12.10.2024

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Wölfe auf dem Vormarsch: Eines der bevorzugten Beutetiere der Räuber ist wehrloses Weidevieh, das weder von Zäunen noch von Hütehunden wirksam geschützt werden kann. Selbst Pferde und Menschen wurden schon angefallen
Foto: imago/Westend61Wölfe auf dem Vormarsch: Eines der bevorzugten Beutetiere der Räuber ist wehrloses Weidevieh, das weder von Zäunen noch von Hütehunden wirksam geschützt werden kann. Selbst Pferde und Menschen wurden schon angefallen

Über 3000 Wölfe

Der graue Räuber wird zum Dauerärgernis

Niedersachsen will Viehhalter mit neun Millionen Euro vor dem Wolf schützen, doch die Debatte um Isegrim reißt nicht ab

Bernhard Knapstein
10.10.2024

In Deutschland ist der Wolf seit dem Jahr 2000 wieder heimisch, wurden doch in jenem Jahr die ersten in Freiheit geborenen Welpen in der Sächsischen Lausitz nachgewiesen. Seither wächst die grenzüberschreitende Wolfspopulation auch im dicht besiedelten Deutschland unaufhörlich. Vor allem über Brandenburg und Sachsen-Anhalt hat sich das Raubtier nach Niedersachsen ausgebreitet und wurde zuletzt sogar auf der Nordseeinsel Norderney gesichtet. Doch insbesondere das landwirtschaftlich geprägte, aber relativ dicht besiedelte Niedersachsen kommt beim Thema Wolf nicht zur Ruhe.

Immer mehr Territorien mit zunehmender Gesamtpopulation richtet sich das Raubtier in dem Flächenland ein. Ende Juni registrierte das Wolfsmonitoring der niedersächsischen Landesjägerschaft 57 Wolfsterritorien, die von 52 Wolfsrudeln, drei Wolfspaaren und zwei bleibenden (residenten) Einzelwölfen besiedelt werden. Allein im Umfeld des Heidekreises liegen rund zehn Wolfsreviere dicht beieinander.

Selbst Pferde werden gerissen
Da bleiben Konflikte nicht aus, wie allein die offiziellen Zahlen belegen. 110 Übergriffe auf Nutztiere sind im ersten Halbjahr dokumentiert, bei denen insgesamt 219 Tiere gerissen und 82 verletzt worden sind sowie 22 Tiere vermisst werden. Die Risse nehmen statistisch um etwa 30 Prozent jährlich zu. Das entspricht parallel auch der Zuwachsrate der Wolfspopulation. Dass Schafe zwar leichter zu bejagen sind, aber der Wolf dabei längst gelernt hat, dass auch Großtiere wie Pferde und Rinder durchaus beutetauglich sind, belegen die Daten ebenfalls. In einer Ortschaft der Stadt Soltau ist ein Wolfsriss auf einen ausgewachsenen Trakehner nachgewiesen worden. Das Tier wurde zwar nicht getötet, musste aber eine langwierige medizinische und damit teure Behandlung über sich ergehen lassen.

Nachdem der Wolf den ohnehin noch sehr kleinen Bestand wild lebender Mufflon-Schafe in den letzten Jahren beinahe ausgerottet hat, nehmen die Angriffe auf Weidetiere immer weiter zu. Die Weidetierhaltung wirkt beinahe wie ein gedeckter Tisch für Isegrim. Während sich die rot-grüne Landesregierung, befeuert von Tierschutzverbänden, einerseits für mehr Weidetierhaltung gegenüber Stalltierhaltung einsetzt, andererseits die Weidetierhaltung zugunsten von mehr Naturschutzgebieten zunehmend unmöglich macht, wirkt der Wolfsschutz wie eine zweite Front in der Viehhaltung.

Doch nicht nur Landwirte und Schäfer schlagen Alarm. Selbst der Verein Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP) hält sich öffentlich nicht mehr zurück, nachdem erst Dülmer Wildpferde angegriffen, später Schnucken gerissen wurden. Im Wildpark am Bundeswehrstandort Munster soll es der Wolf inzwischen sogar geschafft haben, einen zwei Meter hohen Zaun zu übersteigen und im Gehege Tiere zu reißen. Belegt ist das zwar nicht, aber Videos im Netz zeigen, dass die lernfähigen Wölfe das Überklettern hoher Zäune durchaus beherrschen können.

