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Teil der Krise: Seit geraumer Zeit verlieren der öffentlich-rechtliche Rundfunk und andere traditionelle Leitmedien an Durchschlagskraft gegenüber „alternativen“ Medien. Das beschleunigt den Zerfall einer vormals verbindenden Öffentlichkeit in abgeschotte
Foto: imago images / ImagebrokerTeil der Krise: Seit geraumer Zeit verlieren der öffentlich-rechtliche Rundfunk und andere traditionelle Leitmedien an Durchschlagskraft gegenüber „alternativen“ Medien. Das beschleunigt den Zerfall einer vormals verbindenden Öffentlichkeit in abgeschotte

Gesellschaft

Die politische Quacksalberei geht unvermindert weiter

Während den Bürgern im Zuge der Corona-Pandemie historische Lasten auferlegt werden, setzt sich die Spaltung der Gesellschaft fort. Eine Kurskorrektur ist nicht zu erwarten

Werner J. Patzelt
04.01.2021

Seit etlichen Jahren mutet die Regierung unserem Land viel zu. Die unplausibel radikale Energiewende verteuert die Strompreise, die Eurozonen-Politik macht das Finanz- und Rentensystem prekär, die Zuwanderungspolitik schafft gewaltige Folgeprobleme. Über alledem hat sich Deutschlands Gesellschaft gespalten. Die einen halten jene Umgestaltungsversuche für richtig, das sind überwiegend Grüne und Sozialdemokraten, Journalisten und Intellektuelle. Die anderen sehen unser Land in eine falsche Richtung treiben. Sie sympathisieren mit der AfD und schätzen alternative Medien oder Webseiten mehr als das etablierte Medienangebot. Zwischen beiden Seiten, der hegemonialen und der alternativen, verzweifeln viele an der CDU, sind systemskeptisch geworden, politisch heimatlos. Jedenfalls widerspiegeln die parlamentarisch bündnisfähigen Parteien nicht mehr die politische Interessen- und Präferenzverteilung in der Bevölkerung. Also kann das Parteiensystem reale Problem- und Diskurslagen nicht mehr befriedend bearbeiten. Das nährt den sich ausbreitenden Eindruck, mit unserem Staat und seinem Personal stimme manches nicht.

Diesem schon anfangs 2020 unübersehbaren Gesellschaftszustand erlegten die Corona-Pandemie und die ihr begegnende Politik Lasten auf, wie sie jahrzehntelang unbekannt und vor einem Jahr noch unvorstellbar waren. Sie reichen von Einbußen an Lebensqualität über gewaltige, in höchst ungerechter Verteilung zu ertragende wirtschaftliche Risiken bis hin zum Verdacht, eine sich schon jahrelang über nicht-linke Bevölkerungswünsche hinwegsetzende politische Klasse wolle sich jetzt die rechtlichen Instrumente einer Erziehungsdiktatur verschaffen. Damit vollende man, was zivilgesellschaftlich mit „politischer Korrektheit“ und „cancel culture“ begann.

Folgen einer langen Entfremdung

Hätte Deutschlands politisch-medialer Komplex nicht schon jahrelang wenig erwünschte Politiken mit medialem Trommelfeuer vorbereitet („Merkels Politik ist wirklich alternativlos!“) und ethisch-erpresserisch umgesetzt („Zuwanderungskritiker sind nichts als Rassisten!“), dann besäße Deutschlands politische Klasse angesichts vieler unvermeidlicher Härten bei den Herausforderungen künftiger Politik (Pandemie-Bekämpfung, Restabilisierung von Wirtschaft und Staatsfinanzen, Rentendrama, Bildungskatastrophe, Zusammenhalt von EU und NATO ...) verlässlicheres Vertrauenskapital als derzeit. Warnungen vor „Dammbrüchen“ sind ja nicht nur dann begründet, wenn sie die AfD betreffen.

Zwar ist der Vertrauensvorschuss für Kanzlerin und Regierung weiterhin spektakulär, ebenso die Hinnahme- und Folgebereitschaft der meisten im Land. Zu den Ursachen gehört, dass noch keine der problematischen Politiken spürbar an die Substanz eines Großteils der Bevölkerung geht, zumal riesige öffentliche Mittel zum Abfedern von Schwierigkeiten eingesetzt werden. Ursächlich ist aber auch, dass links-grüne Regierungspolitik von einer nachgerade Einheitsfront etablierter Medien gefordert, beworben, gerechtfertigt und gegen alle Kritik verteidigt wird.

Dreierlei ist gleichwohl absehbar. Erstens verlieren der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Publikationsorte bisheriger „Edelfedern“ an Durchschlagskraft gegenüber „alternativen“ Medien. Das beschleunigt den Zerfall ehedem verbindender Öffentlichkeit in abgeschottete Meinungsinseln. Zweitens wird sich das verfügbare Geld – auch angesichts riesiger deutscher Verpflichtungen im Rahmen von Euro-Zone und EU – als nicht nach Belieben ohne Inflation vermehrbar erweisen. Verteilungskonflikte und Vermögensverluste stehen also an. Drittens werden die Wahlkämpfe von 2021 viele Bruch- und Scheuerstellen unserer Gesellschaft in entzündete Wunden verwandeln.

