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Begründer der Mark Brandenburg – Mit entschuldbarer Verspätung erinnert Ballenstedt zum 850. Todestag an Albrecht den Bären
Ballenstedts berühmteste Persönlichkeit war zweifellos Albrecht der Bär. Der Begründer des Hauses Anhalt-Askanien und erste Markgraf der Mark Brandenburg starb am 18. November 1170 im Alter von etwa 70 Jahren. Die am nordöstlichen Rand des Harzes gelegene Stadt hatte sich viel einfallen lassen, um im Jahr 2020 Albrecht anlässlich seines 850. Todestages zu ehren. Doch die Corona-Pandemie sorgte für Terminverschiebungen.
Im Vorjahr lief noch alles nach Plan. Die Gedenkfeiern begannen im November 2019 mit der Einweihung des vom Quedlinburger Metallbildhauer Jochen Müller geschaffenen neuen Albrecht-Denkmals vor Schloss Ballenstedt, in dem eine Ausstellung an den „Ballenstedter Bären“ erinnert. Das Denkmal sieht ungewöhnlich aus. Der lebensgroß in Bronze gegossene Markgraf ist in Begleitung eines kleinen Bären vom Sockel gestiegen und blickt auf die Stadt hinab. Obwohl kriegerisch gerüstet, wirkt er freundlich. Müller hat ihm die Gesichtszüge von Prinz Eduard verliehen, dem heutigen Chef des Hauses Anhalt.
Die Gestaltung wirkt wie der Gegenentwurf zum 1899 vom Berliner Bildhauer Arthur Schulz für Ballenstedt angefertigten Albrecht-Denkmal. Die Bronzefigur verschwand 1950 spurlos vom Kleinen Ziegenberg. Die Stadt ließ auf dem hohen Steinsockel 1997 eine Kopie der Figur aus Sandstein aufstellen. Hier wird Albrecht als grimmig dreinschauender Krieger präsentiert, zu dem man aufschauen soll.
Der Überlieferung zufolge ist Albrecht mit Gemahlin Sophie in der Kirche des von ihm und seinen Vorfahren in Ballenstedt errichteten Klosters bestattet worden. Das 1525 aufgegebene Kloster wurde im 18. Jahrhundert zum Schloss umgebaut. Von der alten Klosterkirche blieben das Westwerk und die Krypta erhalten. Mehrfach ließ das Haus Anhalt nach den sterblichen Überresten ihres berühmten Vorfahren fahnden, zum Beispiel 1843 im Beisein von Preußens König Friedrich Wilhelm IV. Unter der im Erdgeschoss des Westwerks eingerichteten ehemaligen Nikolaikapelle fand man 1880 neben anderen Grabstätten ein Grab mit zwei Skeletten. Bei ihnen handelt es sich vermutlich um die Überreste Albrechts des Bären und seiner Gattin.
Wegbereiter ins deutsche Ostland?
Der zur Gruft Albrechts des Bären erklärten ehemaligen Nikolaikapelle nahm sich 1938 der Maler, Publizist und Architekt Paul Schultze-Naumburg an. Seinen Angaben zufolge erteilte der mit seiner Familie auf dem Schloss lebende Joachim Ernst von Anhalt den Auftrag. Dies und seine Umgestaltungsmaßnahmen schildert Schultze-Naumburg in der Zeitschrift „Kunst im Dritten Reich“. Er schuf „einen würdigen Zugang“, beseitigte ein „Gewirr von zusammenhanglosen Treppen und Winkeln“, gab der Gruft ein Kreuzgratgewölbe und ließ hinter der sich leicht über den Steinboden erhebenden Grabplatte einen gegen die Rückwand gelehnten kapitellähnlichen Altar errichten. Der Zugang ist mit einem schmiedeeisernen Gitter verschlossen.
Unerwähnt lässt Schultze-Naumburg die über dem Altar angebrachte Bronzeplatte mit der Inschrift „Albrecht der Bär. Der Wegbereiter ins deutsche Ostland“. Die Bremer Landesarchäologin Uta Halle, die vergangenes Jahr auf der Albrecht in Ballenstedt gewidmeten Tagung einen Vortrag über die Gruft hielt, urteilte: Die Bronzeplatte „dürfte aber mit ihrer ideologischen Aussage aus der NS-Zeit stammen“. Tagungsleiter Stephan Freund, Historiker an der Universität Magdeburg, ergänzte: Die Nationalsozialisten hätten Albrecht zum Vorkämpfer der deutschen Ostsiedlung im Mittelalter erklärten und damit „für die sogenannte Gewinnung neuen Lebensraums im Osten“.
Es ist erstaunlich, dass die Gruft, an der NS-Propagandaveranstaltungen stattfanden, in der von NSDAP-Mitglied Schultze-Naumburg gestalteten Form bis heute überdauert hat. Aber nicht mehr lange. Das neu geordnete Nachleben sollte am 18. November 2020 beginnen. Allerdings hat dann die Corona-Pandemie den Zeitplan durcheinandergebracht. Nun war geplant, die bis dahin frisch herausgeputzte Gruft und die in ihrem Vorraum präsentierte Ausstellung deutlich später zu eröffnen, was auch geschehen ist. Sie informiert jetzt über Albrecht und die Baugeschichte der Gruft.
Auch die NS-Propagandaveranstaltungen werden dokumentiert. Und es geht um Schultze-Naumburg. Vor seiner Hinwendung zum Nationalsozialismus verschrieb er sich als Lebensreformer dem Kampf gegen das Frauenkorsett und trat als Gründungsmitglied des Deutschen Werkbundes für moderne Produktgestaltung ein. Sein berühmtestes Bauwerk ist das 1913 bis 1917 für den preußischen Kronprinzen Wilhelm errichtete Schloss Cecilienhof.
Die vermutlich auf Schultze-Naumburgs Konto gehende Bronzetafel, die Albrecht zum Wegbereiter ins deutsche Ostland erklärt, soll aus der Gruft entfernt werden und fortan im Mittelpunkt der Informationsausstellung stehen. Ihren Platz in der Gruft nimmt dann ein Kunstwerk Margit Jäschkes ein, das den von der Stadt Ballenstedt ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hat. Es besteht aus einer Bronzeplatte mit einem überdimensionalen goldenen Fingerabdruck, welcher die von Albrecht hinterlassenen, glanzvollen Spuren versinnbildlichen soll.
• Schloss Ballenstedt geöffnet täglich außer montags von 11 bis 16 Uhr, Eintritt: 5 Euro. Internet: www.ballenstedt.de. Der Tagungsband „Albrecht der Bär, Ballenstedt und die Anfänge Anhalts“ aus dem Verlag Schnell & Steiner (296 Seiten) kostet 34,95 Euro