25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Kultur

Der gezähmte 007

Auch Superagent James Bond soll ein Opfer der Zensur werden – Dabei sind die Romane ein Spiegel des Zeitklimas der 1950er Jahre

Ansgar Lange
14.04.2023

Jetzt geht es also auch einem Superhelden der westlichen Welt an den Kragen. Zum 70. Jahrestag von „Casino Royale“ – der erste James-Bond-Roman erschien am 13. April 1953 – werden die Werke des britischen Autors Ian Flemings neu veröffentlicht. Da einige Textstellen aus heutiger Sicht als anstößig empfunden würden, sollen sie gestrichen oder überarbeitet werden.

Verantwortlich für dieses Unterfangen, aus „007“ einen politisch korrekten Geheimagenten Ihrer Majestät zu machen, ist das von Flemings Nachfahren gegründete Unternehmen „Ian Fleming Publications“. Nicht nur Flemings Biograph Andrew Lycett wittert Zensur und spricht sich grundsätzlich dagegen aus, die Werke verstorbener Schriftsteller nachträglich umzuschreiben.

Generell besteht kein Zweifel daran, dass Flemings 14 Bond-Romane voll sind von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und anderen Vorurteilen. Doch es ist trotzdem keine gute Idee, diese Romane im Nachhinein zu verändern. Es gibt zwei Arten, die Bond-Bücher zu lesen. Man kann sie als reine Unterhaltungsware betrachten, die einfach konsumiert wird. Man kann sie aber auch als Romane lesen, die „das unverwechselbare Zeitklima der fünfziger Jahre“ (Hans-Peter Schwarz) erfasst haben.

Der Zeithistoriker und Adenauer-Biograph Schwarz hat diesem Thema ein ganzes Buch gewidmet. Es erschien 2006 und heißt „Phantastische Wirklichkeit. Das 20. Jahrhundert im Spiegel des Polit-Thrillers“. Schwarz zufolge ist der Polit-Thriller zwar eine Fortentwicklung des klassischen Abenteuerromans im düsteren Stil des 20. Jahrhunderts, doch steckt in vielen dieser Romane auch ein zeitkritischer Kern. Würde man Fleming nachträglich zensieren, würden die Romane eben nicht mehr die typischen Urteile und auch Vorurteile ihrer Zeit widerspiegeln.

Auch wenn Eric Ambler, Graham Greene, John Le Carré, Robert Ludlum, Frederick Forsyth, Fleming, Tom Clancy und andere deutliche Unterschiede hinsichtlich ihrer literarischen Qualität aufweisen, so eint sie doch das gemeinsame Ziel, den Leser zu unterhalten und die jeweilige Zeitstimmung zu erfassen. Einige dieser Autoren waren links oder sogar in ihren Anfängen linksradikal, andere eher konservativ. Der Respekt gegenüber dem Werk eines jeden Autors gebietet es, sie nicht nachträglich so umzuschreiben, dass sie dem entsprechen, was vielleicht der politisch korrekte Mainstream im Jahr 2023 gefühlt denkt.

Mit seinem snobistischen Superagenten James Bond hat Fleming eine Figur geschaffen, die aus der Unterhaltungsindustrie nicht mehr wegzudenken ist. Während der Film-Bond in erster Linie als Hedonist, augenzwinkernder Super-Action-Held und Frauentyp gezeichnet wurde, ist der Bond der Romane deutlich düsterer und brutaler.

Prüde, wenn es um Sex ging

„Aus dem Rückblick von heute sind diese Thriller deshalb interessant, weil sie die Atmosphäre dieser Epoche genauer wiedergeben als manche der literarisch anspruchsvolleren zeitgenössischen Romane“, schreibt Schwarz. In den unzensierten Bond-Romanen, die der eine oder andere noch in seinem Bücherschrank haben wird, lebt ein „ganz naiv artikuliertes Überlegenheitsgefühl allen gegenüber“ weiter, „die nicht der angelsächsischen Rasse angehören“. Flemings Rassismus werde nur noch von seinem hinlänglich bekannten Machismus übertroffen „und wäre heute ein Grund, die James-Bond-Romane als jugendgefährdendes Schrifttum zu indizieren“. Auch von Antisemitismus sind die Romane nicht frei.

Der bei Liberalen lange Zeit sehr beliebte US-Präsident John F. Kennedy reihte den fünften Bond-Roman „Liebesgrüße aus Moskau“ unter seine zehn Lieblingsbücher ein. Dort heißt es: „Tatjana lief rot an. Russische Mädchen waren zurückhaltend und prüde, wenn es um Sex ging. In Russland entsprach die sexuelle Situation der des viktorianischen Zeitalters.“

Auch die Balkanstaaten bekommen ihr Fett ab. So ist die Rede von diesen „verdammten Balkanstaaten“. Diese Länder seien hinterhältig, während in der Schweiz und Frankreich freundliche Menschen lebten. Selbstverständlich ist diese Sicht auf andere Völker – hier die Russen und die Bevölkerung auf dem Balkan – holzschnittartig, pauschal und fremdenfeindlich. Aber durch Fleming spricht ein typischer Repräsentant der snobistischen britischen Oberschicht seiner Zeit – wobei auch diese Feststellung natürlich eine Verallgemeinerung darstellt.

Auch Bonds beziehungsweise Flemings Frauenbild entspricht nicht mehr dem geglätteten Geist unserer Zeit. So nimmt Bond von einer Frau in dem Roman „Feuerball“ an, dass sie „in einem Moment der Leidenschaft sicher regelrecht animalische Züge annehmen würde“. Im Bett „würde sie kämpfen und beißen und dann plötzlich in hitziger Hingabe dahinschmelzen“.

Während Fleming selbst sein frühes Ableben durch hemmungsloses Rauchen und Trinken beschleunigte, lebt auch sein Superagent alles andere als gesund. Ernährungsminister Cem Özdemir, selbst überzeugter Vegetarier, fände seine Essgewohnheiten sicher kritikwürdig. Bond kann seine Arbeit nicht machen, „wenn ich nur Karottensaft trinke“. Daher verlangt es ihn an einer anderen Stelle in „Feuerball“ nach einem Rührei mit vier Eiern, vier Scheiben von geräuchertem Speck und heißem, gebutterten Toast, aber bitte „nicht den mit Vollkorn“. „Mir ist nur gerade klar geworden, dass das Leben fürs Kalorienzählen zu kurz ist. Damit kann man sich im Jenseits immer noch beschäftigen“, so sein lapidarer Hinweis.

Fleming war der „Karl May des Kalten Krieges“, sagt der Publizist Wieland Freund. Es sei auch heutigen Lesern zuzumuten, nicht jedes seiner Worte auf die 007-Gold(finger)waage zu legen und ihn stattdessen als ein Kind seiner Zeit zu verstehen.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Dieter Hartmann am 14.04.23, 11:40 Uhr

Wenn das schlimm sein soll, habt ihr von Mrs. Mortimers übellaunigem Reiseführer "Die scheußlichsten Länder der Welt" noch nicht gehört.

Gregor Scharf am 14.04.23, 11:30 Uhr

Moderne Moralapostel sind die Neuauflage der Inquisitoren. Wo die auftauchen, verdunkelt sich der Himmel und den Menschen vergeht die Lebensfreude.
Anstatt die Vergangenheit so zu nehmen wie sie ist, wird sie verfälscht und umgeschrieben. Was ist noch wahr? Es dominiert die Lüge. Der Selbstbetrug triumphiert. Wer hat einen Nutzen davon?

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS