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Wie schnell wir alle zur „Bestrebung“ mutieren können, und wie die Wirklichkeit auf den Index kam
Keine Ahnung, wie oft ich den Satz schon hören durfte: „Ich habe zwar den deutschen Pass, bin aber Türke.“ Nie habe ich mir etwas Besonderes dabei gedacht, wenn jemand so was gesagt hat. Der deutsche Pass bietet halt Vorteile gegenüber manch anderen, etwa die vielen Länder, in die man mit dem kleinen Adler vorne drauf visafrei einreisen darf.
Mit einem Schlag aber ist mir die ganze Brisanz des Satzes mit dem deutschen Pass ins Bewusstsein geschossen. Und wie gefährlich er ist – für den, der ihn sagt, genauso wie für mich. Hat der „Türke“ damit nicht sein „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“ selbst entlarvt? Und ebenso ich, wenn ich ihn – aus Respekt vor seiner Entscheidung, sich trotz des Passes weiterhin einem anderen Volk zugehörig zu fühlen – weiterhin als „Türke“ bezeichne?
Der Bundesverfassungsschutz (BfV)müsste uns jedenfalls beide aufs Korn nehmen und, wie es in der Pressemitteilung des BfV heißt, wegen unserer „die Menschenrechte missachtenden, extremistischen Prägung ... als gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstufen. Denn genau damit hat das Amt die entsprechende Einstufung der AfD gerechtfertigt: dem in der Partei angeblich „vorherrschenden ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis“.
Herrje! Und jetzt? Soll ich einem Mann, der sich trotz des deutschen Passes frech als „Türke“ identifiziert, etwa befehlen: „Du hast dich gefälligst als Deutscher zu betrachten, sonst verpfeif ich dich bei der nächsten Meldestelle, du finstere Bestrebung, du!“ Kommt irgendwie seltsam rüber, finden Sie nicht?
Die AfD hätte es der seinerzeitigen Innenministerin Faeser auch leichter machen können, indem sie per Parteitagsbeschluss entschieden hätte, dass alle Deutschen, welche unsere Staatsbürgerschaft nicht von Geburt an besitzen, keine Deutschen mehr sein sollen. Hat sie aber nicht, zumal sich etliche Eingebürgerte in den Reihen der Partei tummeln, bis in höchste Ämter hinein. Die hätte mit so einer Entscheidung wohl ihre Schwierigkeiten. Als Ausweg blieb daher nur der Rückzug auf ein vermeintlich „vorherrschendes Verständnis“. Ziemlich dünne Soße. Ähnlich dünn wie die „Correctiv“-Ballade über das legendäre Treffen von Potsdam, deren Behauptung, auf der Zusammenkunft seien Pläne zur „Remigration“ deutscher Staatsangehöriger mit ausländischen Wurzeln in die Herkunftsländer gewälzt worden, nach gerichtlicher Prüfung verpufft ist.
Im Grunde hat der Verfassungsschutz hier die Benennung einer weitverbreiteten Facette unserer Wirklichkeit auf den Index gesetzt. Wer einfach sagt, was er sieht, sollte sich künftig in Acht nehmen – das scheint die Botschaft zu sein. Wäre die bekannte Publizistin Hannah Arendt noch am Leben, würde sie jetzt die Alarmglocken läuten. Für Arendt war nicht der „Faschismus“ die größte Bedrohung der westlichen Demokratien, sondern der „Verlust an Wirklichkeit“, denn „wenn der Widerstand durch Wirklichkeit fehlt, dann wird prinzipiell alles möglich“.
