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Dank Wilhelmine wurde Bayreuth zu einer Kulturmetropole: Büste der Markgräfin im Zentrum der Stadt
Foto: Imago/imagebrokerDank Wilhelmine wurde Bayreuth zu einer Kulturmetropole: Büste der Markgräfin im Zentrum der Stadt

Bayreuth

Ein Schöngeist aus Berlin

Vor Wagner eroberte eine Preußin die Herzen der Bayreuther: Markgräfin Wilhelmine, die Schwester Friedrichs des Großen

Jolanta Lada-Zielke
29.06.2024

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die älteste Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. und Schwester seines Nachfolgers Friedrich der Große, kam zur Welt am 3. Juli 1709 in Berlin. Sie hatte eine enge Beziehung zu ihrem drei Jahre jüngeren Bruder. Beide liebten Musik und spielten oft zusammen: Wilhelmine das Cembalo oder die Laute, die sie scherzhaft „Principe“ nannte, während Friedrich seine Flöte als „Principessa“ bezeichnete. Die strenge, von Sadismus nicht freie Erziehung, die sie bekamen, beeinflusste ihr späteres Schicksal.

Am Berliner Hof, der voller Intrigen war, deren Opfer Wilhelmine bereits als Kind wurde, war ihr einziger Zeitvertreib das Lernen und Musizieren. Sie komponierte die Barockoper „Argenore“, von der nur eine Arie erhalten ist, sowie ein Konzert für Cembalo, Streichorchester und Basso Continuo.

Die Schwester Friedrichs des Großen sprach fließend Latein, Englisch, Französisch und schrieb zur eigenen Unterhaltung umfangreiche Tagebücher. In ihnen drückte sie wiederholt ihre Verbundenheit mit ihrem Bruder aus. Sie versuchte ihn von der Flucht nach England abzubringen, die er 1730 als 18-Jähriger unternehmen wollte, weil er die Tyrannei seines Vaters nicht länger ertragen konnte.

Als dieser Plan scheiterte, behandelte der König seinen Sohn als Deserteur und sperrte ihn in der Festung Küstrin ein. Dort musste Friedrich die Hinrichtung seines Lehrers und Freundes Hans Hermann von Katte beobachten, der mit ihm fliehen sollte.

Der junge Thronfolger hätte möglicherweise das gleiche Schicksal geteilt, wenn sich nicht seine Schwester für ihn geopfert hätte. Sie unterwarf sich dem Willen des Königs und erklärte sich bereit, den von ihm vorgeschlagenen Kandidaten – den Erbprinzen des Markrafentums Bayreuth – zu heiraten.

Diese Wahl war gegen den Willen von Wilhelmines Mutter Sophie Dorothea von Hannover, von der ihre Tochter viel Unangenehmes erlebte. Prinz Friedrich, später Markgraf von Bayreuth, war ein armer Verwandter der königlichen Familie. Er hatte aber einen guten Charakter, sodass die Ehe zumindest am Anfang glücklich war. Am Bayreuther Hof gab es jedoch auch viele Intriganten, die das Prinzenpaar entzweien wollten.

„Notre Dame de Bayreuth“
Das damalige Markrafentum Bayreuth mit einer Fläche von 450 Quadratkilometern gehörte zusammen mit Ansbach und Kulmbach ab 1791/92 zu Preußen. 1806 wurde es von Napoleon eingenommen und vier Jahre später in Bayern eingegliedert. Die frisch verheiratete Wilhelmine kam am 22. Januar 1732 dorthin. Zu ihren Ehren feuerte man drei Kanonensalven ab, und der Bürgermeister begrüßte sie offiziell. Dann ging sie zum Palast, wo sie die abgenutzten Gemälde an der Decke und verbrauchte Möbel sah. Aus dem Polster kamen Fäden heraus und die Vorhänge an ihrem Bett fielen auseinander.

Die Markgräfin begann sofort, Veränderungen vorzunehmen. Später als die intelligenteste Frau im Deutschland des 18. Jahrhunderts sowie als „Notre Dame de Bayreuth“ bezeichnet, hinterließ Wilhelmine einige wichtige Erinnerungsstücke in dieser Stadt. Ihr ist die Gründung des ersten Rokoko-Operntheaters zu verdanken, das seit Juli 2012 auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste steht.

