraglich bleibt, ob sich die „Große Lösung“ mit der realen Haushaltslage vereinbaren lässt.
Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die Zuschläge für stationäre Pflegebedürftige, die Entlastung bringen sollten, 2025 auf 7,3 Milliarden Euro ansteigen. Gleichzeitig wurde aber der Bundeszuschuss für das Pflegegeld, das Menschen mit Pflegebedarf zuhause erhalten, gestrichen. Es bleibt also zu befürchten, dass der Pakt wohl nicht mehr sein wird als ein weiteres Arbeitsgremium ohne Durchschlagskraft.