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Warum das Ende der Assad-Diktatur zweifellos eine gute Nachricht für die Syrer und die Welt ist – und zugleich Grund zu neuen Sorgen bietet
In unserer an „Zeitenwenden“ so reichen Zeit ist der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad ein weiterer Meilenstein. Seit dem Tod seines Vaters Hafiz, der in den 70er Jahren in Syrien eine linksnationalistische Diktatur errichtete, im Jahr 2000 regierte Baschar das vorderasiatische Land mittels eines äußerst brutalen Regimes. Rund fünfzig Jahre lang unterdrückten Vater und Sohn Assad jegliche Opposition, trieben sie Millionen Landsleute ins Ausland, ließen sie unzählige Gegner in Kerkern und Folterhöhlen verschwinden. Bis heute ist das genaue Schicksal zahlloser Opfer nicht geklärt.
Besonders brutal verliefen dabei die Auseinandersetzungen mit den Muslimbrüdern, deren Ziel – wie in anderen arabischen Ländern auch – es ist, als Antwort auf die westliche Moderne die syrische Gesellschaft wieder stärker an den Glaubensgrundsätzen des Islam auszurichten. Selbst vor dem Einsatz der Armee und gar von Giftgas schreckten die Assads in ihrem Kampf um die Macht nicht zurück. Weshalb es auch nicht verwundern kann, wenn die Syrer im Augenblick des Sturzes ihrer verhassten Regierung millionenfach auf den Straßen von Damaskus, Aleppo, Homs und andernorts jubeln.
Zweifel, ob alles besser wird
Und doch nährt die jüngere Geschichte Zweifel, ob sich die Lage für das Land und seine Menschen nun wirklich verbessern wird. Als 2011 von Ägypten ausgehend der Arabische Frühling ausbrach und sowohl in den betroffenen Ländern als auch im Westen die Hoffnung auf eine Demokratisierung der Staaten vom Maghreb bis zum Persischen Golf aufkeimte, wurde auch Syrien schnell davon erfasst. Doch anders als etwa Tunesien, Ägypten und Libyen, wo lang herrschende Diktatoren gestürzt werden konnten, landete Syrien in einem blutigen Bürgerkrieg, dessen schrecklicher Höhepunkt die Entstehung der Terrororganisation „Islamischer Staat in Irak und Syrien“ (ISIS) war, die mit medial inszenierten Steinigungen und Enthauptungen von „Ungläubigen“ und Andersdenkenden – die unter den Assads vergleichsweise in Ruhe leben konnten, solange sie sich nicht in die Politik einmischten – weitere hunderttausende Menschen aus dem Land trieb.
Schon damals mussten die Staaten des Westens anerkennen, dass ihnen schlicht die Kräfte fehlten, um den Konflikt in der arabischen Welt allgemein und in Syrien im Besonderen auch nur zu befrieden, geschweige denn, die Region in ihrem Sinne langfristig zu ordnen. Die ganze westliche Ohnmacht offenbarte sich, nachdem US-Präsident Obama im August 2012 erklärte, dass er bis dato kein Eingreifen seiner Truppen angeordnet habe, aber für ihn „eine rote Linie überschritten“ sei, „wenn eine ganze Menge chemischer Waffen bewegt oder eingesetzt“ werde – und dann nach dem Bekanntwerden von Giftgasangriffen wie dem von Ghuta im August 2013 ebenso stillhielt wie angesichts des weiteren Vormarsches der ISIS-Terroristen, die nebenbei auch noch jahrtausendealte Weltkulturerbestätten wie die Ruinen der antiken Stadt Palmyra sprengten.
Es war dann ein russisches Expeditionskorps, das ab dem Spätsommer 2015 mit hartem militärischen Eingreifen ISIS stoppte – und damit auch dem Assad-Regime das Fortbestehen sicherte. Die Motivation für das Eingreifen Russlands war, dass die Assads seit Jahrzehnten treue Verbündete Moskaus waren. Vor allem der Seehafen und der Flughafen von Latakia waren Eckpfeiler der militärischen Präsenz zunächst der Sowjetunion, später Russlands im östlichen Mittelmeerraum.
Dann gnade uns Allah
Dass Moskau nun, angesichts des erneuten und letztlich erfolgreichen Drucks auf seinen syrischen Verbündeten Assad nicht eingriff, um dessen Herrschaft zu retten – und damit die eigene Präsenz in der Region abzusichern –, verweist auf die geopolitischen Folgen der jüngsten Vorgänge. Offensichtlich ist Russland zwar in der Lage, in der Ukraine sukzessiv gegnerisches Terrain zu erobern, zugleich jedoch nicht (mehr) fähig, einen zweiten Konflikt auszufechten. Was wiederum die Bereitschaft des Kreml erhöhen dürfte, einer politischen Lösung des Ukrainekriegs zuzustimmen (wozu freilich auch gehört, dass man im Westen von dem Irrglauben Abstand nimmt, Russland auf dem Schlachtfeld besiegen zu können).
Ein anderer Aspekt ist die Frage, welche Folgen die aktuellen Entwicklungen sowohl für die deutsche Innen- als auch für die Außenpolitik haben. Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) einen einstweiligen Stopp für die Bearbeitung der Asylanträge von Syrern verkündete, spricht immerhin dafür, dass die deutsche Politik aus jüngsten geopolitischen Dramen – bei denen stets an die Betroffenen eine Einladung ausgesprochen worden war, nach Deutschland zu kommen – gelernt hat.
Dass Außenministerin Baerbock zugleich erklärte, dass all jene, die nun eine Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat forderten, den „Bezug zur Realität im Nahen Osten verloren“ hätten, stimmt indes skeptisch, ob zumindest Teile der Bundesregierung nicht längst eine neue Migrationswelle vorbereiten.
In jedem Falle zeigt sich einmal mehr die ganze Unsinnigkeit der von Baerbock bei ihrem Amtsantritt verkündeten Prinzipien der „feministischen“ oder auch der „wertegeleiteten Außenpolitik“. In Tagen wie diesen erweisen sie sich als wohlklingende Schlagworte, die in den warmen Wohnzimmern, Hörsälen und Redaktionsräumen der westlichen Welt gut ankommen mögen, in der rauen Wirklichkeit – in der es allein darum geht, welcher Akteur mit welchen Kräften welche Ziele verfolgt – jedoch keinerlei Wirkung zeigen.
Und so können sowohl die betroffenen Zivilisten in der Region als auch die Menschen in den anliegenden Staaten bis hin nach Deutschland nur hoffen, dass Syrien – etwa unter türkischem Einfluss – einen dritten Weg findet zwischen der bisherigen linksnationalistischen Diktatur der Assads und einem muslimischen Gottesstaat. Ansonsten gnade uns Allah.