Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Als Wegbereiter des Segelflugs und ehrgeiziger Flugpionier wurde er zum Himmelsstürmer
Ostpreußen bildete nie ein Zentrum des Flugwesens im Deutschen Reich, dennoch brachte es zwei wahre Pioniere der Luftfahrt hervor. Das war zum einen Ferdinand Schulz aus Pissau im Landkreis Rößel, der 1927 alle Segelflugweltrekorde brach, weswegen er den Beinamen „Ikarus von Ostpreußen“ erhielt. In seiner Fliegerschule nahmen spätere Prominente wie der Raketenkonstrukteur Wernher von Braun, die Pilotin Hanna Reitsch und der Generalluftzeugmeister Ernst Udet Unterricht. Schulz stürzte jedoch bereits am 16. Juni 1929 unweit von Marienburg im Alter von nur 36 Jahren ab.
Sehr viel weniger Aufsehen erregten die Leistungen von Bruno Poelke, der immerhin zu den Begründern des Segelfluges zählte. Er kam am 25. Juli 1883 in Osterode zur Welt und absolvierte später die Maschinenbauschule in Allenstein. Noch vor dem Abschluss seiner Ausbildung versuchte er im Jahr 1900 vergeblich, sich mittels einer Gerätschaft, deren Schlagflügel während der Aufwärtsbewegung jalousieartig aufklappten, in die Luft zu erheben.
Exklusive Kundschaft in Übersee
1902 wechselte Poelke nach Frankfurt am Main, wo er zunächst in einer Maschinenfabrik arbeitete und dann 1906 seine eigene Werkstatt in der Kronprinzenstraße eröffnete. Hier konstruierte er weitere Flugapparate und fertigte zugleich auch Flugzeugbauteile, die er in alle Welt verkaufte. Zu seinen Kunden gehörten sogar die Gebrüder Wilbur und Orville Wright, denen am 17. Dezember 1903 der erste bemannte Motorflug der Geschichte gelungen war.
Ab 1908 unternahm Poelke Flugversuche mit einem selbst gebauten Gleiter, der jenem Apparat glich, mit dem Otto Lilienthal ab Mitte 1891 im Umkreis von Berlin Strecken von bis zu 250 Metern bewältigt hatte. Dabei wurde Poelke von dem Ingenieur Carl Oskar Ursinus unterstützt, dem Gründer und Herausgeber der Zeitschrift „Flugsport“, der dann im Ersten Weltkrieg den Bomber Gotha G.I konstruierte. Im Oktober 1908 sprang Poelke mit seinem Gleiter vom vier Meter hohen Bahndamm im Frankfurter Kuhwald, prallte allerdings schon nach zehn Metern hart auf. Deswegen erhielt der Erfinder den spöttischen Spitznamen „Adler vom Kuhwald“.
Zwischen Juli und Oktober 1909 fand in Frankfurt die erste Internationale Luftschifffahrt-Ausstellung statt, welche damals das größte und bedeutendste Ereignis dieser Art war, bei dem Fluggeräte aller Art gezeigt wurden. Am Tag vor der offiziellen Eröffnung absolvierte Poelke einen Gleitflug, in dessen Verlauf er sich bis zu sechs Meter über den Startpunkt erhob. Bei den nachfolgenden Wettbewerben in dieser Disziplin war Poelke neben August Euler der einzige Teilnehmer. Sein Konkurrent erwarb im Folgejahr das deutsche Flugzeugführerzeugnis Nummer 1 und katapultierte sich 1919 sogar zum Leiter des Reichsamtes für das Luft- und Kraftfahrwesen.
Abgelehnt, weil er zu schnell war
Poelke seinerseits konstruierte 1910/11 zwei verschiedene Flugzeuge, die er beide mit einem siebenzylindrigen Rotationsmotor ausstattete, der Geschwindigkeiten von 120 Stundenkilometern erlaubte. Genau deswegen lehnte die Heeresverwaltung den Kauf der beiden Maschinen ab: Diese seien viel zu schnell! Angesichts solcher Misserfolge bei der Vermarktung eigener Flugzeuge gab Poelke die Selbstständigkeit 1912 auf und testete künftig die Modelle anderer Hersteller.
1917 wurde er eingezogen und diente als Fluglehrer in Darmstadt, dann erfolgte seine Versetzung an die Westfront. Nach vier Monaten Einsatz traf ein feindliches Artilleriegeschoss die Maschine Poelkes, die daraufhin abstürzte. Dennoch gelang es ihm, mit einem Splitter im Arm die eigenen Linien zu erreichen und so der Gefangenschaft zu entgehen.
Erster Segelflug mit Thermiknutzung
Infolge des Versailler Diktats bestanden bis Mai 1926 starke Restriktionen im Hinblick auf den Einsatz deutscher Motorflugzeuge, weswegen vielen Flugenthusiasten in der Weimarer Republik nur der Umstieg auf die Segelfliegerei blieb. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei Poelkes erster Mentor Ursinus, der diese Art des Fliegens in seinem Blatt „Flugsport“ populär zu machen versuchte und 1920 den ersten großen Segelflugwettbewerb auf der Wasserkuppe in der Rhön initiierte. Dabei waren lukrative Preise für die weiteste Flugstrecke und ebenso für die längste Flugdauer ausgeschrieben.
Poelke nahm mit seinem selbst gebauten „Rhönvogel“ teil und absolvierte den allerersten Segelflug unter gezielter Ausnutzung der Thermik am Hang des Berges. Zum Sieg reichte diese ausgeklügelte Technik allerdings nicht, auch wenn sich seine Konstruktion nur wenig später zunehmend durchsetzte – eben genau wegen der Nutzung der Thermik. Den Sieg aber errang der Dresdner Wolfgang Klemperer mit der Konstruktion FVA-1 „Schwatze Düvel“, die 1,83 Kilometer weit flog und 142 Sekunden in der Luft blieb.
Den Mann vom Mond getroffen
1922 gehörte Poelke zu den Gründern des Frankfurter Aeroclubs und organisierte mehrere Flugtage. Dann musste er aufgrund der Weltwirtschaftskrise eine Tätigkeit als Handelsvertreter aufnehmen.
Später arbeitete der Flugpionier bis zur Rente in einem Darmstädter Unternehmen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der gebürtige Ostpreuße in Frankfurt-Bockenheim, wo er dann am 9. August 1975 starb. Fünf Jahre zuvor war ihm noch die Ehre einer persönlichen Begegnung mit Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond, widerfahren.
sitra achra am 07.04.25, 18:25 Uhr
Eine wertvolle Hintergrundinformation und eine Ergänzung meines Buches über das NS-Fliegerkorps "Junge Adler" von Georg Cordts. Mir unverständlicherweise wird Poelke dort leider nicht erwähnt.