Mit ihnen werden Politik und Medien umso weniger heilsam umgehen, je länger man an dem Glauben festhält, nicht die Regierungspolitik wäre Ursache vieler Probleme, sondern ein wie von selbst zustande gekommener „Rechtsruck“ unserer Gesellschaft. Dann gelangt man nämlich nicht hinaus über eine immer üppigere Finanzierung und giftigere Verschärfung des „Kampfs gegen rechts“. Beides kann aber nur dort wirksam sein, wo plausiblerweise eine politische Frontstellung zwischen „Anständigen“ und „Rechtsextremen“ besteht. Das glauben zu machen, gelang zwar bei der Migrationspolitik – freilich nur durch Zuhilfenahme einiger Verleumderei. Doch bei der Pandemie-Politik des Jahres 2020 misslang das; zu bunt setzte sich die – durchaus nicht kleine – Minderheit von deren Gegnern zusammen. Vielmehr entstand eine „Querfront“, die sich wohl weiterhin der Gleichsetzung von Regierungskritik mit Rechtspopulismus, der Gleichstellung des Letzteren mit Dummheit oder Mangel an Anstand entziehen wird.

Die bisherige politische Quacksalberei ist jedenfalls in ihren Grenznutzenbereich geraten. Das wirkliche Heilmittel, nämlich Korrekturen etablierter Regierungspolitik, wird aber weiterhin verkannt. Ihm wird wegen der absehbar kommenden schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene auch die parlamentarische Mehrheit fehlen. Also hofft man besser nicht darauf, es würde sich 2021 Deutschlands gesellschaftlicher und politischer Zustand verbessern.

Prof. Dr. Werner J. Patzelt lehrte bis 2019 Vergleichende Politik­wissenschaft an der TU Dresden.
http://wjpatzelt.de

 


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Kommentare

Karla Lehmann am 07.01.21, 22:22 Uhr

Ihre Festststellungen und Schlußfolgerungen sind sehr traurig, aber wahr! Das derzeitige Parteiensystem ist nicht in der Lage, Probleme sachgerecht zu erfassen, Sachkenntnis bei Entscheidungen einzubinden und entsprechende Lösungen zu finden. Die Alternativen leiden am Fehlen strategischer Inspiration und werden sich ihres Imageschadens nicht mehr entledigen können.

Werner Nehls am 06.01.21, 15:28 Uhr

Solange das "rechte", alternative Lager sein Weltbild und dessen Werte / Vorteile nicht plausibler für den gemeinen Bürger darstellen kann, wird es keine politischen Mehrheiten erlangen. Der "linken" und "linksextremen" Seite fällt es deshalb leicht, ihre Ideologie weiter als allein gültig, "zeit- und geschichtslos" (sic) zu behaupten. "Rechtspopulistische" Intellektuelle versäumten bislang sogar, den Unterschied zwischen demokratischen "Neo-Rechten" und "Nazis" klarzustellen. Stattdessen flüchten sie in einen "gefühligen" Konservatismus mit bekannter Zukunftsblindheit. Um nur einige wenige Punkte zu nennen.

Volkmar Richter am 06.01.21, 10:44 Uhr

Sehr geehrter Herr Prof. Patzelt,
es ist mir immer wieder eine Freude, ihre Kommentare aus wohl begründeten konservativen Sicht zu lesen, auch wenn Sie heute leider weniger in der "Sächsischen Zeitung" zu lesen sind. Aber wichtiger ist, dass sie weiter Ihre Stimme erheben.
Leider bestätigen Sie meine Eindrücke.

Hochachtungsvoll!
Dr. Volkmar Richter

Maxilian Leonhardt am 05.01.21, 16:20 Uhr

Umbrüche kommen schneller als es den herrschende Eliten oft recht ist. Inmer wieder wurden sie von plötzlich zutage tretenden gesellschaftlichen Strömungen kalt erwischt. Was Merkel und Söder momentan leisten ist deshalb gar nicht zu verachten: Sie schaffen die fundierte Grundlage zum Ende ihres Systems. Die Stimmung im Volk nimmt man in Berlin offenbar nicht wahr. Täte man dies, es würde Panik ausbrechen bei Linken und Journalisten der etablierten Medien.

sitra achra am 04.01.21, 14:12 Uhr

Die Demokratie ist eines der vier schlechten Systeme, wie Platon sagt. Das Problem sind nicht nur die Regierigen, sondern auch die Bürger, die sie in Unkenntnis deren Qualitäten gewählt haben.
Bezogen auf die hiesigen Untertanen, bezeugt schon Schopenhauer in einer nicht veröffentlichten Aussage vor seinem Tod die grenzenlose Dummheit der Deutschen (Kutschera, S.414). Er schämt sich infolgedessen, Deutscher zu sein.
Mitgefangen, mitgehangen eben.
Dagegen kommt auch kein Politikwissenschaftsstudium an. Gegen phylogenetischen Kadavergehorsam ist kein Kraut gewachsen.
Und so glaubt der furchtsame Untertan das Märchen von der angeblichen Pandemie, die doch nur eine Art von Grippeepidemie ist (Wodarg, Bagdhi).

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