Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
In 26 Kapiteln wollen 18 Autoren aus dem Ressort Geschichte des „Spiegel“ bislang wenig beachtete Aspekte des deutschen Kolonialismus aufarbeiten. Ihre Bewertung bleibt jedoch einseitig und greift zu kurz
In deutschen Geschichtsbüchern spielt die eigene Kolonialgeschichte kaum eine Rolle. Das hier besprochene Buch soll ein Impuls dafür sein, die bisher kaum stattgefundene Auseinandersetzung mit diesem Kapitel deutscher Vergangenheit anzuschieben. Die Autoren beklagen zu Recht fehlende oder kaum vorhandene Materialien in den staatlichen Archiven, kaum Erinnerungen von Zeitzeugen, die aus biologischen Gründen immer weniger werden, dafür haben Überlieferungen und Erzählungen – schriftlich und mündlich – von Nachgeborenen eine wichtige Bedeutung.
Die afrikanischen Universitäten beispielsweise in den Nachfolgestaaten ehemaliger deutscher Kolonien wie Namibia oder Tansania stehen erst am Beginn einer systematischen Erforschung der Zeit, als sie selbst unter Fremdverwaltung standen. Auch an den deutschen Universitäten ist das Angebot dieses Themas bisher spärlich, allerdings gibt es Einzelbeiträge bekannter Historiker wie etwa Hans Herzfeld oder Gerhard Ritter, Verfasser und Herausgeber des Handbuchs „Die Moderne Welt 1789–1945“ in den 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts, ein Standardwerk vieler Geschichtsstudenten.
Diese Zurückhaltung beginnt sich zu ändern, was unter anderem Ziel dieses Buches nach Aussage der Autoren sein möchte. Die 26 Sachbeiträge schildern sehr verschiedene Episoden, Eindrücke, Erfahrungen, überwiegend aus unterschiedlichen Perspektiven der Kolonialherren, weniger wird die Sicht der Einheimischen behandelt.
Die Sicht der Einheimischen wurde bisher wenig behandelt
Ein Kapitel nennt Sammlungsstücke in deutschen Museen, über deren Rückgabe an die heutigen Staaten der ehemaligen Kolonien gesprochen werden soll, dies wird in der interessierten Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Die Lektüre des Buches sollte mit dem Kompendium beginnen, das die einzelnen Interessengebiete und Kolonien in Afrika und der Inselwelt Südostasiens und auch in China in Geschichte und Geographie vorstellt.
Tatsächlich liegen die Vorläufer deutscher Kolonien bereits im 16. Jahrhundert. Reiche deutsche Kaufleute, bespielsweise die Welser und die Fugger aus Augsburg, hatten große Ländereien in Übersee in Besitz genommen und bauten ihre Herrschaft dort aus. Die eigentliche Kolonialzeit des Deutschen Kaiserreiches war nur kurz, von 1884 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Das besiegte Deutschland musste seine Überseegebiete an andere Kolonialmächte, wie England und Frankreich, abtreten.
Das Kompendium wird ergänzt durch die Chronik des deutschen Kolonialismus. Hier wird der Bogen vom 16. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart gespannt. Einige Bilder ergänzen und illustrieren die Darstellungen. Diese Empfehlungen werden begründet, weil sie Grundkenntnisse vermitteln. Angesichts der weitgehenden Unkenntnis über die eigene Kolonialgeschichte in der deutschen Bevölkerung ist das ein Baustein, eine Art Einführung. Dies wird verstärkt durch die Rubrik SCHNELLES WISSEN im Anschluss an einige Kapitel wie „Was waren Kolonialwaren“ oder „Worum ging es bei der Kongo-Konferenz?“ Die Kongo-Konferenz fand unter Leitung des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck 1884/85 mit der Teilnahme der wichtigsten Kolonialänder wie Großbritannien, Frankreich oder der Niederlande statt.
Ein einseitig negatives Bild deutscher Kolonisten und Militärs
In dem Buch wird durchgehend ein sehr negatives Bild über die Praxis deutscher Kolonisten und Militärs über die Behandlung der Eingeborenen vermittelt. Ein Kapitel lautet „Deutsche Kolonialisten waren international berüchtigt für brutalste Prügelstrafen“. Ein weiteres Zitat eines namentlich bekannten deutschen Kolonisten zeigt einen menschenunwürdigen Rassismus: „Für jeden Weißen, der unter Eingeborenen gelebt hat, ist es nicht gut möglich, dieselben als Menschen im europäischen Sinne anzusehen; sie müssen erst mit endloser Geduld, Strenge und Gerechtigkeit im Laufe der Jahrhunderte dazu erzogen werden“. Diese Aussage wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemacht, sie soll als typisch für deutsche Siedler und Militärs in den afrikanischen Kolonien des Deutschen Reiches dargestellt werden.
Nach Ansicht der Herausgeber und wohl auch der Autoren ist das Deutsche Kaiserreich eine Kolonialmacht wie England, Frankreich oder die Niederlande gewesen, nur für einen kürzeren Zeitraum, aber mit allen Attributen der Behandlung der einheimischen Bevölkerung und der wirtschaftlichen Ausbeutung. Diese war allerdings für Deutschland gering.
Die Eingangsfrage, ob das Buch hilfreich sein kann für eine sachkundige Auseinandersetzung mit deutscher Kolonialgeschichte, muss mit einem bedingten „Ja“ beantwortet werden: Die ergänzenden Materialien zur Einführung sind positiv zu beurteilen. Die Geschichte der deutschen Kolonien ist keine Kette von Grausamkeiten an einheimischen Menschen. Dieser Eindruck könnte bei der Lektüre des Buches entstehen. Das ist für eine Geschichte des deutschen Kolonialismus zu kurz gegriffen.