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In ihrem Erschrecken über die Stärke der AfD verdrängt die Union, dass die Konkurrenz ihr Hoch vor allem der Schwäche der Christdemokraten verdankt
Seit vor zwei Monaten erste Meldungen umgingen, wonach die AfD in Umfragen mit 18 Prozent gleichauf steht mit der Kanzlerpartei SPD, gebärdet sich der Politikbetrieb noch hysterischer als üblich. In der Zwischenzeit haben die Schmuddelkinder des Politikbetriebs die Sozialdemokraten bundesweit hinter sich gelassen und liegen laut aktueller INSA-Umfrage mit 22 Prozent als zweitstärkste politische Kraft nur noch vier Punkte hinter der Union.
Kein Wunder also, dass die AfD auf ihrem Bundesparteitag vor Stolz strotzte und für die Bundestagswahl 2025 einen eigenen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken will. An der Alternative für Deutschland, so das Signal, soll künftig niemand mehr vorbei können. Am allerwenigsten die Christdemokraten. Genau dies hat AfD-Co-Chefin Alice Weidel am Rande des Parteitags im ZDF-„heute journal“ verkündet: „Unser Programm hat natürlich große Schnittmengen mit einer CDU vor drei Jahrzehnten. Und ich glaube, da lässt sich ein gutes Paket daraus schnüren.“
Rein rechnerisch würden Union und AfD gemeinsam auf die 50 Prozent zumarschieren, käme noch die FDP dazu, wäre eine absolute Mehrheit gewiss – und die rot-grün dominierte Ampelregierung Geschichte.
Doch derlei schwüle Sommerträume einer bürgerlichen Mehrheit, die sich in der Bevölkerung deutlicher abbildet als im gegenwärtigen Parteienspektrum, werden sich schwerlich realisieren lassen.
Wobei die Freien Demokraten noch am wenigsten zimperlich sein dürften: So geschmeidig sich die Liberalen in die Mitte- Links-Koordinaten von SPD und Grüne eingepasst haben, so elastisch dürften sie sich auch bei einer Gestaltung rechts der Mitte erweisen, sofern nur eine Regierungsbeteiligung winkt. Christian Lindners Diktum von 2017, „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, dürfte in der Ampel widerlegt worden sein.
Die AfD gibt derzeit ein rechtsschillerndes Spiegelbild der Grünen nach ihrer Gründung 1980 ab. Ein Sammelbecken politischer Rabauken, die gemäßigte Realos in der Partei übertönen. Hatten die Grünen zu Beginn lange Zeit damit zu ringen, ihr Verhältnis zu Gewalt und staatlichen Institutionen zu disziplinieren, so treten sie vierzig Jahre später umso eifriger als staatstragende Grundgesetzpartei schlechthin auf, die jedermann darüber belehrt, wie Demokratie geht.
Ähnliche Häutungen dürften auch bei den heute rechts oszillierenden Fundamentaloppositionellen zu erwarten sein. So wie einst den Grünen gebetsmühlenartig nachgesagt wurde, sie würden sich nicht verlässlich auf dem Boden der freiheitlich- demokratischen Grundordnung bewegen, so arbeitet sich heute der Verfassungsschutz an den „Umfrage-Meistern vom ganz rechten Rand“ („Bild“) ab.
Behörden-Chef Thomas Haldenwang attestierte den AfD-Bewerbern für die Europawahl 2024 „rechtsextremistische Verschwörungstheorien“, konnte als Beispiele aber nur einwanderungskritische Aussagen anführen wie einen „menschengemachten Bevölkerungswandel“ oder eine „zwangsweise Zuweisung von Migranten“. Warum solche zugespitzten, offenkundigen Tatsachenfeststellungen verfassungsfeindlich seien, ließ er offen.
Dass Haldenwang mit solchen Verlautbarungen die Zustimmung für die AfD in der Bevölkerung nur weiter emportreibt, scheint dem Juristen mit Unions-Parteibuch nicht aufzugehen. Auch sein Parteivorsitzender Friedrich Merz gibt sich erstaunlich gefeit davor, das Offensichtliche wahrzunehmen und danach zu handeln. Ein wachsender Anteil der Bevölkerung ist es überdrüssig, dass das Land erst unter Kanzlerin Merkel, jetzt unter der Ampel zum Migranten-Hotspot umgebaut wird, während zugleich ein gesellschaftliches Sprechverbot über die Begleiterscheinungen dieser kulturellen Umstrukturierungen verhängt wird.
Kein Gegenpol zur linken Wokeness
Dazu die woke-ideologischen Angriffe auf unsere vertraute Lebenswelt, wechselnde Opfergruppen wetteifern tagtäglich um die moralischen Wasserstandsmeldungen.
Jede Wirklichkeitsbeschreibung, wie etwa Merz' Bemerkung über „kleine Paschas“ ruft verlässlich Empörungen der üblichen Verdächtigen auf den Plan. Wäre die Union nicht noch immer in der Zange von Merkel-Aposteln, wäre es für sie ein Leichtes, sich wieder auf ihre Kernaufgabe einer ernstzunehmenden liberal-konservativen Kraft in Deutschland zu besinnen.
Heteronormative Lebenswelten, christliche Grundhaltungen, biederer Familiensinn, bildungsbürgerlicher Traditionalismus und Heimatverbundenheit hätten wieder eine parteipolitische Adresse und müssten nicht bei Wirrköpfen am rechten Rand Unterschlupf suchen. Wokeness links der Mitte konnte in den letzten Jahren deshalb so bizarr eskalieren, weil ihr kein Gegenpol Paroli bot. Dies wäre eine genuine Aufgabe der Union gewesen.
Insofern ist auch Merz' Begriff einer Brandmauer irreführend. Unter Merkel wurde eine Brandmauer der Politischen Korrektheit mitten durch die Partei gezogen.
Jenseits der Korrektheit flohen die konservativen Fundis zur AfD oder sie verharrten innerhalb der Union in innerer Emigration. Der Rest diesseits der Korrektheit lässt CDU wie CSU heute kaum noch von der SPD unterscheidbar sein – und beide Volksparteien lassen sich von den Grünen die politische Agenda diktieren.
Wer sich indes der Politischen Korrektheit beherzt entgegenstellt, muss den Anspruch aufgeben, zu jeder Zeit als moralischer Primus dazustehen. Eine wertegeleitete Politik ist zum Scheitern verurteilt, weil sich Grundwerte nicht flexibel jeweiligen Erfordernissen anpassen. Ein kluger Staatsmann betreibt Interessenspolitik und macht sich auch die Hände schmutzig.
„Das Gute ist nämlich der Traum des Bösen“, schreibt der Philosoph Norbert Bolz. Ohne das Böse verwahrlost das Gute.
Dies erleben wir gegenwärtig. Eine Renaissance des politischen Konservatismus im Gefäß der Christdemokratie wäre auch die Rückkehr zu einer lebbaren Normalität.
Im Moment fühlt sich Normalität in Deutschland an wie eine Utopie.