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Gesellschaft

Die Folgen des Heimatverlusts

Wolfgang Thüne erklärt in seinem Buch „Heimat“ deren Bedeutung als soziokulturellen Lebensraum und als Ort der Verwurzelung

Wolfgang Kaufmann
13.07.2024

Heimat ist ein ebenso schillernder wie umstrittener Begriff. Aus der Sicht etlicher Linker steht das Wort für „antidemokratische und völkische Tendenzen“. Angesichts der fortschreitenden dramatischen Verschiebung des wissenschaftlichen Diskurses nach Links schrecken Soziologen oftmals vor einer Beschäftigung mit dem Phänomen Heimat zurück. Das gilt jedoch nicht für den PAZ-Autor Wolfgang Thüne, der seine ostpreußische Heimat im frühesten Kindesalter verlassen musste und anschließend im Westen Deutschlands sesshaft wurde. Für Thüne stellt Heimat etwas Hochbedeutsames dar, das einerseits starke Emotionen weckt, andererseits aber auch in objektiven Kategorien erfasst werden kann und muss. Dies zeigt er in dem Buch „Heimat. Identität und Territorialität“, das die Frucht eines Zweitstudiums darstellt, welches Thüne parallel zu seiner Tätigkeit als Meteorologe absolvierte.

Wie bei der Biographie des Autors nicht anders zu erwarten, geht es in dem Werk um die essentielle Wichtigkeit der Heimat für jeden Menschen sowie die Folgen des Heimatverlustes, wobei dieser nicht nur als räumliche Trennung von der Heimat, sondern auch als freiwillige oder durch die moderne Gesellschaft erzwungene geistige Loslösung von den eigenen Ursprüngen daherkommen kann. Thüne operiert also mit einem multipolaren Heimatbegriff: Zum einen ist Heimat bei ihm eine geographische Kategorie. Das heißt, er geht davon aus, dass der soziokulturelle Lebensraum Heimat einer konkreten physischen Umwelt entspringt, die Vertrautheit schafft. Zum anderen speist sich das Heimatgefühl laut Thüne aber noch aus vielen weiteren Quellen. Das erlaube die Verwurzelung in einer neuen geistigen beziehungsweise realen Heimat. Nur so sei es den Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten letztlich möglich gewesen, ein gelungenes Leben außerhalb ihrer jeweiligen Herkunftsregionen zu führen.

Allerdings – auch das führt Thüne aus – können die Menschen mittlerweile selbst beim physischen Verbleib am Geburtsort ihre Heimat und ihr Heimatgefühl verlieren. Das gilt ganz besonders für Großstädte mit ihrem immer mehr ausufernden Wertepluralismus, der vor allem eines erzeugt: soziale Desintegration. Wenn diese Entwicklung auf das ganze Land überschwappt, droht allen Menschen in der Bundesrepublik künftig die Heimatlosigkeit: Den hier Geborenen wegen der negativen Veränderungen in ihrem Umfeld und den Zugewanderten wegen ihres Unwillens oder der objektiven Unmöglichkeit, tatsächlich in Deutschland anzukommen.

Wolfgang Thüne: „Heimat. Identität und Territorialität“, Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2023, broschiert, 555 Seiten, 29,80 Euro


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