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Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, zieht eine kritische Bilanz seiner Jahre in dem autokratisch geführten Land
Nach fünf Jahren als deutscher Botschafter in Moskau zieht Rüdiger von Fritsch eine nüchterne Bilanz: „Wenig spricht dafür, dass Russland sich in absehbarer Zeit organisch transformiert, hin zu einem demokratischen Land mit funktionierendem Rechtsstaat und gerechterer Verteilung des Wohlstandes.“ Dennoch bleibe angesichts des Gewichts des Landes in der Weltpolitik nichts anderes übrig, als immer wieder zwei scheinbar unvereinbare Dinge auf einen Nenner zu bringen: prinzipienfest zu eigenen Werten zu stehen und gleichwohl dialogbereit zu sein.
Der aus einer baltendeutschen Familie stammende Diplomat war von 2014 bis 2019 deutscher Botschafter in Moskau. Die ersten Monate waren überschattet von der Ukraine-Krise. Die Beziehungen zum Westen verschlechterten sich dramatisch, und Fritsch erzählt, wie er alle Hände voll zu tun hatte, um eine völlige Eiszeit zu verhindern. Als der russische Einsatz in Syrien folgte und Moskau ein neues Wettrüsten ankündigte, habe Diplomatie nur noch Schadensbegrenzung bedeuten können.
Russlands Außenpolitik sei rücksichtslose Interessenpolitik. Habe das Außenministerium doch einmal Gewissensbisse, treibe der allmächtige Geheimdienst seine skrupellose Politik. Die interessantesten Passagen im Buch sind wörtliche, meist sehr offenherzige Zitate aus zahllosen Begegnungen mit russischen Offiziellen, die in ihrer Summe fast jedes (westliche) Lehrbuch zur russischen Außenpolitik ersetzen.
Viel bedrückender ist der Abschnitt zur inneren Lage des Landes, des an Bodenschätzen reichsten Landes der Erde, das wegen Korruption, überbordender Bürokratie und schamloser Gier nach Geld und Einfluss einer Putin-ergebenen Clique („eine Loyalität aus Angst“) in latentem Krisenmodus verharrt. Fritsch hat viele Wissenschaftler, Ökonomen und mutige Oppositionelle kennengelernt. Besonders von Letzteren schreibt er mit größter Hochachtung. Der „Große Vaterländische Krieg“ müsse noch immer als Kitt für den Zusammenhalt der Gesellschaft herhalten. Die Gesetzgebung zur Verfolgung Andersdenkender sei so perfide verfeinert, dass man gegen sie verstoße, egal wie man sich verhält.
Alle Bücher zur aktuellen Politik sind natürlich Momentaufnahmen. Diesem ungewöhnlich klugen und kenntnisreichen Buch attestiert der russische Bürgerrechtler Viktor Jerofejew in einem Grußwort als „Zeugnis sensibler Diplomatie“ bleibenden Wert. Das wirkt nicht zu hoch gegriffen.
sitra achra am 26.02.21, 16:37 Uhr
Ja, wie kommt man an die russischen Bodenschätze ran?
Darauf hat Rüdiger, der Baltenspross, auch keine Antwort parat.
Die Tatsache, dass man die Sowjetunion aufs Kreuz gelegt hat, lässt die Demokratiestreiter und Menschenrechtsverfechter hoffen, dass doch noch etwas geht. Fighting for the Yankeedollar.
Vielleicht ist es der Weg über Stalingrad? Dort könnte man dem Großen Vaterländischen Krieg begegnen. Ausgang vermutlich wahrscheinlich, wegen der vorherrschenden Klimakatastrophe aber noch offen.
No snow, no hope.