Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Beschäftigt mit sich selbst und ohne Führung droht der „alte Kontinent“ die jüngsten geopolitischen Weichenstellungen zu verschlafen
Unter den neuen globalen Machtkonstellationen geraten Europa und Deutschland unter einen seit dem Kalten Krieg nicht mehr für möglich gehaltenen Druck der internationalen Großmächte. Die Beziehungen zu Russland sind spätestens mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs zerrüttet. Auch das Verhältnis zu China hat sich merklich abgekühlt. Und mit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump verschlechtern sich auch die Beziehungen zum wichtigsten Verbündeten – der westlichen Schutzmacht USA.
Trump möchte Grönland aus Gründen der nationalen Sicherheit zum Territorium der USA erklären und auch den Panamakanal wieder unter US-Hoheit bringen. Auch auf Kanada hat der Präsident ein Auge geworfen. Und zur Lösung des Gaza-Konflikts verkündete er, dass man die dortigen Palästinenser in die Nachbarländer umsiedeln könne. Wollte die vorherige US-Regierung noch gemeinsam mit ihren europäischen und asiatischen Verbündeten eine „Achse des Guten“ gegen all jene errichten, die die Freiheit der Welt bedrohen, steht Trump eher für ein Amerika, dem kurzfristige „Deals“ wichtiger erscheinen als langfristige Interessen. So prangerte Trump in seiner ersten Amtszeit offen die NATO-Verbündeten wegen deren zu niedrigen Verteidigungsausgaben an, während er die Führung des „Schurkenstaats“ Nordkorea zum angesehenen Verhandlungspartner adelte.
Zeitenwenden überall
Mit Trumps zweiter Amtszeit müssen auch die letzten Träumer in Europa und speziell in Berlin, die trotz aller Verwerfungen der jüngeren Vergangenheit noch immer an eine heile „werte- und regelbasierte Weltordnung“ glaubten, einsehen, dass wir uns in einer neuen Lage befinden. Paris ist unter dem zwischen allen inneren Fronten zerriebenen Emmanuel Macron kein verlässlicher Partner mehr. Gleiches gilt für Großbritannien nach dem Brexit und in Zeiten ständiger Regierungswechsel. Ostmitteleuropa ist ideologisch entzweit, und in Italien regiert eine rechtspopulistische Partei.
Wo sind die Erfolge der europäischen Außenpolitik? Die Abkommen mit den Staaten des südlichen Mittelmeers sind gescheitert, ebenfalls die Assoziierung mit Ländern wie Georgien und Aserbaidschan. Bei der Neuausrichtung des Nahen und Mittleren Ostens ist die EU außen vor. Eine EU-Erweiterung um Moldawien und Armenien ist nicht vorstellbar.
Überall häufen sich die Zeitenwenden. Auch innerhalb der europäischen Gesellschaften brodelt es längst: Energiekrise und hohe Verbraucherpreise, exorbitante Staatsverschuldung, unkontrollierte Massenmigration und muslimischer Terror sind nur die Spitze eines unheimlichen Eisbergs, der in fast allen EU-Staaten die politische Mitte geschwächt hat.
Angesichts dieser und weiterer Rahmenbedingungen steht insbesondere Deutschland vor einer Neuausrichtung seiner Außenpolitik. Eine Fortsetzung der Diplomatie des moralisch erhobenen Zeigefingers ist zum Scheitern verurteilt. Da die fundamentalistische Klimaschutzpolitik, auf die Berlin so stolz ist, zu einem beispiellosen ökonomischen Niedergang geführt hat, dürfte sich kaum noch jemand Deutschland zum Vorbild nehmen. Und für die traditionelle Scheckbuchdiplomatie geht Deutschland langfristig die Puste – sprich: das Geld – aus.
Mehr Pragmatismus wagen
Zu einer Neuorientierung der Außenpolitik gehört auch, sich von ideologischen Weltbildern der Medien und einiger Nichtregierungsorganisationen zu befreien und stattdessen einen neuen Pragmatismus zu pflegen. Zu Zeiten eines Hans-Dietrich Genscher etwa, der es stets vermied, andere Länder auf offener Bühne zu belehren, hatte Deutschland ein weitaus höheres Gewicht als heute. Zudem sollten Persönlichkeiten, die tatsächlich in der Welt und nicht in der Berliner Blase zu Hause sind, wieder mehr Gehör finden. Das Auswärtige Amt von heute hat weder einen vertraulichen Kanal ins Trump-Lager noch in den Kreml noch zur chinesischen Führung – und scheint dies nicht einmal für problematisch zu erachten.
Das naheliegendste Ziel einer neuen deutschen Außenpolitik sollte die Beendigung des Konfliktes um die Ukraine sein, damit sich dieser nicht zu einem großen europäischen Krieg ausweitet. Dass der neue US-Präsident umgehend einen Gesprächsfaden zu seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin herstellen konnte, ist in dieser Hinsicht ein gutes Zeichen – dass die Europäer bei einem Konflikt auf ihrem Kontinent nur zuschauen, hingegen nicht. Ein wichtiger Schritt ist auch die Stärkung der eigenen Verteidigungskapazitäten. Dass ein US-Präsident – wie im Falle Grönlands – offen die territoriale Integrität eines NATO-Verbündeten infrage stellt, zieht die Verlässlichkeit der transatlantischen Verteidigungsgemeinschaft in Zweifel.
Eine neue Militarisierung Europas muss aber auch einhergehen mit einer Politik der Entspannung zu allen relevanten Mächten. Einen wichtigen Gedankenanstoß dazu bietet der bevorstehende 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki. Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE; später unbenannt in OSZE) legte das Fundament für die Beendigung des Kalten Krieges zwischen Ost und West sowie für die anschließende Demokratisierung in Ostmitteleuropa. Und sie führte zu vertrauensbildenden Maßnahmen, die die Gefahr eines heißen Krieges für viele Jahre ausschlossen.
Auch wenn der alte Helsinki-Prozess tot und die OSZE kein Pfeiler der europäischen Sicherheitsordnung mehr ist, gehört ein „Helsinki 2.0“ in den diplomatischen Instrumentenkasten der Europäer zurück. Die Alternative wäre ein „Jalta 2.0“, ein Gipfeltreffen zwischen Trump, Putin und dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping, auf dem diese eine neue Weltordnung nach ihren Vorstellungen errichten würden – und Europa wie 1945 zum Zaungast degradiert würde.