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Kriminalität

Berlin will Zeugenschutz stärken

Kriminelle Clan-Mitglieder gehen immer hemmungsloser vor, um Freisprüche zu erpressen

Hermann Müller
18.09.2024

Angehörige kriminalitätsbelasteter Großclans geben sich vor Gericht mitunter sehr entspannt und unbeschwert, obwohl ihnen die Anklage schwerste Straftaten vorwirft. Dies liegt nicht immer nur an hoch bezahlten Anwälten, „Deals“ zwischen Angeklagten, Richtern und Staatsanwaltschaften oder der Hoffnung der Angeklagten auf „Kuscheljustiz“. Immer wieder sehen sich zudem die Opfer von Clan-Straftaten, Belastungszeugen oder Angehörige der Justiz auch bedroht und eingeschüchtert, um Freisprüche zu erreichen.

Für bundesweites Aufsehen sorgte 2022 ein Prozess in Düsseldorf, bei dem Angehörige eines kurdisch-libanesischen Clans vor Gericht standen. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Punkte wie banden- und gewerbsmäßigen Betrug, Geldwäsche, Geiselnahme, erpresserischen Menschenraub, schweren Raub, gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung, Zwangsarbeit, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung zur Anklage bringen wollen. Am Ende fiel ein erheblicher Teil dieser Punkte jedoch unter den Tisch.

Beim Zurückstecken der Staatsanwaltschaft spielte unter anderem eine Rolle, dass wichtige Zeugen „umgefallen“ waren. Bei der Befragung durch die Polizei hatten sie zunächst Aussagen gemacht, welche die Clanmitglieder belasteten. Vor Gericht wollten die Zeugen dann aber nicht mehr aussagen, oder sie beriefen sich auf Erinnerungslücken.

„Man hört Katastrophen“
Eine Mutter, die sich zu einem Vorfall nicht mehr als Zeugin im Prozess äußern wollte, gestand ganz offen ein: „Ich habe Angst vor denen, die hier im Gerichtssaal sind, man hört Katastrophen und schlimme Sachen.“ Ein anderer Zeuge, der laut einer Befragung durch die Polizei zunächst ausgesagt hatte, er sei zur Erpressung von Schutzgeld zusammengeschlagen worden, konnte sich im Zeugenstand plötzlich nicht mehr daran erinnern.

Staatsanwälte, die regelmäßig im Clan-Milieu ermitteln, berichten zudem über die Praxis, dass an Belastungszeugen oder Opfer Schweigegeld gezahlt wird, um Verurteilungen oder sogar schon bloße Ermittlungen zu verhindern. Bereits 2010 hatte die verstorbene Berliner Jugendrichterin Kirstin Heisig in ihrem Buch „Das Ende der Geduld“ vor der weiteren Ausbreitung der Clan-Kriminalität gewarnt und konsequente Gegenmaßnahmen gefordert.

Gut 14 Jahre später bringt Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg nun eine Bundesratsinitiative auf den Weg, die Prozessbeteiligte vor Einschüchterungen durch Clans schützen soll. Ziel der Senatorin ist es, den Nötigungsparagrafen im Strafgesetzbuch zu ergänzen. Mit der Änderung will Badenberg ausdrücklich die Bedrohung von Prozess-Beteiligten wie Zeugen, Richtern und Staatsanwälten, aber auch die Einschüchterung von Dolmetschern und Gerichtsvollziehern unter Strafe stellen.

Die CDU-Politikerin erhofft sich von der Änderung ein klares Signal: „Wer versucht, die Integrität der Justiz zu untergraben, muss mit entsprechenden Strafen rechnen.“ Sie verwies bei der Vorstellung ihrer Initiative unter anderem auch auf eine gefährliche Entwicklung. Bei Einlasskontrollen an den Berliner Gerichten werden immer mehr Waffen und andere gefährliche Gegenstände entdeckt. Im Jahr 2022 förderten Einlasskontrollen 9600 gefährliche Gegenstände zutage, vergangenes Jahr wurden bei Kontrollen bereits 10.700 Versuche aufgedeckt, Gegenstände wie Springmesser, Dolche oder Elektroschocker in Gerichtsgebäude einzuschmuggeln.

