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Kaum noch Platz für einen Gedenkort: Der für Wohn- und Gewerbeflächen neu erschlossene Hamburger Baakenhafen in der HafenCity
Bild: imago/Stephan WallochaKaum noch Platz für einen Gedenkort: Der für Wohn- und Gewerbeflächen neu erschlossene Hamburger Baakenhafen in der HafenCity

Kolonialgeschichte

Ein verbautes „Tor nach Afrika“

Hamburg sucht in seiner HafenCity nach einen Gedenkort an die deutsche Kolonialvergangenheit

Dagmar Jestrzemski
11.05.2025

In Hamburgs ehemaligem Freihafengebiet wird der neue Stadtteil HafenCity weiter ausgebaut. Im Südosten des Stadtzentrums entsteht auf der ehemaligen Nutzfläche des Baakenhafens ein neues Wohngebiet zwischen der Elbe und dem Hafenbecken. Aktuell ist der Vorschlag im Gespräch, ein neues Opernhaus „von Weltrang“ am Baakenhöft zu errichten, dem äußersten Ende des Areals in Form einer Landzunge. Die Idee stammt von dem Logistikunternehmer, HSV-Mäzen und Milliardär Klaus-Michael Kühne, der die Kosten für den Bau übernehmen möchte.

Mittlerweile ist nur noch wenig unverplanter Raum im Quartier Baakenhafen vorhanden. Höchste Zeit also, um hier einen geeigneten Erinnerungsort zum Gedenken an die koloniale Vergangenheit des Deutschen Reiches und den Auseinandersetzungen mit den Volksgruppen der Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, ausfindig zu machen. Darum bemühen sich die Mitglieder einer Initiative des Netzwerks HafenCity.

Von 1900 bis 1907 fanden im Baakenhafen mindestens 86 Truppen- und Materialtransporte statt, die meisten davon während des Kolonialkriegs in Namibia von 1904 bis 1907. Dabei dürfte auch Hamburgs Bedeutung als Drehscheibe für den Import von Kolonialwaren aus den überseeischen Kolonien während und nach der Zeit des Deutschen Kaiserreichs herausgestellt werden. Über 130 Jahre war der Baakenhafen „das Tor nach Afrika“. Hier wurde der Import von Zucker, Kaffee, Kakao, Tabak und Gewürzen aus den Kolonialgebieten abgewickelt.

2015 erkannte die deutsche Regierung das kriegerische Vorgehen an den Herero und Nama in einem offiziellen Dokument des Auswärtigen Amts als Völkermord an. Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht in Namibia.

Nach Angriffen gegen die deutsche Schutzmacht ging diese militärisch gegen die einheimischen Kämpfer vor, um die Herrschafts- und Siedlungsgebiete zu verteidigen. Der Aufstand der Herero im Januar 1904 wurde durch das Beschlagnahmen von Weideland durch die deutschen Besatzer ausgelöst und begann mit Angriffen auf strategisch wichtige deutsche Einrichtungen und Siedler.

Kaiser Wilhelm II. befahl, den Aufstand in der Kolonie „mit allen Mitteln“ niederzuschlagen. Unter dem neuen Oberbefehlshaber Generalleutnant Lothar von Trotha begann schließlich ein kolonialer Feldzug. Am Petersenkai im Baakenhafen legten bis 1908 die zu Truppentransportern umgebauten Handelsschiffe der Woermann-Linie ab, die einen Teil des Hafens gepachtet hatte. Rund 23.100 Militärangehörige und 11.000 Pferde wurden dort eingeschifft oder kehrten dorthin zurück. Die Soldaten und Offiziere verstärkten die zahlenmäßig überschaubare deutsche Schutztruppe bei ihrem Kampf gegen die Aufständischen.

Wettlauf um kritische Ressourcen
Während der bis 1908 andauernden Kämpfe starben nach Schätzungen 65.000 Herero und 10.000 Angehörige des Volkes der Nama. Nachdem Kämpfer der Herero in die Omaheke-Wüste ausgewichen waren, verdurstete eine unbekannte Anzahl von Menschen elendig. Die Überlebenden wurden in damals im Deutschen erstmalig sogenannten, aber von den Briten eingeführten Konzentrationslagern interniert und mussten Zwangsarbeit verrichten. Fast die Hälfte der Gefangenen starb an den Folgen von Mangelernährung, Krankheiten und Misshandlungen.

