17.07.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Der Königsberger Dr. Christean Wagner kam durch ein Kuriosum bei der Taufe zu  seinem eher ungewöhnlichen wie einzigartigen Vornamen
Bild: Jörn PekrulDer Königsberger Dr. Christean Wagner kam durch ein Kuriosum bei der Taufe zu seinem eher ungewöhnlichen wie einzigartigen Vornamen

Nachruf

Dr. Christean Wagner – ein Königsberger Leben

Sein Glaube an den Menschen statt an Ideologie zeichneten sein großes Engagement und berufliches Leben aus

Jörn Pekrul
16.07.2025

Am 4. Juli verstarb der frühere hessische Minister Dr. Christean Wagner mit 82 Jahren. Die Meldung löste auch in heimatlichen Kreisen Bestürzung aus. Dr. Wagner wurde am 12. März 1943 im ostpreußischen Königsberg geboren. Bei der Taufe entstand ein Missverständnis. „Wie Christian Goerdeler mit „e“! “, sagten die Eltern unter Verweis auf den Sohn von Carl Friedrich Goerdeler (1884–1945). Doch gemeint war mit dem „e“ nicht der Vorname, sondern die Schreibweise seines Familiennamens. Jedoch der im Königsberger Dom gegebene Taufname wurde „Christean“.

Nach dem Krieg kam die Familie über das nordhessische Alsfeld nach Bremen, wo der Sohn 1962 sein Abitur ablegte. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Marburg/Lahn und Heidelberg promovierte er 1972. Es zog Dr. Wagner in die Politik. 1987 wurde er hessischer Kultusminister im Kabinett Wallmann.

1999 übernahm er das Justizministerium. Daneben wirkte er in der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU. Hier hatte er bereits sein natürliches Talent entwickelt, im Streit den Wesenskern zu erfassen und zugleich Anschlusspunkte bei den Kontrahenten zu verknüpfen. Das Credo der Debattenkultur im „Königsberger Jahrhundert“ (dem 18. Jhd.), wo es nur um die Sache ging und eine Ächtung von Diskutanten unvorstellbar war, schien auch in ihm zu wirken. Ab 2014 zog sich Dr. Wagner aus der aktiven Politik zurück. Er widmete sich fortan unter anderem der Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr) e.V. und stellte sein brillantes Fachwissen einer Kanzlei in Berlin zur Verfügung.

Engagement mit Herz und Seele
In der Politik hatte er immer wieder für eine Rückbesinnung zu christlich-sozialen, wirtschaftsliberalen und wertkonservativen Wurzeln geworben. Er sah hierin nicht nur eine profane Möglichkeit, die zahlreichen ehemaligen Wähler der Union zurückzugewinnen. Ihm ging es um mehr: um ein festes Wertefundament; Evolution statt Revolution, und als Rahmen die Nation als Garant von Sicherheit und Prosperität. Der Konservative stelle sich offen den Problemen auf Basis der historischen Erfahrung, der Wirklichkeit und der konkreten Praxis. Er orientiere sich am Menschen und nicht an einer Ideologie.

2018 übernahm Dr. Wagner die Leitung des im Jahre 2000 gegründeten „Zentrums gegen Vertreibungen“ (ZgV). Es dokumentiert Vertreibungswissen, insbesondere in Europa. Nach anfänglicher Skepsis würdigten Kritiker und Publikum die sachliche Ausgewogenheit dieser Stiftung (Anm. d. Red.: Das ZgV ist nicht zu verwechseln mit der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin). Mit der Verleihung des „Franz-Werfel-Menschenrechtspreises“ – benannt nach dem Autor von „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ über den Völkermord an den Armeniern – in der Frankfurter Paulskirche würdigt das ZgV Persönlichkeiten, die sich gegen die Verletzung von Menschenrechten aktiv einsetzen.

Doch auch im Sozialbereich war Dr. Wagner tätig. In langen Nächten, wenn die Einsamkeit die Verzweifelten und Hoffnungslosen heimsucht, widmete er sich ehrenamtlich der anonymen Telefonseelsorge in Hessen. Sein Einfühlungsvermögen ließ ihn stets die richtigen Fragen im richtigen Ton stellen. Hiermit und mit dem Timbre seiner Stimme schaffte er es, dass sich der Mensch am anderen Ende der Telefonleitung beruhigte, wieder Halt spürte und eine Perspektive fand. Dr. Wagner übte diese Tätigkeit jahrelang und fernab der Öffentlichkeit aus.

Als Politiker sah er sich stets als Diener des Souveräns, und nicht als dessen Erzieher. Er hatte das Vertrauen in den Menschen. Niemals hört man seinen Namen in Verbindung mit gebrochenen Wahlversprechen, mit einer Relativierung von Missständen, mit einer Verschwendung von Steuergeldern oder der Kultivierung von Eitelkeiten und Empfindlichkeiten. Ihm ging es darum, die komplexen Strukturen eines Staatswesens und eines Menschen nicht nur zu verstehen, sondern auch sorgsam und weise mit beidem umzugehen.

Ein Königsberger Leben, gelebt bis zum Ende, und ein Vorbild, das bleibt. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie und seinen Freunden.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Gregor Scharf am 16.07.25, 06:27 Uhr

Was waren das noch für Zeiten, als Menschen wie Dr. Wagner die Geschicke Deutschlands lenkten und leiteten und wie konnten ihnen die nachfolgenden Generationen derart entgleiten, dass wir heutzutage eine zerrissene Gesellschaft erleben?
Waren der Glaube an die einzelnen Menschen und das Vertrauen so stark, dass sie übersehen haben, wie schleichendes Gift, Ideologie, sich in die Hirne der Menschen frisst und alles zu zerstören droht. Waren Nationalsozialismus und real existierender Sozialismus noch nicht Warnung genug?
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man so etwas im Keim ersticken muss, denn die Dummen, emotional Fehlgeleiteten, sind der Anfang vom Ende. Dann gibt es keine Menschlichkeit mehr und jeder wird zum Feind seiner Mitmenschen. Die Nation als Rückhalt und Schutz ist die essentielle Grundlage für jeden Einzelnen. Wer hat ein Interesse daran, den Westen zu zersetzen, während die Nationen im Osten zusammengehalten werden?
Dank an Dr. Wagner. Er war eine herausragende Persönlichkeit. Wir kämpfen noch ein wenig weiter und bleiben wachsam, bis auch wir gehen müssen.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS