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Lockdowns, Energiepreis-Explosion, Ukrainekrieg, Dürren, Überschwemmungen und staatliche erzwungene Ökobrachen: Ein ganzes Bündel von Störungen erschüttert den globalen Agrarmarkt
Angesichts der zunehmenden Lücken in den Supermarktregalen und der stetig steigenden Preise für die Nahrungsmittel, so sie überhaupt noch erhältlich sind, schimpfen viele Leute auf Putin und seinen Krieg: Gäbe es die Kämpfe in der Ukraine nicht, dann herrschten auch kein Mangel und keine Teuerung.
Und tatsächlich ergeben sich natürlich Auswirkungen, wenn gleich zwei große Agrarexporteure einen immer mehr eskalierenden bewaffneten Konflikt austragen, nachdem russische Truppen in das Nachbarland einfielen. So lieferten Russland und die Ukraine bislang rund 100 Millionen Tonnen Weizen ins Ausland – das waren immerhin 14 Prozent des weltweiten Handelsvolumens bei dieser wichtigen Getreideart.
Im laufenden Jahr wird die Ukraine aber nun wohl nur noch acht Millionen Tonnen zur Verfügung stellen können, was einerseits an den kriegsbedingten Produktionsausfällen in Höhe von vermutlich bis zu 40 Millionen Tonnen und andererseits an Transportproblemen liegt. Durch die russische Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen muss der Export auf dem Landweg mit seinen zahlreichen Nadelöhren erfolgen. Ebenso dürfte der russische Weizen angesichts der Embargos gegen den Aggressor Moskau nur in eingeschränktem Umfang auf den Markt gelangen. In Erwartung dieser Lieferausfälle stieg der weltweite Weizenpreis bereits im ersten Monat des Ukrainekrieges um mehr als 25 Prozent, wobei viele Experten mit einer weiteren Verteuerung um nochmals 50 Prozent rechnen.
Ein zweiter „Arabischer Frühling“?
Das wird Folgen haben, welche über das, was auf den deutschen Verbraucher zukommt, weit hinausgehen. Einige hundert Millionen Menschen auf der Erde geben bereits jetzt die reichliche Hälfte ihres schmalen Budgets für Nahrungsmittel aus, so beispielsweise in Bangladesch, Ghana, Äthiopien und Afghanistan. Hier ist kein Spielraum für weitere Preiserhöhungen, die nicht zuletzt dadurch entstehen, dass die reicheren Länder bereit sind, mehr für das knapper gewordene Angebot zu zahlen, um die Versorgung ihrer Bevölkerung zu sichern oder gar überdimensionierte Vorratslager anzulegen wie die Volksrepublik China.
Somit drohen blutige Unruhen, welche zur Destabilisierung ganzer Regionen und neuen Wanderungsströmen führen könnten. Immerhin resultierte auch der sogenannte Arabische Frühling, der ab 2011 sieben der neun großen Getreideimporteure im Nahen Osten und Nordafrika ins Chaos stürzte, aus einem Anstieg der Preise für das Grundnahrungsmittel Brot.
Andererseits ist der Ukrainekrieg aber keineswegs die einzige Ursache für die weltweite Nahrungsmittelkrise, die immer schärfere Formen anzunehmen droht. Da wäre auch der desolate Zustand der globalen Lieferketten infolge der Corona-Pandemie (siehe Seite 7). So fehlen Transportkapazitäten, um die Agrarprodukte zu den Konsumenten zu bringen. Außerdem gab es schon vor der russischen Invasion Engpässe auf dem internationalen Getreidemarkt. Diese resultierten aus Dürren beziehungsweise Überschwemmungen.
Beispielsweise sind in Ostafrika bereits drei Regenzeiten mehr oder weniger komplett ausgefallen, weswegen sich das Ackerland dort in Staub verwandelt und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) vor einer gewaltigen Hungerkatastrophe warnt. Dahingegen erlebte der Osten Australiens im November 2021 zu viele Niederschläge, wodurch eine der potentiell besten Weizenernten der vergangenen Jahre der Vernichtung anheimfiel.
Exportstopp kommt noch dazu
Viele weitere Probleme sind hingegen vom Menschen gemacht. Weltweit wird inzwischen mehr als ein Achtel der angebauten Nutzpflanzen für die Herstellung von Bioethanol oder Biodiesel verwendet, wie Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, ermittelt hat. Dabei könnten die jeweiligen Gesetzgeber im Handumdrehen dafür sorgen, dass die Zweckentfremdung von Getreide und Mais aufhört und diese landwirtschaftlichen Produkte wieder komplett der Ernährung der Bevölkerung dienen.
Desgleichen gilt auch der steigende Verzehr von Fleisch als Ursache für die Knappheit pflanzlicher Lebensmittel, weil für die Mast unter anderem Getreideschrot verwendet wird. Allerdings fressen die Tiere zugleich vieles, was der Mensch nicht verwerten kann. Zudem hat Fleisch eine hohe Kaloriendichte und ersetzt dadurch etliche andere Nahrungsmittel.
Ansonsten galt es in der Europäischen Union lange als kluge Entscheidung, Bauern Subventionen zu zahlen, damit diese einen Teil ihrer Äcker brach liegen ließen. Hier ist es mittlerweile zu einem Umdenken gekommen, jedoch verschärft die sukzessive Wiedervergrößerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche nun ein anderes Problem, welches für die bereits vor dem Krieg in der Ukraine ausgebrochene Nahrungsmittelkrise mitverantwortlich ist: Dünger gehört jetzt ebenfalls zu den knappen Gütern. Das wiederum resultiert vor allem aus den schon des Längerem steigenden Energiekosten, die insbesondere bei der Produktion von Ammoniak für nitrathaltige Düngemittel zu Buche schlagen. So drosselte das norwegische Unternehmen Yara, immerhin der zweitgrößte Ammoniak-Hersteller der Welt, im September 2021 seine Kapazitäten um 40 Prozent, um Gas zu sparen.
Bei Phosphat- und Kalidünger gestaltet sich dahingegen der Transport zunehmend schwierig. Infolgedessen liegen die Preise für Dünger aller Art jetzt beim Drei- bis Vierfachen des Niveaus von 2019, wobei der russische Exportstopp vom 10. März den bereits vorhandenen Mangel zusätzlich verschärft hat.