Berliner Initiative im Bundesrat
Berlins Justizsenatorin sprach im Zusammenhang mit diesen Funden von Einschüchterungsversuchen, die nicht selten von der Organisierten Kriminalität kämen. „Es geht darum, Prozesse zu verschleppen, Zeugenaussagen und am Ende auch die Identifizierungen zu erschweren“, so Badenberg. Sie will bereits die versuchte Bedrohung von Prozessbeteiligten strafbar machen. Den bisher geltenden Strafrahmen bei Fällen von Nötigung – dieser geht von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft – will die Senatorin allerdings nicht anheben. Badenberg, die bis April 2023 Vize-Präsidentin im Bundesamt für Verfassungsschutz war, machte deutlich, dass sie zur Identifizierung von Tätern auch auf Ermittlungsmaßnahmen wie die Überwachung von Kommunikation setzt: „Es geht darum, Netzwerke zu identifizieren und die handelnden Akteure festzustellen.“ Die Senatorin geht davon aus, im Bundesrat die Unterstützung anderer Länder zu erhalten.

Für die im Iran geborene Badenberg könnte diese Initiative möglicherweise das letzte größere Projekt als Berliner Senatorin sein: Bereits seit Wochen wird spekuliert, ob die Juristin wieder zurück zum Bundesamt für Verfassungsschutz nach Köln wechselt, um zum Jahreswechsel die Nachfolge des umstrittenen bisherigen Behördenchefs Thomas Haldenwang anzutreten.


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Kommentare

Ralf Pöhling am 25.09.24, 17:19 Uhr

Zitat:"Die CDU-Politikerin erhofft sich von der Änderung ein klares Signal: „Wer versucht, die Integrität der Justiz zu untergraben, muss mit entsprechenden Strafen rechnen.“
Wieder der übliche Denkfehler aus dem CDU Umfeld. Wobei ich mich langsam frage, ob das ein Denkfehler oder nicht doch eher Absicht ist.
Dieses fatale Gemisch aus organisierten Kriminellen und Geheimdienstlern wird von schärferen Gesetzten ja gerade nicht abgeschreckt, gerade weil die ja wie im Artikel korrekt beschrieben potentiell gewaltsamen Einfluss auf Zeugen und Gerichte nehmen und deshalb nie verurteilt werden, weil alle einknicken.
Gegen welche Gesetze die verstoßen und wie scharf die sind, ist letztlich völlig egal, wenn es zu keiner Verurteilung kommt. Das Verschärfen von Gesetzen verpufft hier total. Das einzige was funktioniert, ist pro-aktive physische(!) Abschreckung gegen diese Leute für alle Ermittler, Opfer/Zeugen wie auch Anwälte, Staatsanwälte und Richter.
Was in der Praxis bedeutet: Personenschutz und Waffenscheine, damit die sich direkt physisch wehren können, wenn sie von den Tätern oder ihrem Umfeld im Vorfeld oder während des Prozesses unter Druck gesetzt werden.
Ich bin durch diese Nummer selbst durch. Diese Leute haben überhaupt kein Problem damit, Gerichtsverfahren mit illegalen Methoden gegen Prozessbeteiligte unter grober Missachtung der StPO zu sabotieren, damit es gar nicht erst zu einem rechtswirksamen Urteil kommt und der Prozess vorzeitig endet. Und kein Prozess -> Keine Verurteilung. Mit welchen Gesetzen auch immer.
Ich wiederhole: Das einzige, was diese Leute davon abhält, den Rechtsstaat mittels illegaler Einflussnahme auf Prozessbeteiligte zu sabotieren, ist beim ersten Versuch direkt in den Lauf eines geladenen Schießeisens zu blicken. Das ist das einzige, was die wirklich ernst nehmen. Das einzige.
Aber das Waffenrecht wird ja mal wieder nicht gelockert, sondern andauernd verschärft. Und die Knackis profitieren dann davon. Niemand sonst.

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