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Der Abhörskandal um vier deutsche Generäle ist größer als der Gesichtsverlust gegenüber den Russen und unseren westlichen Verbündeten
Diese Affäre ist nicht nur peinlich – sie birgt im Umfeld des Ukrainekriegs Zündstoff für eine fatale Eskalation. Nur wenige Tage, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz den Einsatz westlicher Truppen gegen Russland ausgeschlossen hatte (siehe PAZ 9/2024), enthüllte der russische Sender „RT“ den Mitschnitt einer Videokonferenz deutscher Luftwaffengeneräle, darunter der Chef der Luftwaffe, Inspekteur Ingo Gerhartz, in dem diese sich in lockerem Ton unter anderem über die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Lieferung des Marschflugkörpers „Taurus“ an die Ukraine sowie dessen mögliche Wirkung auf russische Ziele wie die Brücke von Kertsch unterhielten.
Während der Kanzler, dessen Worte hier von seinen eigenen Soldaten in aller Öffentlichkeit widerlegt wurden, umgehend von „einer sehr ernsten Angelegenheit“ sprach und auch sein Verteidigungsminister Boris Pistorius ähnliche Worte wählte, nannten Politiker der Opposition Scholz ein „Sicherheitsrisiko“ und brachten umgehend einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Spiel.
Obwohl längst klar ist, dass es sich bei dem mitgeschnittenen Gespräch nicht um eine konkrete Planung handelt, sondern um die Erörterung von Einsatzszenarien, ist diese Affäre mehrfach brisant. So interpretierten die Russen das Telefonat umgehend als Beleg dafür, dass Deutschland mit seinen Verbündeten entgegen allen Versicherungen längst ein aktives Eingreifen in den Ukrainekrieg vorbereite. Ob sie dies selbst glauben, kann indes bezweifelt werden. Denn sollten die Russen tatsächlich der Meinung sein, eine Angriffsvorbereitung enttarnt zu haben, würden sie ihrem Gegner wohl kaum zu erkennen geben, dass sie von seinen Plänen wissen. Hinzu kommt, dass die Generäle in ihrem Gespräch zu dem Ergebnis kommen, dass Deutschland das „Taurus“-System nicht liefern kann, ohne sich aktiv an Kampfhandlungen gegen Russland zu beteiligen – womit sie im Grunde doch die Position des Kanzlers bekräftigen.
Mehr als heikel ist die Affäre auch mit Blick auf die Verbündeten Frankreich und Großbritannien. Diese zeigten sich irritiert bis erbost darüber, dass nun zum wiederholten Male – nach Andeutungen des Kanzlers in der Vorwoche in einem Pressetermin, wie Engländer und Franzosen die Ukrainer beim Einsatz der Marschflugkörper „Storm Shadow“ und „SCALP“ unterstützen – durch deutsche Verantwortungsträger in die Öffentlichkeit getragen wurde, dass ihre Militärhilfen für die Ukraine über die bloße Lieferung von Waffen hinausgehen. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Erfahrung keinen Einfluss auf ihre Bereitschaft haben wird, künftig vertrauliche Informationen mit ihrem deutschen Verbündeten zu teilen.
Das eigentliche deutsche Problem
Die Leichtigkeit, mit der geheime Informationen in die Öffentlichkeit gelangen, ist auch für Deutschland ein Problem. Inzwischen bestätigte Verteidigungsminister Pistorius, dass die Russen die deutschen Generäle deshalb abhören konnten, weil einer von ihnen von Singapur aus über eine „offene Verbindung“ an dem Gespräch teilgenommen hatte. Doch warum spielen Spitzen der Luftwaffe überhaupt ein Szenario durch, dass die politische Führung ausgeschlossen hat? Und warum tun sie das über ein Kommunikationssystem, das schon in deutlich weniger sensiblen Bereichen als nicht sicher gilt?
