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Auf vielen Kontinenten zu Hause. Das aufregende Leben des Johann Friedrich Löffler nacherzählt
Im 19. Jahrhundert waren autobiografische Werke von einfachen Menschen aus dem Volk, die Außerordentliches erlebt oder zuwege gebracht hatten, äußerst beliebt. Teilweise wurden sie noch im 20. Jahrhundert mehrfach neu aufgelegt. So auch die 1836 erschienene, von dem Breslauer Historiker Gustav Rieck als Erzählung abgefasste Lebensbeschreibung eines Schlesiers namens Johann Friedrich Löffler (von 1768 bis nach 1838), der während der sogenannten „Franzosenzeit“ 31 Jahre als Söldner in österreichischen, holländischen und englischen Diensten schicksalhaft in der Welt umhergetrieben wurde.
Der ersten Ausgabe des mit einem Portrait Löfflers und zeitgenössischen Kupferstichen ausgestatteten Buches mit dem Titel „Der alte Sergeant. Leben des Schlesiers Johann Friedrich. Ein Beitrag zur Geschichte der Zeitgenossen“ folgten weitere, teilweise stark gekürzte Bearbeitungen unter den Titeln „Auf Söldnerfahrt durch drei Erdteile“ und zuletzt 1971 „Der alte Sergeant: J. F. Löffler, Abenteuer in drei Erdteilen“ in der Reihe „Abenteuerliche Lebensläufe“.
Aus ärmlichen Verhältnissen
Löffler war in ärmlichsten Verhältnissen in Schweidnitz aufgewachsen, hatte in der Schule kaum lesen und schreiben gelernt. Während seiner fünfjährigen Lehrzeit bei einem Tuchmacher verließ sein Vater Frau und fünf Kinder ohne Abschied. Nach seiner Freisprechung durch den Meister zog es 1785 auch den 17-jährigen Handwerksgesellen Löffler fort von daheim, „um in der weiten Welt das Glück zu suchen“. Umsonst warnte ihn seine Mutter: „Geh mit Gott, bald wirst du anderen Menschen gehorchen oder dem Kalbfell folgen müssen.“ Was bedeutete: als Soldat hinter der Trommel zu gehen. Und genauso kam es auch. Auf seiner Wanderschaft durch Schlesien, Polen, Wien und Ungarn erkrankte er in Budapest schwer.
Zurück in Wien, war er Monate später noch zu schwach, um wieder zu arbeiten, und völlig mittellos. Da sprach ihn ein Soldatenwerber auf der Straße an, lud ihn in einer Herberge zum Essen und Trinken ein und drängte ihn, Soldat zu werden. Allzu verlockend war für den abgemagerten jungen Mann das Angebot von 45 Gulden Handgeld und extra guter Kost bei den Soldaten. Mit seiner Einwilligung, dem Kaiser Joseph im Regiment Deutschmeister für sechs Jahre zu dienen, begann sein hartes und gefährliches Söldnerleben.
In Österreich, Holland, Frankreich und England warben die Herrscher für ihre Regimenter gerne Ausländer. Die eigene Bevölkerung wollte man schonen, da diese zum Arbeiten und Steuerzahlen gebraucht wurde. Schon im März 1788 musste Löffler mit seinem Regiment in den Krieg gegen die Türken ziehen, wurde verwundet und erneut eingesetzt. Anschließend etablierte er sich in Wien im Garnisonsdienst als Unteroffizier und Rekrutenausbilder.
Gerade als er heiraten wollte, brach 1793 der Krieg gegen das revolutionäre Frankreich aus. Widerwillig marschierte er mit dem Heer in die österreichischen Niederlande. In Frankreich überlebte er schlimmste Notlagen, Seuchen, Spießrutenlaufen und schließlich ein Jahr in französischer Gefangenschaft, bis man ihm nach dem Friedensschluss zwischen Preußen und Frankreich 1795 seinen „Laufpass“ gab. Auf dem Heimweg nach Schlesien aber fiel er während eines Abstechers nach Rotterdam erneut in die Hände eines „Seelenverkäufers“. Nun wurde Löffler ein Söldner der Meere.
Als Söldner in fremden Diensten
In holländischen Diensten fuhr er auf einem Kriegsschiff nach Grönland, um die Walfänger zu bewachen. Anschließend wurde er mit einer großen Truppe ans Kap der Guten Hoffnung verschifft, wo die Garnison gegen die englischen Angriffe verstärkt wurde. Jedoch ergaben sich die Holländer den Engländern kampflos. Löffler blieb keine andere Wahl, als einen Eid auf den englischen König Georg III. zu leisten. Im August 1798 steckte er im Zwischendeck eines Linienschiffs, als die Engländer unter Nelsons Kommando die französische Flotte vor der ägyptischen Küste bei Abukir angriffen und besiegten. Anschließend lebte er jahrelang ruhig in Kingston auf Jamaika. Seine Einheit war zur Sicherung der Kolonien abgestellt, und wie viele seiner Kameraden gründete er eine Familie. Dessen ungeachtet wurden sie 1809 nach Südafrika abkommandiert.
Ein weiteres Ereignis der Weltgeschichte, dem er als Augenzeuge beiwohnte, war die Abschiebung des im Juni 1815 endgültig besiegten Napoleon Bonaparte auf die Insel St. Helena: Löffler befand sich auf einem der englischen Geleitschiffe, die Mitte Oktober diese einsame Insel im Atlantik erreichten.
Noch einige Jahre blieb er im Dienst der Engländer. In Hannover erhielt er 1818 sein Entlassungsdokument und eine Abfindung von 208 Talern. Nach Begleichung seiner Schulden machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Schlesien, kam in Schweidnitz 1821 aber mit leeren Händen an, da ihm sein restliches Geld nachts in einer Herberge gestohlen worden war.
Der Respekt, den man ihm, dem weit herum gekommenen Söldner der „Franzosenzeit“, in seiner Heimatstadt zollte, half ihm nicht im Hinblick auf seine existenziellen Nöte. Der vielfach verwundete und vorzeitig gealterte Mann war gesundheitlich angeschlagen und auf private Wohltäter angewiesen. Per Zeitungsanzeige suchte er nach Englischschülern. Auf diese Weise kam es zum Kontakt mit dem späteren Herausgeber seiner Memoiren. Dieser übernahm es, die in Bruchstücken mitgeteilte, außergewöhnliche Lebensgeschichte des „würdigen Alten“ mit historischen Tatsachen zu untermauern und in lebendiger Form nachzuerzählen. 1836 erhielt der 68jährige Veteran durch die Fürsprache seines Förderers endlich auch eine kleine Rente.
Chris Benthe am 10.09.20, 19:44 Uhr
Das ist es, warum ich die Preußische Allgemeine so liebe.
Ein Stück bewahrten bürgerlichen Kulturschatzes, auf das man hier immer wieder stößt, mit geradezu verblüffenden, überraschenden und wissensbereichernden Feuilletons, die das Herz erwärmen. Bravo !