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Das Herrschaftssystem und das „Grundgesetz“ der römisch-deutschen Kaiser. Das Landesmuseum Mainz stellt mit glanzvollen Exponaten die Machtgrundlagen des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation vor
Zu Blicken hinter die Kulissen der Macht lädt das Landesmuseum Mainz ein. Fünf Kaiser spielen die Hauptrollen. Päpste treten auf. Und die Bischöfe und Fürsten des Heiligen Römischen Reiches reden ein gewichtiges Wörtchen mit. In der rheinland-pfälzischen Landesausstellung geht es nämlich bis zum 18. April 2021 um die „Kaiser und die Säulen ihrer Macht“. Sie gebietet über 330 glanzvolle Exponate.
Die Landesausstellung umspannt einen Zeitraum von 500 Jahren und präsentiert die Rheinregion als wichtigen Schauplatz der mittelalterlichen Geschichte. Dass das so war, unterstreichen 26 korrespondierende Stätten in Rheinland-Pfalz und den angrenzenden Bundesländern. So widmet sich die Kaiserpfalz in Ingelheim dem Thema „Mittelalterliche Paläste und die Reisewege der Kaiser“. Neueste Forschungsergebnisse präsentiert das Bingener Museum am Strom in der Schau „Die Kaiserflüsterin: Hildegard von Bingen trifft Friedrich I. Barbarossa“.
Einbezogen sind auch authentische Orte der Geschichte wie die Reichsburg Trifels, auf der einst die Reichsinsignien aufbewahrt wurden, und der fast 1000 Jahre alte Dom zu Speyer, in dessen imposanter Krypta acht römisch-deutsche Kaiser und Könige ruhen.
Erstes Exponat der Mainzer Landesausstellung sind Thronlehnen aus der Goslarer Kaiserpfalz. Diese auf 1060 bis 1080 datierten Bronzegüsse gelten als Spitzenprodukte ihrer Zeit – und taten letztmals vor fast 150 Jahren als Symbole der Macht ihren Dienst. Bei der Eröffnung des ersten deutschen Reichstages 1871 schmückten sie den Thron Kaiser Wilhelms I., um ihn als Nachfolger der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches zu inszenieren. Den nächsten Ausstellungskapiteln stehen einige dieser Kaiser vor.
Als erster tritt Karl der Große auf. Er ließ sich anno 800 von Papst Leo III. zum Kaiser krönen. Hauptfigur des folgenden Kapitels ist Heinrich II. (regierte 1002–1024). Wie seine Vorgänger setzte er nach Gutdünken Päpste und Bischöfe ein und ab. Das aber ließen sich die Päpste bald nicht mehr gefallen. Ihr neues Selbstbewusstsein machte den mit dem Kirchenbann belegten Heinrich IV. (reg. 1050–1106) und seinem Sohn Heinrich V. (reg. 1105/06–1125) schwer zu schaffen. Auch Friedrich I. Barbarossa musste klein beigeben und sich im Frieden von Venedig 1177 Papst Alexander III. unterwerfen. Der letzte Akt spielt im Jahre 1356. In ihm treten die Träger einer neuen Würde in Erscheinung: die sieben Kurfürsten.
Zwei Goldene Bullen ausgestellt
Bernd Schneidmüller ist der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung. Er erläutert deren Kernbotschaften: „Zum Glanz der Herrscher tritt in der Mainzer Ausstellung die Kraft der Untertanen. Gelungene Königs- oder Kaiserherrschaft erforderte die Einbindung von Geistlichkeit und Adel.“ Das wusste schon Karl der Große, wie aus seiner „Admonitio generalis“ (Anfang 9. Jh.) hervorgeht. In diesem Erlass erklärt er das harmonische Zusammenwirken von geistlicher und weltlicher Macht zum Grundpfeiler des karolingischen Herrschaftssystems.
Im Gegensatz zu den karolingischen Herrschern gingen die römisch-deutschen Könige und damit Anwärter auf die Kaiserwürde aus einer „Wahl“ hervor: Die „Großen“ des Reiches, also Adlige und hohe Geistlichkeit, einigten sich auf ihren Herrscher. Der gebot jedoch nicht mit absoluter Macht über das Reich, sondern bewegte sich in einem spannungsvollen Machtgefüge mit Bischöfen, Fürsten, Rittern und Vertretern der Städte. Nur im Konsens mit diesen „Säulen“ gelang den Herrschern die erfolgreiche Ausübung der Macht. Allerdings waren 90 Prozent der Bevölkerung von der Mitsprache ausgeschlossen, wie Schneidmüller betont.
Die Schau bietet eine einmalige Zusammenführung herausragender Buchmalereien, Goldschmiedearbeiten, Elfenbeinschnitzereien und anderer Unikate des Mittelalters. Der „Codex Egberti“ etwa gilt als unübertroffener Höhepunkt der Buchkunst um das Jahr 1000 herum. Präsentiert wird das in Purpur und Gold ausgeführte Stifterbild des Trierer Erzbischofs Egbert, Berater der Kaiser Otto I. und Otto II. Weltgeschichte wird in der „Vita der Markgräfin Mathilde von Canossa“ (1234) erzählt. Die aufgeschlagene Seite zeigt die thronende Mathilde. Neben ihr sitzt Hugo von Cluny, Taufpate und Fürsprecher Heinrichs IV., der demütig unterhalb Mathildes kniet. Sie vermittelte beim Gang des gebannten Herrschers nach Canossa erfolgreich zwischen ihm und Papst Gregor VII.
Ein weiteres Glanzlicht ist die aus konservatorischen Gründen nur äußerst selten ausgestellte „Große Heidelberger Liederhandschrift Codex Manesse“ (um 1300, Nachträge bis etwa 1340). Die aufgeblätterte Seite zeigt den thronenden Kaiser und Gedichtautor Heinrich VI., der statt des Reichsapfels eine noch unbeschriebene Pergamentrolle präsentiert.
Zum Schluss erlebt man den ehemaligen Zinnenschmuck eines Mainzer Kaufhauses auf der Ausstellungsbühne. Diese Steinreliefs stellen den König und späteren Kaiser Ludwig IV. sowie den König von Böhmen, den Markgrafen von Brandenburg, den Herzog von Sachsen, den Pfalzgrafen bei Rhein und die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln dar (Mainz, um 1317 oder 1330–1340).
Die Festlegung auf gerade diese weltlichen und geistlichen Fürsten ist bemerkenswert. Denn genau sie werden erst Jahre nach der Entstehung der Reliefs in der 1356 von Kaiser Karl IV. erlassenen „Goldenen Bulle“ zu den sieben Kurfürsten ernannt. Ausgestellt sind die Exemplare für die Erzbischöfe von Köln und Mainz. Dieses „Grundgesetz“ des Heiligen Römischen Reiches regelte die Wahl des Königs durch die als „die festen Grundpfeiler des Reiches und dessen unverrückbare Säulen“ bezeichneten sieben Kurfürsten. Schneidmüller merkt an: „Die Gründe, warum die Kurfürstenwürde nur an diese sieben Herrschaftsträger fiel, zählen zu den größten Rätseln der deutschen Geschichte.“
• Info Landesmuseum Mainz, Große Bleiche 49–51, geöffnet Dienstag 10 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 12 Euro, termingebundene Kartenbuchung online unter:
www.kaiser2020.de