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Krisenmanagement

Eine Krise mit Ansage

Erst missachtete das Innenministerium Warnungen – nun wirkt es wie paralysiert

Wolfgang Kaufmann
09.04.2020

In Extremsituationen wie der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie, aber auch bei Naturkatastrophen, zwischenstaatlichen Konflikten und ähnlich brisanten Lagen müssen koordinierte Maßnahmen zur Bewältigung der Krisen getroffen werden. Diese fallen unter den Sammelbegriff „Krisenmanagement“, der auf den US-Präsidenten John F. Kennedy zurückgeht.

Föderale Strukturen als Hemmnis

Das Problematische an tiefgreifenden Krisen ist meist, dass weder die gewohnten Handlungsstrategien zum Ziel führen noch ausreichende Ressourcen oder Informationen über alle relevanten Details vorhanden sind. Darüber hinaus erweisen sich bisher hochgeschätzte Experten plötzlich als hinderlich, weil sie vorrangig auf der Basis früherer Erfahrungen urteilen und diverse Barrieren im Kopf haben, was kreative neue Lösungen betrifft.

Nach Ansicht des renommierten französischen Krisenforschers Patrick Lagadec sollten deshalb Personen mit einbezogen werden, welche die Fähigkeit besitzen, das Überraschende zu erwarten und das scheinbar Undenkbare zu denken. Dennoch stützen sich die meisten Staaten bei ihrem präventiven und akuten Krisenmanagement weiterhin nur auf etablierte Fachwissenschaftler, was auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt.

Im Falle der Bundesrepublik sorgen deren föderale Strukturen noch für zusätzliche Handlungsblockaden. Wenn der Bundesstaat durch Schadensereignisse in existenzielle Not gerät, müssen sich der Bund und die Länder gemäß dem Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz in der aktuellen Fassung vom 29. Juli 2009 permanent miteinander abstimmen, was zu endlosem Kompetenzgerangel und fatalen Reibungsverlusten führt.

Daran ändert auch die „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ nichts, auf die sich die Innenminister und -senatoren der Länder am 6. Dezember 2002 verständigt haben. Im Falle von Krisen wie der derzeitigen sollte eigentlich das Bundesministerium des Innern (BMI) mit dem ihm untergeordneten Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn-Lengsdorf an vorderster Stelle aktiv werden. Allerdings sind diese beiden Institutionen in puncto Krisenmanagement auffällig unzulänglich, was auch schon lange vor der Corona-Krise zutage trat.

Zur neuen Strategie beim Bevölkerungsschutz gehört seit 2010, „ressortübergreifende Risikoanalysen“ durchzuführen, um Vorkehrungen für drohende Krisen treffen zu können und nicht kalt von diesen überrascht zu werden. Diese Aufgabe obliegt einem sogenannten Lenkungsausschuss beim BMI, der die großen Leitlinien vorgibt, und einem „Arbeitskreis“ des BBK, der die konkreten Szenarien entwickelt, derer man unter Umständen durch entsprechende Maßnahmen im Rahmen des staatlichen Krisenmanagements Herr werden muss.

Drucksache prophezeite Engpässe

Im Ergebnis dieser Regelung entstanden jährliche „Berichte zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz“, mit denen der Deutsche Bundestag als gesetzgebendes Organ Informationen über potenzielle Gefährdungslagen erhielt. So auch vermittels der Drucksache 17/12051 vom 3. Januar 2013. Darin findet sich unter anderem die Beschreibung einer möglichen Pandemie aufgrund des SARS-Virus, die bemerkenswert präzise schildert, was dem Lande in einem solchen Falle drohen kann, und eindringlich davor darauf hinweist, wie wenig gerüstet die Bundesrepublik sei. So wurden gravierende Engpässe bei Schutzausrüstungen prophezeit.

Trotzdem zogen weder das BMI noch das BBK Konsequenzen hieraus.


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