Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Die Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses soll wiederholt werden. Was das Debakel vom Herbst 2021 über unsere politische Landschaft aussagt
Das waren noch Zeiten, als es zum von den Tatsachen gedeckten Selbstbild der Deutschen gehörte, dass in ihrem Land alles Wesentliche klappt! Dafür braucht es freilich ein Alltagsleben, das geprägt war durch Genauigkeit und Sorgfalt, Umsicht und praktizierte Pflichtenethik. Seit aber die sich an der Spitze menschlicher Aufgeklärtheit dünkenden Sozialdemokraten und Grünen entdeckten, dass man mit derlei „Sekundärtugenden“ auch „ein Konzentrationslager betreiben könne“, gerieten jene Werte in Misskredit. Der ultimative Billigsieg über Rassismus und Faschismus wird dann sozusagen dadurch möglich, dass man das Land durch Schlamperei um sein Funktionieren bringt. Doch natürlich stellt man im öffentlichen Raum durch Graffiti oder Schmierereien auch seine „Primärtugenden“ zur Schau. Derzeit bestehen sie oft in Rechthaberei, hochfahrender Aggressivität und Belästigung anderer im Dienst einer imaginierten Welterlösung.
Eben diese Züge verfallener bürgerschaftlicher Gesinnung und Praxis sind an der Tragikomödie der Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus und Bundestag unübersehbar. Was da alles schieflief an falsch oder gar nicht zugestellten Wahlzetteln, am Ende auch an willkürlichen Öffnungszeiten der Wahllokale, passt ja auch bestens zu einer Stadt, die einst als „Spree-Athen“ glänzte, jetzt aber entlang ihrer vor Jahren gelobten Selbstbeschreibung als „arm, aber sexy“ allzu oft nur Nuttencharme entfaltet. Und wenn eine Stadt weder ihr Drogenproblem in den Griff zu bekommen noch in konkurrenzfähiger Frist einen Flughafen zu bauen vermag, wenn sie auch keine klaren Verwaltungszuständigkeiten zu entwickeln versteht und ihre Bürger monatelang auf einen Termin für die Beantragung eines Führerscheins warten lässt: dann muss man sich auch darüber nicht wundern, dass Berlin trotz – theoretisch – jahrzehntelangen Erfahrungen mit der Durchführung von Wahlen ebenfalls darin versagte.
Viele Symptome, die gleiche Krise
Noch empörender ist freilich die Nonchalance, mit der die Missstände zunächst weggelächelt werden sollten. Gottlob gibt es immer noch Richter in Berlin, nötigenfalls auch in Karlsruhe. Doch obendrein verstören die versuchten Spielchen um jene Wahlbezirke, in denen auch die Bundestagswahl erneut durchzuführen wäre – zumindest solche Beobachter, die von demokratischen Grundsätzen nicht lassen wollen. Und wie verträgt sich eigentlich jene moralische Arroganz, mit der Deutschlands Linke seit Jahren den Ungarn kommt, mit der opportunistischen Handhabung des eigenen Wahlrechts und dessen fraktionsvergrößernder Wirkung im Fall von drei errungenen Direktmandaten? Natürlich gar nicht! Nur ficht das unsere Gutmenschen nicht an. Sie merken auch nicht, dass ihre Generation, die außerhalb des politischen Betriebes selten Handfestes gelernt hat, mit ihrer Neuerungs- und Belehrungslust weit oberhalb der Verhältnisse ihrer politischen Bildung und ihrer Fähigkeiten lebt, reale Zusammenhänge zu durchschauen und dann verlässlich umzugestalten.
Das Scheitern bei der Organisation der Berliner Wahl und der Zusammenbruch energiepolitischer oder pazifistischer Positionen sind diesbezüglich nur unterschiedliche Ausprägungsformen des gleichen Grundproblems. Es besteht darin, dass uns verzogene, ideologieverliebte Politiker durch die wahrhaft vielen Krisen unseres Landes hindurchsteuern sollen. Die reichen von Russlands Krieg in der Ukraine über das anhaltende Migrationsgeschehen und die von der Regierungskoalition sogar noch gesteigerte Magnetkraft unseres Sozialstaates bis hin zur Unfähigkeit, mit politisch sehr anders Denkenden vernünftig über notwendige Entscheidungen zu diskutieren.
Es mag ja sein, dass die Bewältigung des Berliner Wahldesasters nur eine vergleichsweise kleine Herausforderung ist. Doch wie soll man einer Politikerschaft vertrauen, die schon so schlichte Probleme nicht abzuwenden vermag?