Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Über Jahrhunderte im Besitz der Familie von Gottberg
Starnitz war ein Rittergut im Kreis Stolp in Hinterpommern und gehörte zum Kirchspiel Gross Dübsow. Das Gut war zweihundert Jahre im Besitz der Familie von Gottberg. Mein Urururgroßvater kaufte 1754 von Peter Otto v. Bandemer den landwirtschaftlichen Großbetrieb Starnitz. Der Betrieb umfasste das Hauptgut und zwei Vorwerke mit insgesamt 1788 Hektar. Außerdem gehörte ein bedeutendes Mühlenwerk dazu, das an der Schottow, einem Nebenfluss der Stolpe, lag.
Von Pommern nach Ostpreußen
Mein Urahn Gustav Wilhelm von Gottberg hatte fünf Söhne. Durch Losentscheid fiel das Gut an den jüngsten Sohn Friedrich von Gottberg, dessen Nachkommen bis 1945 Eigentümer von Starnitz waren. Der Älteste der fünf Söhne Heinrich von Gottberg, Ururgroßvater des Autors, erwarb 1816 in Ostpreußen das Gut Gross Klitten im Kreis Bartenstein gelegen, etwa 45 km südlich von Königsberg.
Gross Klitten gehörte zum Kirchspiel Domnau. Heinrich von Gottberg (1783 bis 1859) begründete den ostpreußischen Zweig der Familie von Gottberg. Vor dem Erwerb von Gross Klitten hat Heinrich einige Jahre Starnitz für seinen noch nicht mündigen jüngsten Bruder Friedrich verwaltet. Wenige Jahre später kaufte ein jüngerer Bruder Heinrichs das Gut Preußisch-Wilten, das ebenfalls im Kreis Bartenstein lag. Gleichwohl, trotz des aufstrebenden ostpreußischen Zweiges der Familie, blieb Starnitz der Mittelpunkt der Großfamilie von Gottberg bis 1945.
1945 – Abschied von Starnitz
Am 6. März 1945 erhielt die verwitwete Eigentümerin Marie von Gottberg, eine Tante des Autors, die behördliche Anordnung, Starnitz mit allen Gutsleuten zu verlassen und in Richtung Westen zu flüchten. Unter der Federführung des letzten Verwalters Harrenberg wurde rasch der Flüchtlingstreck zusammengestellt. Am 7. März 1945 verließen meine Tante sowie alle Gutsleute die heimatliche Scholle. Der Räumungsbefehl kam zu spät. Die Straßen und Wirtschaftswege waren voll von Flüchtlingsfuhrwerken. Drei Tage später hatten die Angriffsspitzen der Roten Armee den Flüchtlingstreck aus Starnitz eingeholt. Eine Katastrophe! Die Überlebenden, das waren glücklicherweise die meisten Menschen aus Starnitz, wurden gezwungen, in ihr Heimatdorf zurückzukehren. Am 15. März war man wieder „zu Hause“, einschließlich der Eigentümerin. Man nahm die alten Quartiere wieder ein. Zu dem Zeitpunkt befanden sich keine Russen im Dorf. Doch wenige Tage später erschien bewaffnetes russisches Zivilpersonal. Diese auf dem Gut eingesetzten russischen Kriegsgefangenen wurden zum Verhalten der Deutschen gegenüber den Kriegsgefangenen befragt. Da die Auskünfte grundsätzlich positiv waren, gab es aus Starnitz nur wenige Deportationen nach Sibirien.
Erstaunlich, der Verwalter des Gutes, Herr Harrenberg, wurde von der russischen Zivilverwaltung auf seinem Posten belassen. Er musste regelmäßig ein hohes Deputat an Nahrungsmitteln an die Rote Armee abliefern. Er nutzte seine Position auch dazu, der Eigentümerin ein wenig Schutz zu gewährleisten. Um meine Tante aus dem Blick der Besatzer zu nehmen, verschaffte er ihr eine kleine Wohnung im Dorf. So oft es ging, lud er sie zum Essen ein, denn wer bei den Russen nicht arbeitete, bekam auch keine „Produkte“. Wer nichts gerettet hatte, um es an Russen oder Polen zu verkaufen oder zu tauschen, dem ging es schlecht. Daher waren viele Frauen mit Kindern am meisten vom Hunger betroffen.
Anfang 1946 konnte meine Tante in die damalige sowjetische Besatzungszone ausreisen. Sie kam in ein Altersheim nach Zittau. Herr Harrenberg bewirtschaftete Starnitz unter den Russen bis zum November 1949. Zu diesem Zeitpunkt übergaben die Russen ihre Besatzungsmacht an Polen. Zunächst beließen diese Harrenberg auf seinem Posten. Erst zum Jahresende 1950 wurde er durch einen polnischen Verwalter ersetzt.
Wie sieht die Zukunft aus?
Es ist heute unklar, wer der Eigentümer von Starnitz ist. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde das Gutshaus von einem polnischen Bürger erworben. Vermutlich war der polnische Staat der Verkäufer. Der neue Eigentümer begann das Haus umfangreich zu sanieren. Dabei hatte er sich finanziell übernommen. Ein Notverkauf rettete ihn vor dem Verlust seines gesamten Vermögens.
In Hinterpommern, so auch im Kreis Stolp, haben Holländer umfangreich landwirtschaftliche Flächen gepachtet. Sie bewirtschaften die Pachtflächen expansiv. Es ist zu vermuten, dass auch Ackerflächen dabei sind, die vor 1945 zum Starnitzer Gutsbetrieb gehörten. Bei meinem letzten Besuch in Starnitz 2008 waren die umfangreichen Stallgebäude des Gutes vollkommen leer. In einem kleinen Teil des Gutshauses wohnte damals die Tochter des letzten Kutschers von Starnitz.
Sie gab mir einige Hinweise zur Geschichte des Gutes in den letzten 50 Jahren. Besonders beeindruckt hat mich bei diesem Besuch das Familienwappen unserer Familie, das unübersehbar den Giebel des Hauses über dem Haupteingang des Hauses schmückte. Mein ältester Sohn Elard hat 2019 mit seinen vier Kindern Starnitz besichtigt.
Die Geschichte von Starnitz ist noch nicht zu Ende – Geschichte ist nach vorne immer offen.
Wilhelm von Gottberg ist Altsprecher der Landsmannschaft Ostpreußen und MdB a.D.