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Katholische Kirche

Die Partei und der Papst haben immer recht

Am 18. Juli 1870 erklärte das Erste Vatikanische Konzil die Unfehlbarkeit des Papstes zum Dogma. Auch 150 Jahre danach ist die Kritik an diesem Dekret nicht verstummt

Klaus J. Groth
26.06.2020

Bei der Bischofssynode im vergangenen Oktober in Rom stand Amazonien ganz oben auf der Agenda. Es ging nicht nur um die Folgen des Klimawandels und der Abholzung des Regenwalds für die Ureinwohner, es ging auch um das Zölibat. Am Amazonas herrscht eklatanter Priestermangel. Absolventen der Päpstlichen Katholischen Universitäten wie etwa in Lima (Peru) und Quito (Ecuador) bilden zwar Indigene aus, die geeignet und bereit wären für dieses Amt, sich aber ein Leben ohne Frau und Kinder in den isolierten Orten am Rio Negro und Madre de Dios nicht vorstellen können.

Die Bischöfe sorgen sich nicht nur um das Seelenheil ihrer Schäflein, sie fürchten auch die Konkurrenz. Die katholische Kirche verliert in Amazonien immer mehr Gemeindemitglieder an die Evangelikalen und Sekten. Ob die von Papst Franziskus empfohlenen Gebete für sein „Querida Amazonia“ (geliebtes Amazonien) helfen können, wird bezweifelt. Der Papst ist nicht oder noch nicht bereit, dem Rat liberaler Kleriker zu folgen und das Zölibat in dieser Region zu lockern. Päpste haben seit dem Ersten Vatikanischen Konzil in allen Glaubens- und Moralfragen das letzte Wort, und sie können nicht irren.

Schon bei Galileo irrte sich ein Papst

1868 lud Papst Pius IX. zum Ersten Vatikanischen Konzil nach Rom. Rund 800 Bischöfe und Kloster-Äbte versammelten sich im rechten Kreuzarm des Petersdoms. Auf der Tagesordnung standen Diskurse über Rationalismus, Fideismus (Vorrang des Glaubens vor der Vernunft) und Inspiration des Geschriebenen.

Von den 93 Sitzungen in zwei Jahren nahm Pius IX. nur an vieren teil. Aber er zog im Hintergrund die Fäden. Zur Überraschung der meisten Teilnehmer stand plötzlich ein weiteres Thema zum Disput: Die Unfehlbarkeit der Päpste sollte zum Dogma erhoben werden. Wer es lanciert hatte, war klar. Pius plante schon seit Langem, seine Position zu stärken und Widersacher zum Schweigen zu bringen.

Vor allem das deutsche und österreichische Episkopat sowie ein Teil des französischen Bischofskollegiums stellten sich gegen den Papst. Als es schließlich zur Abstimmung kam, verließen 60 Bischöfe und Äbte aus Protest den Petersdom. Das Dekret „Pastor Aeternus“ wurde mit zwei Gegenstimmen angenommen. Darin heißt es: „Wenn der Römische Papst endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes jene Unfehlbarkeit, mit der der Erlöser seine Kirche in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte.“

Das Konzil begründete seinen Entschluss damit, dass der Papst als Nachfolger des Heiligen Petrus den besonderen göttlichen Beistand besitzt. Pius hatte zwar gewonnen, musste aber eine schmerzhafte Niederlage einstecken. Es kam zu einem Schisma. Seine Gegner kündigten ihm den Gehorsam auf und gründeten die Kirche der Altkatholiken, die heute vor allem in der Schweiz und in osteuropäischen Ländern Anhänger hat.

Der Mann, der sich und seine Nachfolger für unfehlbar erklärte, wurde 1792 als Giovanni Maria Mastai-Ferretti geboren. Er entstammte einer italienischen Adelsfamilie. 1846 wurde er im vierten Wahlgang zum Papst gewählt, allerdings nur mit den Stimmen der italienischen Kardinäle. Die anderen waren aufgrund der längeren Anmarschwege noch gar nicht eingetroffen.

Pius IX. galt zunächst als Reformer, wandelte sich aber immer mehr zum erzkonservativen Autokraten auf dem Stuhl Petri. 1854 verkündigte er die unbefleckte Empfängnis Mariens. Im Jahr 2000 wurde er von Johannes Paul II. seliggesprochen. Die Entscheidung stieß bei vielen Katholiken auf Empörung.

Können Päpste nicht irren? Die Kirchengeschichte beweist das Gegenteil. Der spektakulärste Fall ist die Auseinandersetzung Urbans III. mit Galileo Galilei. Die römisch-katholische Kirche hatte sich noch nicht vom Schock der Reformation erholt, da wurde sie durch Galileis Erkenntnisse erneut in ihren Grundfesten erschüttert. Der italienische Astronom stellte das geozentrische Weltbild, wonach sich die Sonne um die Erde dreht, auf den Kopf und widersprach damit der Lehre des Vatikans.

Der Papst forderte Galilei auf, seine ketzerische Behauptung zu widerrufen. Der Gelehrte entging dem Tod als Häretiker auf dem Scheiterhaufen, indem er tat, was die Kirche von ihm verlangte. Der Vatikan entschloss sich erst 100 Jahre nach Galileos Tod, die physikalische Realität und damit das heliozentrische Weltbild anzuerkennen. Erst 1992 wurde Galileo offiziell rehabilitiert.

Diskussionen bis in die 1970er

Die katholische Kirche wird nicht müde zu betonen, dass sich die Unfehlbarkeit des Papstes nicht auf Ansichten bezieht, die er in Gesprächen, Schriften und in Predigten äußert. Der Papst könne unklug reden und sich irren wie jeder Mensch. Nur wenn er sich „ex cathedra“ äußert, das heißt, feierlich in seiner Funktion als Inhaber des Heiligen Stuhles des Apostels Petrus, wird sein Urteil als unfehlbar bezeichnet – und das auch nur ausdrücklich in Glaubens- oder Moralfragen. Bislang hat nur einer seiner Nachfolger von dem umstrittenen Recht Gebrauch gemacht. Im Jahr 1950 verkündete Papst Pius XII. das Dogma von der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel.

Zu den Moralfragen, in denen der Papst „unfehlbar“ entscheiden könnte, gehören das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung, die Unmöglichkeit der Frauenordination und die Verpflichtung zum Zölibat für Priester.
Das Unfehlbarkeits-Dogma wurde in den 1970er Jahren zum Thema in Medien und Talkshows. Als Rebell gegen den Heiligen Stuhl machte der Schweizer Theologieprofessor und römisch-katholische Priester Hans Küng Schlagzeilen. Er sah im mangelnden Willen zu zeitgemäßen Reformen die Ursache des Glaubensverlusts und der Abkehr vieler Menschen von ihrer Kirche.

In seinen Büchern und Schriften kritisierte Küng das mittelalterliche Denken des Vatikans. 1979 entzog ihm Johannes Paul II. die Lehrerlaubnis. 25 Jahre später gewährte ihm Benedikt XVI. eine vierstündige Audienz. Das Dogma der Unfehlbarkeit und andere kontroverse Themen kamen nicht zur Sprache.


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