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NEOM

Ein saudisches Silicon Valley in der Arabischen Wüste?

Um die Wirtschaft zu diversifizieren, plant das wahhabitisches Königreich, ein Vorbild an moderner Urbanität aus dem Boden zu stampfen

Wolfgang Kaufmann
06.07.2021

Der Wohlstand des muslimischen Königreiches Saudi-Arabien basiert im Wesentlichen auf seinen Einnahmen aus dem Erdölgeschäft. Das soll sich nach dem Willen des faktisch regierenden Kronprinzen Mohammed bin Salman al-Saud aber in absehbarer Zeit ändern. Deshalb initiierte er im April 2016 das Projekt Vision 2030. Dieses sieht einen grundlegenden Umbau der saudischen Wirtschaft zur Diversifizierung der Staatseinkünfte vor. Außerdem ist geplant, das Königreich moderner und ökologischer zu gestalten. Zum absoluten Aushängeschild von Vision 2030 könnte dabei die futuristische Retorten-Siedlung Neom geraten.

„Neom“ ist ein Kunstwort, gebildet aus dem altgriechischen „neos“ für „neu“ und dem arabischen „mustaqbal“ für „Zukunft“. Als Standort des zu schaffenden Vorbildes an moderner Urbanität wurde eine am Roten Meer gelegene Region im Westen Saudi-Arabiens in unmittelbarer Nähe zu Ägypten, Jordanien und Israel ausgewählt. Dort soll sich Neom nach der Fertigstellung über 26.500 Quadratkilometer erstrecken. Damit wäre die Ansiedlung größer als Mecklenburg-Vorpommern und 30 Mal so groß wie New York City.

Über 26.500 Quadratkilometer Fläche

Die Kosten des Projekts schätzen Experten auf 500 Milliarden US-Dollar. Einen Großteil dieses Geldes will der saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) zur Verfügung stellen, ansonsten hofft man auf zahlungskräftige ausländische Investoren. Deshalb hat Mohammed bin Salman al-Saud auch einen aus dem Westen stammenden Manager zum Chef des Verwaltungsrates von Neom berufen. Hierbei handelt es sich um den früheren Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Klaus Kleinfeld, der über eine Korruptionsaffäre gestolpert war.

Als Herzstück von Neom soll The Line fungieren, eine schnurgerade Aufreihung von einzelnen „City-Modulen“, die sich über 170 Kilometer vom Golf von Akaba bis ins trockene Landesinnere erstreckt. Das künftige Leben hier beschreiben die Neom-Planer folgendermaßen: Alles, was ein Bewohner der Stadt brauche, könne er in fünf Minuten zu Fuß erreichen. Autos seien daher komplett überflüssig. Wer dennoch größere Distanzen überwinden wolle, benutze eine Hochgeschwindigkeits-U-Bahn, die nur 20 Minuten benötige, um The Line abzufahren. Der Alltag werde von Künstlicher Intelligenz gesteuert und optimiert. Und Neom bleibe wegen seiner Bauweise und der Energieversorgung auf der Basis von Wind- und Sonnenkraft auch vollkommen „klimaneutral“.

Die Saudis hoffen, dass der innovative Charakter der Stadt zahlreiche ausländische Hochtechnologie-Unternehmen anzieht und so ein neues Silicon Valley in der Arabischen Wüste entsteht, welches das kalifornische Original in den Schatten stellt. Deshalb garantierte der Kronprinz auch maximale Liberalität in Neom einschließlich der Freigabe von Alkohol und der Lockerung von Kleidervorschriften für Frauen.

Ein 500-Milliarden-Dollar-Projekt

Allein The Line soll für 380.000 neue Arbeitsplätze sorgen. Und die wären auch bitter nötig. Immerhin sind sieben Zehntel der Saudis unter 30 Jahre alt und ein Drittel der Angehörigen dieser Altersgruppe hat keinen Job.

