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Vor 150 Jahren starb Hans-Christian Andersen – Odense feiert den Dichter mit einem über drei Monate andauernden Fest
Odense ist mit rund 180.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Dänemarks und für viele Reisende vor allem durch eine Persönlichkeit bekannt: Hans Christian Andersen (1805–1875), der mit Märchen wie „Die kleine Meerjungfrau“, „Des Kaisers neue Kleider“ oder „Das hässliche Entlein“ weltberühmt wurde.
2025 steht die Stadt ganz im Zeichen ihres bekanntesten Sohnes. Unter dem programmatischen Titel „Andersen Forever“ verwandelt sich die Heimatstadt Andersens in ein kulturelles Gesamtkunstwerk. Besucher erwartet ein dichter Veranstaltungsreigen aus Theater, Musik, Performances, Ausstellungen, Podcastreisen, Straßentheater und urbanem Blumenzauber. Dieses Feuerwerk kreativer Fantasie soll das Vermächtnis des Dichters lebendig halten.
Wer heute durch Odense schlendert, begegnet Andersen nicht nur als Statue oder Museumsfigur – er ist Teil des kollektiven Gedächtnisses der Stadt. Es ist Grund genug, einen genaueren Blick auf das Leben des Schriftstellers zu werfen, der wie kaum ein anderer Dänemark literarisch geprägt hat.
Andersen wurde am 2. April 1805 in Odense als Sohn eines Schuhmachers und einer Wäscherin geboren. Früh entwickelte er eine lebhafte Phantasie, inspiriert von Theaterbesuchen und Volksmärchen. Seine Kindheit war von Armut und Unsicherheit geprägt – Erfahrungen, die viele seiner Figuren, etwa das hässliche Entlein oder die kleine Meerjungfrau, symbolisch verarbeiten.
Mit 14 Jahren zog er nach Kopenhagen, versuchte sich zunächst als Sänger und Schauspieler, bevor ihn Förderer wie der Direktor des Kopenhagener Königlichen Theaters, Jonas Collin, unterstützten. Ein königliches Stipendium ermöglichte Andersen den Weg zur Bildung. 1835 erschien seine erste Märchensammlung, mit der sein literarischer Aufstieg begann. Es folgten über 150 Märchen, Romane und Reiseberichte – heute Teil des internationalen Kulturerbes.
Zwischen 1830 und 1873 reiste Andersen durch ganz Europa, traf Persönlichkeiten wie Charles Dickens oder Victor Hugo und wurde an vielen Fürstenhöfen empfangen. Trotz weltweiter Anerkennung empfand er sich oft als Außenseiter – sensibel, unverheiratet, innerlich zerrissen. Auch das Verhältnis zu Dänemark war ambivalent.
Andersen starb am 4. August 1875 in Kopenhagen. Auf seinem Grabstein steht: „Der Name des Dichters lebt in seinen Werken.“ In Odense würdigt man ihn heute nicht nur als Literaten, sondern auch als komplexe Persönlichkeit – im Zentrum des Jubiläumsjahres 2025 steht nicht der Mythos, sondern der Mensch Andersen.
Den Einstieg, diesen Menschen kennenzulernen, bietet das H.C.-Andersen- Hus, ein mehrfach ausgezeichnetes Museum, das Andersens Leben und Werk auf moderne Weise interpretiert. Statt klassischer Vitrinen setzen die Kuratoren auf eine immersive Erlebniswelt, in der Architektur, Licht, Klang und interaktive Medien zusammenspielen. Der japanische Architekt Kengo Kuma hat das Gebäude mit organisch geschwungenen Linien und Gartenanlagen entworfen. Das Museum ist nicht nur ein Ort der Biographievermittlung, sondern auch ein Raum für Fragen nach Vorstellungskraft, Sprache und Identität – alles zentrale Themen in Andersens Werk.
Gleich nebenan liegt das Kindheitshaus des Dichters, in dem Andersen ab dem zweiten Lebensjahr mit seiner Mutter lebte. Die schlichte Einrichtung, die engen Gassen der Altstadt und die Nähe zur früheren Gerberei vermitteln einen authentischen Eindruck vom sozialen Umfeld des Dichters. Ein lohnenswerter Spaziergang führt von hier durch die restaurierte Altstadt bis zur St.-Knuds-Kathedrale, in deren Nähe der junge Andersen seine ersten literarischen Träume entwickelte. Auf dem Weg dorthin kann man einem sogenannten Audiowalk oder einem Street-Art-Intermezzo begegnen. Sie sind Teil eines Stadtlabors, das Geschichten Andersens kreativ in den urbanen Raum verwebt.
Das Herzstück des Gedenkjahres aber ist die Veranstaltungsreihe „Andersen Forever“, die noch bis zum 30. September läuft. Ziel ist es laut Veranstaltern, das Erbe Andersens nicht museal, sondern lebendig zu vermitteln. Das Programm setzt auf künstlerische Vielfalt und die Verbindung von Literatur, Stadtleben und Gegenwartskunst. Es richtet sich gleichermaßen an Familien, Kulturinteressierte und internationale Besucher.
Höhepunkt ist das Freilufttheaterstück „The Phoenix“, eine Produktion der niederländischen Gruppe Close-Act Theatre. Das Stück bringt mit Musik, Tanz und artistischer Luftakrobatik Andersens Erzählung vom Phönix auf die Straße.
Mehrere Plätze in der Innenstadt werden am Abend durch Lichtinstallationen und Projektionen bespielt. Auch kleinere Konzerte – etwa im Innenhof des Museums oder auf temporären Bühnen – gehören zum Programm.
Zum 25. Jubiläum des Odense Flower Festivals werden Blumenarrangements in der gesamten Innenstadt mit Motiven aus Andersens Märchen kombiniert. Diese Verbindung von urbaner Gestaltung und Literatur gehört zu den Besonderheiten des Programms.
Lesungen, Schreibkurse, offene Bühnenformate und Begegnungen mit Künstlern vor Ort laden zum Dialog ein. Für viele Teilnehmer könnte damit ein (Andersen-)Märchen wahr werden.
Viele Programmpunkte sind kostenlos zugänglich. Für den Besuch der Hauptveranstaltungen empfiehlt sich eine Voranmeldung. Infos unter der deutschsprachigen Internetseite: www.visitodense.de