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Von der Reichsgründung bis zur Gegenwart – Kathrin Wolf und Isabel Kreitz zeigen Geschichte anhand fünf Generationen einer Familie
Das Titelbild des Kinderbuchs „In einem alten Haus in Berlin“ von Kathrin Wolf und Isabel Kreitz macht neugierig. Eine Straße des alten Berlins ist zu sehen. Im Vorderhaus befindet sich eine Apotheke, zwei Kinder spielen auf dem Bürgersteig mit Murmeln. Die Rückseite führt zum Hinterhof des Gebäudes und direkt ins Zille-Milieu. Eine Frau schleppt aus dem Keller nasse Wäsche zum Trocknen heraus, während die Nachbarin am Fenster mit ihr ein wenig tratscht.
Beim Aufklappen der ersten Doppelseite sieht man Fotos aus der Kaiserzeit, der beiden Kriege, der Teilung Berlins, Passierscheine, eine Landkarte des in vier Zonen aufgeteilten Berlins. Trümmerfrauen und Soldatenabbildungen ziehen den Leser in den Bann, bevor er in die Geschichte des alten Hauses eingetaucht ist.
Die Autorin erklärt im Anhang, dass dieses Buch als eine Art Ausstellung zwischen zwei Buchdeckeln anzusehen sei. Es ist vor allem die interessante Geschichte einer Familie über fünf Generationen. Einem Stammbaum gleich sind alle Personen mit Bild zu sehen. Die Geschichte startet im Jahr 1871, als die Apothekerfamilie Schwartz in ihre Wohnung in der Bel Etage des Hauses zieht. Aus der Sicht des siebenjährigen Sohnes Karl, aber auch der der anderen Kinder Martha, Ursula, Peter, Laura und Ben, die in den folgenden Jahrzehnten eine Rolle spielen, wird das Geschehen jeweils geschildert.
Es geht weiter mit dem Dreikaiserjahr 1888, dem Ersten Weltkrieg, der Novemberrevolution 1918, der Weimarer Republik, der Zeit der Nationalsozialisten, Zweiter Weltkrieg, Berliner Blockade, Wirtschaftswunder, Teilung Deutschlands, Mauerbau, Studentenrevolte, Jugendbewegung, die Westberliner Inselsituation, die Wende 1989 und die Vereinigung. Aus dem geschichtsträchtigen Haus wurde nun ein schickes APO-Theken-Café im neuen Berlin, in dem sich Jung und Alt trifft. Die Begeisterung über dieses Buch ist kaum in Worte zu fassen. So viel greifbare, anschauliche Geschichte, die auch Erwachsenen tiefe Einblicke in unsere Landesgeschichte bringt, sieht man selten. Man ist hautnah dabei, schaut in die Zimmer der Wohnungen, lebt, leidet und freut sich mit ihnen. Es gibt Bücher, die nachhaltig beeindrucken. Dieses gehört definitiv dazu. Ein großartiger Geschichtsunterricht.
Von der Idee her ist das Werk auf das Buch „In einem alten Haus in Moskau“ von Anna Desnitskaya und Alexandre Litwina, aus dem Jahre 2017 zurückzuführen. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem Berliner Stadtmuseum.
Kathrin Wolf/Isabel Kreitz: „In einem alten Haus in Berlin“, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2023, gebunden, 64 Seiten, 28 Euro