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Anstatt sich den Gründen einer tiefen Unzufriedenheit im Volk zu widmen, setzen die etablierten Parteien weiter auf Delegitimierung der Proteststimmung
Demokratie versteht man am besten als die Ausgestaltung eines Staates, bei der die Regierenden nicht allzu weit – oder nicht allzu lange – von dem abweichen können, was die Regierten hinzunehmen bereit sind. Wo eine parlamentarische Demokratie vorhanden ist, sind die wichtigsten Anzeichen für Defizite bei deren Funktionieren das Aufkommen, die Verfestigung und der mehrfache Wahlsieg einer Protestpartei. Die richtige Reaktion der Regierenden wäre der Versuch, die Motive der Protestierenden zu verstehen, die eigene Politik nötigenfalls zu korrigieren oder auch das Streitgespräch mit den Aufbegehrenden zu suchen.
Alles davon hat Deutschlands Politiker-, Journalisten- und Akademikerschaft leider falsch gemacht, seit sich in Gestalt der PEGIDA-Demonstrationen vor etwa zehn Jahren anhaltender Protest von rechts zu entfalten begann. Mehr und mehr Leute bekundeten damals ihre Sorgen über die zunehmende Zuwanderung von insbesondere Muslimen nach Deutschland. Die Reaktion in Politik, Medien und Universitäten war fast ausnahmslos so: Für derlei Sorgen gäbe es keinen sachlichen Grund; also zeugten sie von Rassismus – und gegen den habe man sich unbedingt zu wehren. Und zwar so: weghören, Verstehensversuche ablehnen, ausgrenzen.
Auch als die AfD so gut wie alle PEGIDA-Themen aufgriff, veränderte sich jenes Reaktionsmuster nicht. Und da man in der Wahlkabine niemanden durch öffentliche Beschämungsversuche zum Verbergen seiner Meinung bewegen kann, eilte die AfD von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Doch auch weiterhin wurden jene Gesellschaftsprobleme, die zu den Erfolgen der AfD führten, als rein eingebildet hingestellt, obwohl sie von vielen Bürgern im Alltag erlebt, anderswo beobachtet oder als bald das eigene Leben zum Schlechteren verändernd befürchtet wurden.
Nie aber reagierte Deutschlands Politiker-, Journalisten- und Akademikerschaft konstruktiv auf jene wachsende Zahl besorgter Bürger, die sich von den bislang regierenden Parteien abwandten und zu AfD-Wählern wurden. Allenfalls die CDU setzte zuletzt in ihrem neuen Programm vorsichtige Neuakzente. Doch die gelten vielen Linksgrünen weiterhin als Futter für die AfD – gerade so, als wäre nicht die Politik Angela Merkels selbst eine wichtige Ursache des Aufkommens und Erfolgs der AfD gewesen.
Die Schwäche der Etablierten
Den SPD-Granden fällt gleich gar nichts anderes mehr ein, als die AfD mit Stumpf und Stiel zur Partei mit „gesichertem Rechtsextremismus“ zu erklären. Anscheinend hofft die deutsche Linke weiterhin auf ein Wunder der Art, irgendwie werde die mit solchen Zaubersprüchen belegte Partei schon verschwinden, oder sie werde irgendwann vom Verfassungsgericht verboten – obwohl man jahrelang gar kein Verbotsverfahren vorbereitet, sondern immer nur faktisch folgenlose Diskussionen über ein AfD-Verbot geführt hat. Doch mit wie überzeugenden Gründen – und mit welchen Folgen – wird man in einer Demokratie die jetzt stärkste Partei im Osten der Republik verbieten können?
Fakt ist: Durch Gegen-PR und üble Nachrede löst man nicht jene Probleme, an denen sich Protest entzündet. Also wird der Protest von Bauern und Handwerkern, von Facharbeitern und Spediteuren, auch aus den Reihen mittelständischer Unternehmen und seitens von deren Verbänden, gewiss nicht verstummen. Vielmehr wird er das weitere Wahlverhalten prägen. Und eine Union, die sich lieber in Anti-AfD-Koalitionen flüchtet als auf eine Rückeroberung der AfD-„Realos“ hinzuwirken, die ihre politische Heimat einst in der Union hatten, wird weder zur Lösung der nicht länger zu vertuschenden Probleme unseres Landes in der Lage sein noch zur Schaffung von Glaubwürdigkeit ihrer Behauptungen, sie könne wirklich Grundlegendes an unserer Migrations-, Energie-, Sozial- und Sicherheitspolitik ändern.
In dieser Lage wäre es hilfreich, auf rein symbolische AfD-Beschimpfungen ebenso zu verzichten wie auf jene quasi-religiösen Bittgänge namens „Demonstration gegen rechts“. Vielmehr sollten sich viele Politiker und Intellektuelle vor großem Publikum auf persönliche Streitgespräche mit AfD-Politikern einlassen. Denn falls AfD-Positionen wirklich so dumm und AfD-Politiker tatsächlich moralisch verkommene Neonazis sein sollten wie allseits behauptet, dann müsste sich das doch auch in harten Debatten mit Führungskräften jener Partei zeigen lassen.
Fehlt es wohl am Mut der selbsterklärt Anständigen unseres Landes, sich auf solche Streitgespräche tatsächlich einzulassen? Denn gewiss sind die viel unangenehmer als einvernehmliches „Fascho“-Beschimpfen im Kreis von Gleichgesinnten. Doch wie sollten wir jene einschätzen, die derlei Streitverweigerung unablässig praktizieren, damit schon jahrelang keinen Stich gegen die AfD gemacht haben, sich aber dennoch wie echte Kämpfernaturen vorkommen? Oder empfinden AfD-Gegner eben doch oft genug, ihre Feindbilder würden den niederzuringenden politischen Gegner gar nicht tatsachengetreu wiedergeben?
Falls aber AfD-Gegner wirklich davon überzeugt sind, in Gestalt dieser Partei kehre der altböse Feind mit Oberlippenbart samt SA-Gejohle und SS-Schwadronen zurück: Wäre es dann nicht ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, endlich ein Verfahren zum Verbot der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht einzuleiten – statt davon stets nur raunend zu faseln?
Schöne Verteidiger unserer Demokratie sind es, die weiterhin einen solchen Kurs des Staatsschiffs halten wollen, der sich – ausweislich aller Umfrage- und Wahlergebnisse – nicht nur von den Wünschen, sondern auch von der Hinnahmebereitschaft der Regierten so weit entfernt. Im schlimmsten Fall werden in fünf, sechs Jahren dann wohl Parlamentsmehrheiten einer weiterhin Radikalitäts- und Demagogie-geneigten AfD zu nötigen Kurskorrekturen führen. Muss man unser Staatsschiff aber erst einmal in so gefährliche Gewässer führen oder treiben lassen?