Erste Menschen werden Opfer
Dass auch der Mensch nicht völlig ungefährdet ist, belegen aktuelle Vorkommnisse im Raum Utrecht. Im niederländischen Heuvelrug-Wald hat ein Wolf mehrere Kinder angegriffen, kurz zuvor war ein Mädchen gar gebissen worden. Auch wenn solche Übergriffe selten sind, der Mensch nur bei extremen Bedingungen ins Beuteschema des Raubtieres gerät – es gibt dennoch solche Vorfälle. In Polen wurden Menschen in den vergangenen Jahren auch schon von Wölfen getötet.

Während in den Kommunen und Landkreisen über Jahre die Rückkehr des Raubtiers weitgehend unkritisch begrüßt worden war, hat sich das Blatt aufgrund des Drucks seitens der Landwirtschaft inzwischen zunehmend gewendet. In einer gemeinsamen Resolution haben sich mehrere Landräte im Großraum der Lüneburger Heide für ein aktives Wolfsmanagement stark gemacht.

Grüne Verzögerungstaktik
Als dann noch das Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement aus dem beim Umweltministerium des Landes eingerichteten Dialogforum Wolf wegen „Sinnlosigkeit der Debatte“ ausgestiegen war, zeichnete sich – zumindest offiziell – beim grünen Umweltminister Christian Meyer ein Umdenken ab. Während sein SPD-Amtsvorgänger Olaf Lies weniger Bedenken beim Abschuss auffälliger Wölfe an den Tag legte, hielt sich Meyer mit Blick auf seine vor allem urbane ökofundamentale Anhängerschaft zunächst zurück. Beherrschen lässt sich das Thema so allerdings nicht. Meyer hatte zwar auch schon die Entnahme von Problemwölfen angeordnet, die Anordnung wurde allerdings vom Verwaltungsgericht Lüneburg wieder kassiert. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte die Entscheidung, hielt eine Entnahme im Schnellabschussverfahren zwar grundsätzlich für rechtens, da es nicht gegen geltendes Naturschutzrecht verstoße. Das Gericht forderte allerdings eine stärkere Beweislast für die Freigabe der Entnahme einzelner Exemplare der streng geschützten Tierart. Der konkrete Nachweis erheblicher Schäden für die Landwirtschaft und der vorhandene Herdenschutz auch bei Pferden und Rindern müsse überprüft werden.

Überteuerter Herdenschutz
Die Landesregierung will die Weidetierhalter finanziell noch stärker unterstützen, den Schutz der Herden zudem unbürokratischer abwickeln. Der Hebel soll eine Kopfprämie sein. Halter, die mehr als zehn Schafe oder Ziegen besitzen, sollen ab 2025 pauschal eine Prämie zwischen 40 und 60 Euro je Tier erhalten, wenn sie bereits Schutzmaßnahmen gegen den Wolf ergriffen haben. Auch Pferde- und Rinderhalter sollen die Prämie beantragen können. Das Land will sich den Herdenschutz jährlich 8,9 Millionen Euro kosten lassen.

Bereits die 2023 ausgegebenen mehr als sieben Millionen Euro hatten Kopfschütteln und Kritik an der Verhältnismäßigkeit der Ausgaben ausgelöst. Irritierend war dabei zudem, dass die definierten Vorgaben über die notwendige Höhe von „wolfssicheren“ Schutzzäunen mehrfach von dem Raubtier, das bisher noch fast jeden Schutzzaun überwunden hat, ad absurdum geführt wurden. Auch Herdenschutzhunde wurden in den vergangenen zwei Jahren stärker diskutiert. Doch aggressives Gebell von Hunden verprellt zwar Touristen, aber nicht in jedem Fall Wölfe. Auch hier gab es bereits Verluste.

Eine Änderung der Rechtslage deutet sich jetzt aber mehr und mehr an: Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich nämlich inzwischen auf eine Absenkung des Schutzstatus für den bislang streng geschützten Räuber geeinigt.


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