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Meeressäuger erfüllen seit Jahrzehnten wichtige Aufgaben im Dienst des Militärs. Sowohl Russen wie US-Amerikaner betrauen die intelligenten Ozeanbewohner mit heiklen Operationen unter Wasser
Im Jahr 1967 veröffentlichte der französische Schriftsteller Robert Merle seinen Roman „Ein vernunftbegabtes Tier“. Hier beschrieb er eindrucksvoll, wie zwei dressierte Delfine dazu missbraucht werden, einen Marine-Kreuzer mittels einer am Schiffsrumpf platzierten Atombombe zu versenken. Merles populäres Buch trug sicher mit zu der hysterischen Berichterstattung über den Beluga-Wal „Hvaldimir“ bei, welcher im Jahr 2019 an der norwegischen Küste auftauchte und ein sehr spezielles Arbeitsgeschirr trug.
Der schließlich im Oktober 2024 verendete „Hvaldimir“ war allerdings kein Spion oder Saboteur der russischen Marine, wie immer wieder behauptet wurde, sondern ein ausgebüxter Wal namens „Semjon“ für die Therapie chronisch kranker und behinderter Kinder aus der Nähe der russischen Stadt Murmansk. Doch völlig grundlos war die Aufregung nicht. Denn tatsächlich „dienen“ Meeressäuger in den russischen Seestreitkräften, worüber aber kaum Fakten bekannt sind.
So berichtete der US-amerikanische Marine-Spezialist H. I. Sutton über zwei Delfingehege im ukrainischen Kriegshafen von Sewastopol, die offenbar dem Militär Kiews gehörten und 2014 nach der russischen Annexion der Krim in den Besitz von Putins Schwarzmeerflotte übergingen. Ebenso sollen die Russen im Polarmeer Beluga-Wale und Seehunde für verschiedene Missionen trainieren – beispielsweise im Umkreis der geheimen U-Boot-Basis Olenya Guba am Rande der Barentssee. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine zeitweilige Präsenz russischer Marine-Delfine in der mittlerweile geräumten Flottenbasis Tartus an der syrischen Mittelmeerküste.
Deutlich mehr weiß man über das seit 1959 laufende U.S. Navy Marine Mammal Program (NMMP). In Stützpunkten wie San Diego, Point Mugu, Key West und Kane'ohe Bay wurde mit zehn Wal- und sechs Robbenarten experimentiert. Dabei erwiesen sich die Großen Tümmler und Kalifornischen Seelöwen als am besten geeignet. Die Tümmler nutzen ein natürliches Sonar zur Unterwasserortung und die Seelöwen verfügen über ein hervorragendes Gehör und scharfe Augen für beste Sicht in trübem Wasser.
Schon im Vietnamkrieg eingesetzt
Außerdem gehen Experten davon aus, dass auch die nordkoreanische und die israelische Marine Delfine einsetzen. Im Falle Israels verbreitete die palästinensische Terrororganisation Hamas 2022 das Gerücht, der jüdische Staat verfüge über „Killer-Delfine“, welche Taucher der Hamas attackierten und ausschalteten. Es liegen jedoch keinerlei belastbare Hinweise auf Programme vor, in deren Verlauf man Meeressäuger zu Tötungsmaschinen abrichtet.
Vielmehr sieht das Aufgabenspektrum der Tiere anders aus: Zum einen sollen sie Hafenanlagen, Marinestützpunkte und Kriegsschiffe vor Sabotage- oder Terrorakten unter Beteiligung von Kampfschwimmern bewahren. Hierzu entwickelte die US-Marine spezielle Programme für Seelöwen und für Delfine.
In beiden Fällen markieren die Tiere aufgespürte feindliche Taucher mit Signalgebern, wonach dann Elitesoldaten die Neutralisierung der Eindringlinge übernehmen. Entsprechende Einsätze fanden zuerst im Vietnamkrieg und später im Persischen Golf statt. Heute schützen die „Wachhunde der Meere“ unter anderem die U-Boot-Basis in Groton, Connecticut, einen der wichtigsten U-Boot-Stützpunkte der USA überhaupt, an dem 16 Atom-U-Boote stationiert sind.
Zum anderen helfen die Seelöwen und Delfine bei der Minensuche. Aktuell gibt es auf amerikanischer Seite fünf Teams, welche binnen 72 Stunden per See-, Luft- oder Landtransport an jeden beliebigen Punkt der Erde gebracht werden können. Manche der Gruppen sind auf Ankertau-Minen abgerichtet, andere auf Sprengkörper am Meeresgrund. Während des Irak-Krieges haben die Tiere um die 100 Seeminen und Sprengfallen im Hafen von Umm Qasr lokalisiert.
Tierschützer sind nicht begeistert
Schließlich verfügen die US-Streitkräfte noch eine Seelöwen-Einheit, deren Spezialität das Auffinden und Bergen sonstiger Gegenstände unter Wasser ist. Das erste Mal stellte sie ihre Fähigkeiten 1970 bei der Hebung einer verloren gegangenen Anti-U-Boot-Rakete unter Beweis.
Obwohl die Meeressäuger menschliche Taucher in vielerlei Hinsicht übertreffen, birgt ihr Einsatz Probleme. So entwickeln manche einen eigenen Willen und „desertieren“, was vor allem in der Paarungszeit vorkommt. Der ehemalige russische Marineoffizier Juri Pljatschenko berichtete über mehrere verschwundene Militär-Delfine aus Sewastopol, die offenbar dem Ruf „ziviler“ Weibchen gefolgt waren.
Gleichzeitig entzündet sich immer wieder Kritik am Einsatz der Tiere für militärische Zwecke sowie angeblich nicht artgerechten Trainingsmethoden. Immerhin müssen die Meeressäuger Maulkörbe tragen, damit sie bei der Arbeit nicht plötzlich auf Nahrungssuche gehen.
Die US-Marine setzt dem entgegen, dass sie alle Auflagen des US-Gesetzes zum Schutz der Meeressäuger von 1972 und des US-Tierschutzgesetzes von 1966 erfülle und darüber hinaus sogar noch Tierwohlstandards außerhalb des gesetzlichen Rahmens einhalte. Deshalb sei das NMMP auch ein anerkannter Partner der Association for Assessment and Accreditation of Laboratory Animal Care (AAALAC) zur Wahrung der Rechte von Versuchstieren.
Kritiker meinen jedoch, die plötzliche Verbringung der Tiere in unbekannte Ökosysteme löse bei diesen starken Stress aus und berge Gefahren. Beispielsweise könnten sie von Artgenossen attackiert werden, die ihr angestammtes Revier verteidigen. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass der Gegner im Kriegsfall dazu übergehe, zur Ausschaltung jeglichen Risikos sämtliche Meeressäuger in einem bestimmten Gebiet zu töten.
Allerdings dürften diese Probleme bald irrelevant werden, weil die Entwicklung autonomer Unterwasserdrohnen rasant voranschreitet. Hierzu sagte der ehemalige US-Marine-Delfintrainer Rick Trout, man setze jetzt konsequent auf neue Technik und ebenso Künstliche Intelligenz, um „die nationale Sicherheit nicht weiterhin von Flipper abhängig zu machen“.