An der Stelle hakt auch Leon de Winter ein. Der niederländische Schriftsteller beugt sich in der „Welt“ über die Wirklichkeit der deutschen Einwanderungspraxis. Das BfV führe als weiteren Beleg für sein Verdikt gegen die AfD nämlich den Tweet eines AfD-Mitarbeiters im Bundestag an, Wortlaut: „Verfehlte Migrationspolitik und Asylmissbrauch haben zum 100.000-fachen Import von Menschen aus zutiefst rückständigen und frauenfeindlichen Kulturen geführt.“
Der Tweet sei mittlerweile gelöscht, sagt de Winter, aber er „muss etwas gestehen“, wie er schreibt, nämlich: „Auch ich bin überzeugt, dass die Migrationspolitik gescheitert ist, auch ich sehe, dass zu viele Migranten in Europa aus rückständigen Kulturen kommen, in denen Frauen Männern untergeordnet sind und Juden gehasst werden.“ Folglich fragt sich der gefeierte Autor: „Bin ich jetzt gesichert rechtsextrem?“
Man kommt ganz durcheinander
Laut „Süddeutscher Zeitung“ hat das BfV noch mehr auf Lager, denn als „weiteres Gefahrenpotential gilt das Agieren der Partei in Parlamenten, wo sie Gepflogenheiten und Vorschriften missachtet“, soll es in der Begründung heißen. Gemeint ist tatsächlich die AfD, worauf man erst mal kommen muss. War es die AfD, die anderen Parteien die Besetzung von Posten wie den des Alterspräsidenten, von Parlaments-Vizepräsidenten oder Ausschussvorsitzenden verwehrt hat, die ihnen nach den parlamentarischen „Gepflogenheiten“ zustehen? Oder war es nicht eher umgekehrt?
Man kommt ganz durcheinander. Gern würden wir uns das mehr als tausend Seiten lange Gutachten selbst ansehen. Aber das Papier soll geheim bleiben. Daher stochern wir ratlos im Nebel, solange wir nur die dünne Presseerklärung des BfV, kaum zwei Seiten, und ein paar durchgestochene Ergänzungen zu Gesicht bekommen.
Die Ratlosigkeit wächst umso mehr, wenn wir uns unsere Gesamtsituation vor Augen führen: Gewisse Ausformungen der Wirklichkeit sollen wir nicht mehr aussprechen, sonst sind wir ... fragen Sie Leon de Winter. Aber Lügen will man uns auch verbieten, wie der schwarz-rote Koalitionsvertrag ankündigt. Was bleibt denn dann?
Möglicherweise das hier: Wir beten stur nach, was „amtlich“ verbreitet wird, ohne auch nur mal nachzugucken, ob das stimmt und gut begründet ist. Zahllose Medien machen gerade vor, wie wunderbar das funktioniert. Außer dem „Spiegel“, der stolz behauptet, die mehr als tausend Seiten bekommen zu haben (wie eigentlich?), konnten die anderen Journalisten auch nicht reinschauen und glauben dennoch – zwangsläufig ungeprüft – was ihnen der Inlandsgeheimdienst als Ergebnis auftischt. Und selbst das ist, wie wir gesehen haben, ja nicht sonderlich prickelnd. Ging Journalismus eigentlich immer so? Oder gehörte nicht einst der nagende Zweifel an allem (insbesondere, wenn es „von oben“ kam) zum Medienmacher wie die gute alte Schreibmaschine? Beides von gestern, wie es aussieht.
Nun argumentieren viele, allen voran Frau Faeser selbst, dass der Bundesverfassungsschutz ja vollkommen unabhängig und ohne jede Weisung zu seinem Ratschluss über die AfD gelangt sei. Damit sei er strikt unparteiisch und über alle Zweifel erhaben, soll das signalisieren.
Zweifler könnten darauf hinweisen, dass das BfV eine sehr wohl weisungsgebundene Behörde unter dem Regiment des Innenministers ist. „Unabhängig“ sind sie dort also höchstens soweit, wie der große Chef es zulässt. Und jener Chef war mit Ministerin Faeser jemand, der sehr nachvollziehbare parteipolitische Interesse im Umgang mit der AfD im Kopf haben dürfte.
Dürfen wir das andeuten? Oder fällt das schon unter „Delegitimierung“? Wir wissen es nicht. Nur das: Einen Mitbürger mit deutschem Pass, der mir hinsichtlich seiner Volkszugehörigkeit ein anderes Volk nennt als das deutsche, den werde ich künftig warnen. Damit er weiß, in welcher Gefahr er schwebt.