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Corona-Lockerungen

„Ein bürokratisches Monster losgelassen“

Gastronomen schimpfen über unsinnigen Regelwust, während Testzentren kaum kontrolliert werden

Norman Hanert
10.06.2021

In der Corona-Pandemie erleben die Bürger zum einen den Staat, der sich kleinkarierte Regelungen einfallen lässt, die zur Not auch mit Polizei und Ordnungsamt durchgesetzt werden. Beim Abrechnungsbetrug für Corona-Schnelltests wird das andere Extrem sichtbar: Politiker und Behörden, die völlig blauäugig auf Kontrollen verzichten.

Ein besonderes Beispiel für den regulierungswütigen Staat liefert derzeit Brandenburg. Dort hat die rot-schwarz-grüne Landesregierung mit Wirkung zum 3. Juni neue Corona-Regelungen in Kraft gesetzt, die insbesondere in der Gastronomie und in der Touristikbranche wahlweise für Kopfschütteln oder für massiven Unmut sorgen.

Laut den neuen Regelungen dürfen Gastronomiebetriebe Gäste nun wieder in den Innenräumen bewirten. Hierbei gilt eine Testpflicht. In der Außengastronomie lässt die Landesregierung die Testpflicht wegfallen – bis auf eine Einschränkung: Wird in den Lokalen zusätzlich noch in den Innenräumen bedient, müssen die Gastwirte auch den Gästen im Außenbereich einen Test abverlangen.

„Nicht nachvollziehbar“

Brandenburgs Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Olaf Schöpe, sagte zu der Regelung: „Wenn der Gastronom im Innenbereich eine Geburtstagsfeier hat, dann müssen alle Gäste im Biergarten einen negativen Test [...] vorlegen? Wie weltfremd ist eine solche Verordnung!“ Für den Dehoga-Präsidenten ist die Regelung auch vor dem Hintergrund der mittlerweile niedrigen Positiv-Test-Zahlen „weder nachvollziehbar noch vermittelbar“.

Der Landestourismusverband Brandenburg reibt sich an unterschiedlichen Regelungen für das Beherbergungsgewerbe. Gäste von Ferienwohnungen müssen lediglich bei der Anreise einen negativen Test vorgelegen. Übernachten Gäste aber in Hotels oder Pensionen, müssen sie sich zusätzlich alle 72 Stunden testen lassen. Verbandsgeschäftsführer Markus Aspetzberger kommentierte. Die Öffnungsschritte seien angesichts der sich entspannenden Corona-Lage zwar zu begrüßen. „Im Detail wurde hier aber ein kaum zu durchblickendes und bürokratisches Monster auf Gäste wie Gastgeber losgelassen.“

Das komplette Gegenprogramm zu solchen detailverliebten Regelungsversuchen hat die Politik bei den Vorgaben für die Corona-Testzentren geliefert. Seit dem 8. März hat jeder Bürger einen Anspruch auf mindestens einen Schnelltest pro Woche. Pro Test zahlt der Bund 18 Euro. Die Verdienstmöglichkeiten und die niedrige Einstiegshürde zur Errichtung eines Testzentrums haben bundesweit zu einer Goldgräberstimmung geführt. Allerorten eröffnen neue Zentren. Der Berliner Senat verlangt beispielsweise lediglich ein schriftliches Hygiene- und Testkonzept, Skizzen der Räumlichkeiten und eine kurze Online-Schulung.

Jede Woche 150 neue Testzentren

Allein in Berlin bieten mittlerweile über 1200 Testzentren ihre Dienste an. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung kommen jede Woche weitere 150 Zentren in der Hauptstadt dazu. Erstaunlicherweise ist in der vom Bundesgesundheitsministerium verfassten Testverordnung nicht vorgesehen, die Abrechnungen auch zu überprüfen. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte sogar, dass die Betreiber der Teststellen nicht einmal Daten wie die Namen der Getesteten und oder Einkaufsbelege der Tests einreichen müssen. Den Verzicht auf Kontrollen sehen Kritiker nach den Erfahrungen mit den Betrügereien bei den Corona-Hilfen als reichlich weltfremd an.

Bundesweit laufen derzeit etwa 15.000 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug bei den Corona-Soforthilfen. Offenbar haben einige Akteure nun überdies entdeckt, wie sie als Betreiber von Schnelltestzentren auf kriminelle Weise Steuergelder in die eigenen Taschen umlenken können. Bundesweit werden immer mehr Fälle bekannt, bei denen es um den Verdacht von Abrechnungsbetrug bei den Schnelltests geht.

In mehreren Berliner Bezirken führen Ordnungsämter und die Polizei mittlerweile Verbundeinsätze durch, bei denen sie zumindest gewerberechtliche Kontrollen durchführen: In Berlin-Neukölln führten solche Einsätze dazu, dass allein am 2. Juni fünf Corona-Teststellen geschlossen worden sind.

Ministertreffen blieb ohne Ergebnis

Festgestellt hatten die Beamten „strukturelle Defizite“ bei den Hygienemaßnahmen und dem Testablauf. Das Gesundheitsamt Neukölln überprüfte darüber hinaus am selben Tag noch sechs weitere Zentren, von denen drei geschlossen wurden. Noch nicht absehbar ist, wie die Behörden weiteren Abrechnungsbetrug verhindern wollen. Ein Treffen zwischen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Landesministern blieb ohne konkretes Ergebnis. Kernfrage ist dabei, welche Behörde überhaupt in der Lage ist, die Abrechnungen intensiver zu prüfen.


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