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Beim Bücherkauf 1973: Graham Greene
Foto: imago/United Archives InternationalBeim Bücherkauf 1973: Graham Greene

Literatur

Ein seltsamer Heiliger

Autor von „Der dritte Mann“ – Vor 120 Jahren wurde der Schriftsteller Graham Greene geboren

Ansgar Lange
23.09.2024

„Sex, Katholizismus, Sadismus und wieder Sex“: Mit diesen Worten hat der britische Schauspieler und Dramatiker Noël Coward in seinen Tagebüchern eines der Werke seines Landsmanns Graham Greene beschrieben. Diese Charakterisierung fasst das schillernde Wesen des Autors von Bestsellern wie „Die Kraft und die Herrlichkeit“, „Der dritte Mann“ oder „Der Honorarkonsul“ gut zusammen.

Heute ist der am 2. Oktober 1904 geborene Greene ein wenig in Vergessenheit geraten. Doch lange Zeit galt er als dezidiert katholischer Autor, später als linker Großschriftsteller mit einer saftigen anti-amerikanischen Note. Greene hat nie den Nobelpreis für Literatur erhalten, weil er als Bestseller-Autor ernsthafte Themen auf eine unterhaltsame Weise geschildert hat, oft in der Form eines Spannungsromans. Neben Eric Ambler hat er jedoch Polit-Thriller mit höchsten literarischen Ansprüchen geschrieben.

Die Charaktere in Greenes Büchern sind oft gebrochen, die Landschaft ist trist und schäbig, es geht viel um Sünde, Ehebruch, Verrat, Religion, Verbrechen oder auch Kolonialismus.

In seiner Trauerrede auf den CSU-Politiker und Strauß-Einflüsterer Wilfried Scharnagl hat Peter Gauweiler geschrieben, dass dieser kurz vor seinem Tod Greenes Roman „Der stille Amerikaner“ gelesen habe. Dieser schmale Vietnam-Roman aus dem Jahr 1955 ist ein perfekter Einstieg in das Werk des Großneffen von Robert Louis Stevenson und auch heute noch lesenswert. Denn dort porträtiert sich Greene selbst in der Person des Erzählers, eines zynischen englischen Journalisten, „der aus dem Leben an Lustgewinn herausholt, was irgendwie drin ist“ (Hans-Peter Schwarz).

In der Person des „stillen Amerikaners“ namens Pyle beschreibt Greene einen negativen Helden, der mit seinen ab­strakten Ideen von Demokratie und der vermeintlichen Vorbildfunktion der Vereinigten Staaten vielleicht das Gute will, aber das Schlechte schafft. Man kann sich vorstellen, dass Gauweiler und auch Scharnagl dieser desillusionierte Blick auf die Weltpolitik gut gefallen hat.

Bei Greene ist man sich nie sicher, was Wahrheit und was Lüge ist. So hat er zwar mit dem Ruf als katholischer Autor kokettiert, aber zugleich seine Ehefrau betrogen und die Bordelle in aller Herren Länder fleißig aufgesucht. Viele seiner Romane wurden verfilmt, so „Der Dritte Mann“, der im Schwarzmarktmilieu des Nachkriegs-Wiens spielt. Orson Welles ist als zwielichtiger Harry Lime genauso unvergessen wie die Zithermusik des Österreichers Anton Karas oder die Verfolgungsjagd in der Wiener Kanalisation. In der Bundesrepublik fanden Greenes Werke als preiswerte rororo-Taschenbücher seit den 1950er Jahren reißenden Absatz.

Greene, dessen Helden oft anti-amerikanisch, anti-kapitalistisch und anti-heroisch sind, war inoffizieller Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes. Wäre dies zu seinen Lebzeiten publik geworden, so hätte dies dem Ruf des Linkskatholiken, der seine letzten Lebensjahrzehnte aus Steuergründen in der Schweiz verbrachte, wohl erheblich geschadet. Ein Mann voller Widersprüche, dem Langeweile immer ein Gräuel war.


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