Und so wirft die in Medien „Taurus-Gate“ genannte Affäre wie so viele Krisen der letzten Jahre – etwa der NSA-Abhörskandal oder die lange Ignoranz gegenüber der Massenmigration nach Europa oder die Behandlung des Nord-Stream-Projekts als rein wirtschaftliche Angelegenheit, ohne die geopolitischen Folgen zu bedenken – wieder einmal die Frage auf, ob zumindest Teilen der deutschen Eliten noch immer nicht bewusst ist, welche gewachsene Bedeutung ihr Land seit der Vereinigung von 1990 in der Welt hat. Dabei erinnern kluge Köpfe wie der Politologe Herfried Münkler seit Jahren daran, dass die Bundesrepublik von heute – ob sie will oder nicht – als Zentralmacht in der Mitte Europas dazu bestimmt ist, diesen Kontinent zusammenzuhalten.
Obwohl kein geringerer als der Kanzler beim Ausbruch des Ukrainekriegs eine „Zeitenwende“ ausrief, sucht man bis heute vergebens nach einer Debattenkultur, in der die Herausforderungen an unser Land umfassend diskutiert werden. Dabei verlangt allein der von Münkler und manchem Historiker schon vor über zehn Jahren, im Vorfeld des 100. Jahrestages des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, gegebene Hinweis, dass sich die Bundesrepublik von heute in einer ähnlichen geopolitischen Lage befindet wie das Kaiserreich vor 1914, bereits nach einem breiten Bewusstseinswandel.
Doch woher soll dieser Wandel kommen? Dass es an deutschen Hochschulen 173 Lehrstühle für Genderforschung gibt, während lediglich 61 Hochschulen einen Studiengang im Fach Internationale Beziehungen anbieten, zeigt, wo hierzulande die Schwerpunkte liegen. Und während sich die USA, Großbritannien und Russland zahllose Thinktanks leisten, die regelmäßig sicherheitspolitische Aspekte in die allgemeinen Debatten tragen, stehen deutsche Denkfabriken wie die Stiftung Wissenschaft und Politik oder die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik allenfalls am Rande der Debattenlandschaft. Dass zudem Spitzenpositionen zuständiger Behörden wie des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes mit Beamten besetzt werden, die keine einschlägige Berufserfahrung haben, passt da nur zu gut ins Bild.
Und so wird deutlich, dass Deutschlands Problem ungleich größer ist als eine fragwürdige Videokonferenz einiger tratschender Generäle. Und dass die vom Kanzler diagnostizierte Zeitenwende weit mehr verlangt als die Verbesserung der Ausstattung der Bundeswehr. Noch vor der materiellen Aufrüstung braucht Deutschland ein Bewusstsein für seine gewachsene Verantwortung in der Welt – und für die konzeptionellen Grundlagen, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Michael Holz am 06.03.24, 15:50 Uhr
"Noch vor der materiellen Aufrüstung braucht Deutschland ein Bewusstsein für seine gewachsene Verantwortung in der Welt – und für die konzeptionellen Grundlagen, dieser Verantwortung gerecht zu werden."
Herr Nehring, wer soll Träger dieses Bewusstseins werden? Die durch die 68er geformten Entscheidungsträge an den Futterkrippen der Macht? Die durch die ÖRR "gebildete" Jugend? Das wird nichts! Leider muss der Weg Deutschlands wieder durch Blut und Tränen führen, jedoch steht zu befürchten dass Deutschland, das Karthago der Neuzeit, nach einen Dritten Weltkrieg noch bestehen wird.
Gregor Scharf am 06.03.24, 14:12 Uhr
Hier wird dem heutigen Deutschland eine Rolle zugeschrieben, die unsere Alliierten seit einem Jahrhundert verhindert haben. Und jetzt, wo diese schiesswütigen, unreifen Halbstarken auf beiden Seiten wiederholt den weltpolitischen Karren mit Vorsatz und Anlauf vor die Wand gefahren haben, quiekt man nach der Schutzmacht des Heiligen römischen Reiches. Mit dem Personal der Lebens- und Wehrunfähigen ist das nicht mehr zu machen, weil es nicht einer 35-Stundenwoche mit endlosem Freizeitvergnügen entspricht.