Das Markgräfliche Opernhaus entstand in den Jahren 1744 bis 1748 nach dem Entwurf vom italienischen Architekten Giuseppe Galli Bibiena und dessen Sohn Carlo. Natürlich überschattete das Wagner-Festspielhaus den Ruhm von Wilhelmines Theater, das heute Museumsstatus hat, man organisiert jedoch in seinem Inneren Konzerte. Seit 2020 findet dort das Festival Bayreuth Baroque statt, das bereits internationales Ansehen erlangt hat. Seit 2008 vergibt die Stadt Bayreuth jährlich den Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis für Toleranz und Humanität in kultureller Vielfalt in Höhe von 10.000 Euro an politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Persönlichkeiten.

Nach dem Schlossbrand 1753 befahl Wilhelmine, auf den Ruinen eine Residenz im französischen Stil zu errichten. Die Markgräfin gründete ebenfalls die Schlosskirche, die ursprünglich calvinistisch war, weil sie dieser Religion angehörte. Die Kirche wandelte man später in eine katholische um, aber eine Bronzebüste ihrer Gründerin steht in dem umliegenden Garten. Ein ebenso wichtiges Andenken von Wilhelmine ist der Sommerpalast „Eremitage“, den sie 1736 als Geschenk ihres Mannes erhielt und für dessen Erweiterung sie mithilfe des Architekten Saint-Pierre sorgte. Der benachbarte Wald verwandelte sich in einen Park mit einer Orangerie und einem antiken Sommertheater. Diesen Ort mögen besonders Studenten der Universität Bayreuth, die sich dort an warmen Tagen auf Prüfungen vorbereiten. Sonntags gehen ganze Familien in den Park spazieren.

Selbst Napoleon verehrte sie später
Auch als verheiratete Frau gab die Markgräfin ihre früheren Leidenschaften nicht auf. Sie gründete die Akademie der Künste in Bayreuth, an der die Meister aus Frankreich und Italien unterrichteten. Von 1740 an korrespondierte sie mit dem Philosophen Voltaire, der Bayreuth häufig besuchte und an vielen von ihr initiierten intellektuellen Veranstaltungen teilnahm. Sie spielten zusammen in Jean Racines Tragödie „Bajazet“. Am 14. Oktober 1758 starb Wilhelmine in ihrem Lieblingsort Bayreuth.

Zum ersten Mal veröffentlichte man ihre Memoiren im Jahr 1810. Napoleon nannte dieses Ereignis „die zweite Schlacht von Jena“, das heißt: Niederlage und Lächerlichkeit. Wilhelmine stellte die Beziehungen sowohl am Berliner als auch am Bayreuther Hof ohne Verzierungen dar. Deshalb versuchten die Historiker zunächst, sie zu diskreditieren. Sie behaupteten, die Markgräfin habe absichtlich die Wahrheit manipuliert oder an einer Geisteskrankheit gelitten. Die Leser hielten jedoch ihre Beschreibungen für glaubwürdig, und es gab weitere Editionen davon. Sogar ins Polnische wurden sie 1973 übersetzt. Bereits die ersten Seiten führen uns in die höfische Welt ein, und wir beginnen, sie mit dem kritischen, aber objektiven Auge der Autorin zu beobachten.


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Kommentare

Jolan Lada-Zielke am 01.07.24, 13:25 Uhr

Hallo,
Wilhelmine hat ihre Memoiren auf Französisch geschrieben. Ihre deutschsprachige Ausgabe lautet: "Memoiren einer preußischen Königstochter.: Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Übersetzung, Nachwort und Personenverzeichnis von Günter Berger". Ich hoffe, das kann Ihnen helfen.

A. Lorenz am 29.06.24, 12:14 Uhr

Hallo,
sehr interessant geschriebener Artikel, welcher mit Lust gemacht hat, die am Ende beschriebenen Memoiren zu lesen. Kann mir jemand - evtl. der Autor - schreiben, wie genau diese heißen?
Danke.

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