Allerdings bleibt fraglich, ob das ambitionierte Projekt realisierbar ist. Das immer noch erzkonservative Saudi-Arabien steht wegen seiner rigiden Auslegung des Islam international in der Kritik, und der allmächtige Kronprinz hat schon mehrmals demonstriert, dass er bereit ist, die Opposition im Lande mit aller Härte zu unterdrücken.

Das bekamen nicht zuletzt die Beduinenstämme zu spüren, die dort siedeln, wo Neom entstehen soll. Diese weigerten sich, ihr Land zu verlassen. Daraufhin kam es zu zahlreichen Verhaftungen. Außerdem erschossen Sicherheitskräfte den prominentesten Gegner des Projektes, Abdulrahim al-Howeiti, der angeblich ein Terrorist gewesen ist. Der Stammesverband der Howeitat klagt: „Neom wird auf unserem Blut und unseren Knochen gebaut.“ Angesichts dessen dürfte sich die Begeisterung ausländischer Investoren in Grenzen halten.

Andere Schattenseiten kommen hinzu. Da die alltäglichen Dienstleistungen in Neom vollständig von Robotern erbracht werden sollen, könnten am Ende doch nicht so viele Arbeitsplätze entstehen, wie versprochen. Desgleichen würde der massive Einsatz von Künstlicher Intelligenz dem Staat die Möglichkeit verleihen, die Bewohner der Stadt rund um die Uhr und in allen Lebensbereichen zu überwachen.

Daher ist nicht auszuschließen, dass Neom das gleiche Schicksal erleiden wird, wie die bislang schon errichteten Musterstädte in Saudi-Arabien. So leben in der King Abdullah Economic City, die ab 2005 aus dem Wüstensand zwischen Mekka und Medina gestampft wurde, heute statt der einstmals anvisierten zwei Millionen Einwohner gerade einmal 10.000 Menschen. Und in Neom entstanden seit 2017 bislang nur der Flughafen und ein Lager für Sicherheitskräfte und Bauarbeiter.


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Kommentare

Siegfried Hermann am 06.07.21, 06:44 Uhr

Moin!
Datt wird mal wieder nix!
Hatten wir schon: Das "größste Stahlwerk aller Zeiten" ist schon auf Planungsebene versandet, ebenso die "beste Universität noch vor Harvart, Yale und MIT", wobei man Professoren mit Nobelruf mit Traumgehälter, Traum-Etats und neusten Technik-Schnickschnack in die Wüste locken wollte.
Wollte... weil fast niemand kam.
Die Gründe hat die PAZ oben beschrieben.
Wer will schon in einer brachialen Steinzeitkultur umringt von endlosen Sandwüsten leben??
Dazu kommt, das die IT-ler fast durchweg knallharte Kifferköppe sind und selbst bei Krümel in der Tasche drakonische Haftstrafen für Ausländer drohen.
Andererseits kann man aus einem Dorfesel kein Rennpferd machen!
Das Groß des fähigen saudischen Personals bleibt lieber im ruhigen, belastungsfreien und überbezahlten Staatsdienst.
Massen an, sagen wir freundlich, an einfach strukturierten Tätigkeiten gewöhntes Personal würde allenfalls in der Touristik jobben können.
Das sieht man schon in Dubai, wo qualifizierte Managerposten durchwegs mit westliches Personal beschäftigt wird.
Was bleibt!?
Den Flughafen kann man noch als Strategie dem Militär verkaufen, weil mit einer F-18 2 Minuten bis Eilat und unter 10 min bis TelAviv.
Ob ein Schnorchel- und Strandurlaub "für die ganze Familie" gegenüber nur wenige Kilometer entfernten ägyptischen Scharm El-Scheich mit seinen Niedrigslohnniveau Bestand haben kann, ist auch unwahr-scheinlich, es sei denn, es kommen so kültürverbessernde Elitepolidieker*Innen s/L/d wie Fatima R., Kati Göring, oder unsere Kobold-Lena die diese Lebenskültür ja so toll finden und dabei absolut schmerzfrei grinsen können. Der Rest zieht Sylt vor!

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