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Finanzen

Die Haushaltskrise erreicht die deutsche Außenpolitik

Nach dem Karlsruher Urteil ist die Finanzierung zentraler Projekte ungewiss. Ein guter Anlass, diese zu überdenken und gegebenenfalls umzusteuern

René Nehring
07.12.2023

Als Annalena Baerbock vor gut zwei Jahren Chefin des Auswärtigen Amtes wurde, verkündete sie nichts Geringeres als eine vollständige Neujustierung deutscher Außenpolitik. Statt an den klassischen Interessen eines Nationalstaates ausgerichtet sollte diese von nun an „wertegeleitet“ sein und allgemeinpolitischen Zielen wie dem Feminismus oder dem „Kampf gegen den Klimawandel“ dienen.

Doch schnell wurden Baerbock und die neue deutsche Außenpolitik auf den Boden der Tatsachen geholt. Mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs am 24. Februar 2022 sah sich die Bundesregierung mit deutlich dringlicheren Herausforderungen konfrontiert. In seiner „Zeitenwende“-Rede verkündete Kanzler Olaf Scholz, dass Deutschland mit den NATO-Partnern die Ukraine unterstützen und auch die eigenen Streitkräfte sanieren werde. Und infolge des mit Russland geführten Wirtschaftskrieges sowie des selbst beschlossenen Ausstiegs aus der Kernkraft galt es zudem, auch die Energieversorgung in kürzester Zeit auf neue Füße stellen.

Doch wie bei den innenpolitischen Projekten der Ampelregierung taten SPD, Grüne und FDP auch in der Außenpolitik zunächst so, als ob Geld bei alldem keine Rolle spielte. So stieg Deutschland schnell zum zweitgrößten Waffenlieferanten der Ukraine auf. Und erst unlängst, am 12. November, verkündete der Kanzler, die bisherigen Militärhilfen auf jährlich acht Milliarden Euro verdoppeln zu wollen.

Auch an der Klimafront gab sich die Ampel großzügig. So berichtete das Entwicklungsministerium von Svenja Schulze (SPD) im August stolz, dass Deutschland im vergangenen Jahr „6,3 Milliarden Euro an Klima-Hilfsgeldern für den Globalen Süden gezahlt“ habe, um dort Maßnahmen zur „Anpassung an die Folgen der Klimakrise“ zu ermöglichen. Das alles, wohlgemerkt, bevor das Bundesverfassungsgericht am 15. November dieses Jahres das Regierungsmanöver stoppte, nicht verbrauchte Corona-Hilfsgelder für andere Projekte zu verwenden.

Damit freilich ist nun nicht nur die deutsche Innen- und Finanzpolitik vor große Herausforderungen gestellt, sondern auch die Außenpolitik. Vor allem in Washington ist man besorgt. So berichtet das Nachrichtenportal von „t-online“ unter Berufung auf Kreise aus der Bundesregierung und dem Bundestag, dass sich seit dem Karlsruher Urteil US-Politiker nervös nach dem deutschen „budget ruling“ erkundigen würden. Auch führende Medien des Landes wie die „New York Times“ und die „Washington Post“ äußerten in Analysen Sorgen über die künftige Zuverlässigkeit deutscher Außenpolitik, vor allem beim Hauptkrisenthema Ukraine. Die „Post“ etwa nannte Deutschlands gegenwärtige „Talfahrt ein Alarmsignal“. Und weiter: „Ohne eine solide deutsche Führung, idealerweise in Zusammenarbeit mit den Franzosen, ist Europa ein wackeliges Konstrukt. Wenn dann noch Washingtons Ablenkung und Dysfunktion hinzukommen, verdüstern sich die Aussichten für die Ukraine.“

Was die US-Kollegen mit Letzterem meinen, ist die in deutschen Medien zuletzt wenig beachtete Haushaltskrise in Washington. Diese wurde zwar Anfang Oktober durch die Einigung auf einen Übergangsetat für 2024 entschärft, doch sieht dieser Nothaushalt ab Jahresbeginn keine neuen Gelder für weitere US-Militärhilfen an die Ukraine vor. Bleibt es dabei, wird Deutschland in Kürze vom zweitwichtigsten zum wichtigsten finanziellen Unterstützer der Ukraine aufsteigen.

Für die Ukraine ist dies allerdings kein Aufstieg. Denn selbst wenn die Bundesregierung die noch vor dem Karlsruher Urteil versprochene Erhöhung ihrer Unterstützung tatsächlich umsetzen sollte, wäre dies nur ein Bruchteil der bisherigen Höhe der US-Militärhilfen, die laut Medienberichten seit Jahresanfang 2022 rund 41,1 Milliarden Euro umfassten.

Eine Chance zum Umdenken
Und so mahnt – neben der Lage an der Front – nun auch der Blick in die Kriegskassen zu einer realistischeren Außenpolitik im Allgemeinen und Ukrainepolitik im Besonderen. Wenn schon die bisherigen, deutlich umfangreicheren Militärhilfen die Ukraine nicht in die Lage versetzt haben, Russland aus dem Land zu drängen, dürfte dies künftig erst recht nicht möglich sein. Insofern sollte die deutsche Außenpolitik als künftiger Hauptfinanzier des ukrainischen Abwehrkampfes ihren Kurs überdenken. Was bedeutet, nicht nur allein auf einen militärischen Sieg gegen Russland zu setzen, der Woche für Woche weniger realistisch erscheint, sondern auch auf eine politische Verhandlungslösung. Dass eine solche durchaus möglich ist, haben Analysen in dieser Zeitung, die dargelegt haben, dass auch Russland bislang seine Kriegsziele nicht erreichen konnte, wiederholt gezeigt.

Ähnlich sieht es beim Thema Klima aus. Trotz des Karlsruher Urteils erklärte der Bundeskanzler soeben auf der UN-Klimakonferenz von Dubai, acht Milliarden Euro für den internationalen „Kampf gegen den Klimawandel“ bereitzustellen. Auch hier setzt sich eine Verweigerungshaltung gegenüber neuen Realitäten fort, zu denen jüngste Entwicklungen auf dem Gebiet der Atomkraft gehören. Während Wirtschaftsminister Habeck in einem Bundestagsausschuss leise zugab, dass Deutschland wahrscheinlich noch lange Zeit auf dreckigen Kohlestrom angewiesen sein wird, verkündeten 20 Staaten in Dubai, die Zahl ihrer Atomkraftwerke in den nächsten Jahren verdreifachen zu wollen. Die Strompreise in Finnland (wo die Kilowattstunde Strom im Mai nach Inbetriebnahme eines neuen Akw auf 0,3 Cent sank) und Deutschland (wo die Kilowattstunde trotz großer Subventionen für die Erneuerbaren Energien rund 28 Cent kostet) zeigen, welches Modell das erfolgreichere sein dürfte.

So spricht manches dafür, dass die Bundesregierung auf grundlegenden Feldern der internationalen Politik schon bald einen Kursschwenk vornehmen muss. Zu hoffen bleibt, dass sich bis dahin die Schäden im Rahmen halten.


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Kommentare

Gregor Scharf am 06.12.23, 14:05 Uhr

Vernunftbegabte Wesen tummeln sich erfahrungsgemäß weder in Parlamenten noch in einer Vielzahl von Amtsstuben.
Der erhoffte Kursschwenk kommt einem Offenbarungseid der Unfähigkeit gleich. Und der Streit ums Geld charakterisiert die Tugendhaftigkeit des Westens. Pfui Deibel!

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