Anfang des Jahres fand auf Initiative der AG Baakenhafen mit Mitarbeitern der Forschungsstelle „Hamburgs (post)koloniales Erbe“ an der Universität Hamburg ein Rundgang durch das neue Viertel Baakenhafen mit anschließender Diskussion statt. Es fragt sich, ob die Beteiligten an der Suche nach einem Gedenkort an die Kolonialgeschichte des Deutschen Reiches ihre Aufmerksamkeit auch auf die gegenwärtige Situation in Afrika richten. Immer mehr Organisationen prangern die Ausbeutung der Menschen und der Natur in Afrika an, die insbesondere von den ehemaligen Kolonialmächten, darunter auch Deutschland, im Zeichen der Energiewende ungeniert fortgesetzt wird.

Auch das Bündnis „Gemeinsam für Afrika“ mit Sitz in Berlin kritisiert auf seiner Internetseite den „grünen Kolonialismus als neue Form der Kolonialisierung“. Zahlreiche Prominente unterstützen die Organisation, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Schirmherr.

In einem Artikel mit dem Titel „Grüner Kolonialismus – ein grüner Wettlauf um kritische Ressourcen in Afrika“ heißt es: „Diese Art des Ressourcenabbaus in Ländern des Globalen Südens und zum Wohle des Globalen Nordens erinnert sehr an die Strukturen aus Zeiten des Kolonialismus.“ Dabei kommt das deutsch-namibische Wasserstoffabkommen „Hyphen Hydrogen Energy“ an der südlichen Atlantikküste Namibias in den Blick.

Es handelt sich um eine Kooperation des brandenburgischen Energieunternehmens Enertrag mit der britischen Nicholas Holdings. Gigantische Wind- und Solarparks südlich der Kleinstadt Lüderitz sollen auf rund 2000 Quadratkilometern im Tsau/Khaeb-Nationalpark der Namib-Wüste entstehen. Hier, im Diamanten-Sperrgebiet, hat sich ein einzigartiges Biotop entwickelt, angepasst an die aride – also trockene – Region. Geplant ist, mit „grünem“ Strom aus Wind- und Solarenergie eine Wasserstoff-Fabrik am Hafen von Lüderitz zu betreiben.

Aussöhnung wird infrage gestellt
Die sogenannte „saubere“ Energie in Form von Wasserstoff und Ammoniak ist zumindest anteilig für den Export nach Deutschland und Europa bestimmt. Während arme Menschen in der Region wieder mal auf ein Jobwunder hoffen, regt sich im ganzen Land Protest nicht nur wegen der Zerstörung des bislang streng geschützten Biodiversitäts-Hotspots.

Aktivisten und Nachkommen der im Kolonialkrieg ermordeten Menschen wollen es nicht hinnehmen, dass die Halbinsel Shark Island in der Lüderitzbucht, auch Death Island genannt, durch den Bau des geplanten Tiefseehafens ganz oder teilweise zerstört wird, noch dazu ausgerechnet durch ein deutsches Unternehmen.

Seit 2019 ist Shark Island ein nationaler Gedenkort an die Verstorbenen im Konzentrationslager auf der Insel während der deutschen Kolonialherrschaft. Wegen der grauenhaften Zustände starben 1000 bis 3000 Menschen im Lager und später auf dem Festland an Unterernährung und Krankheiten. Die Vertreter der betroffenen Volksgruppen erklären, dass eine Aussöhnung beider Länder auf der Basis bisheriger Verhandlungen nicht stattfinden kann.

In einem Artikel vom 17. Februar auf dem Portal „www.theconversation.com“ schreiben die Autoren: „Europäische Länder und Industrien verursachen fortgesetzt ökologische, soziale und kulturelle Schäden zugunsten ihrer eigenen Klimaagenda. Namibias Meeresküste und ‚Shark Island' sind kein leerer Raum, der zur Ausbeutung für Europas zukünftige Energieversorgung zur Verfügung steht. Wir brauchen für eine echte Aussöhnung ein tieferes Verständnis für die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.“


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