15.03.2025

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Die Sumpfgebiete von Masuren waren reich an Sumpferz und Raseneisenerz
Foto: mauritius images/Mikolaj GospodarekDie Sumpfgebiete von Masuren waren reich an Sumpferz und Raseneisenerz

Industrie Historie

Eisernes Masuren

Mit Sumpferz ging es vor über 2000 Jahren los, bis 1878 die letzte masurische Eisenhütte aufgegeben wurde

Irmgard Irro
15.03.2025

Fast vergessen ist – würde man nicht in der Literatur über Ostpreußen einen Nachweis darüber finden –, dass es in früheren Jahrhunderten in Masuren eine bedeutende Eisenindustrie gab. Raseneisenerz ist früher in diesem grenznahen Landstrich in Ostpreußen in größerem Maßstabe gewonnen und ebenso verwendet worden.

In Masuren ziehen sich am Südabhang des Baltischen Höhenrückens ausgedehnte niedrig gelegene Sandebenen dahin, in denen flache, seichte Moore und sumpfige Strecken eingesenkt sind. Speziell am Rande dieser Sumpfniederungen waren größere Raseneisenerzlager vorhanden, die von alters her der einheimischen Bevölkerung bekannt und von ihr zum Teil oder ganz im Laufe der Zeiten abgebaut worden sind. Sogar schon in vorgeschichtlicher Zeit mag es deshalb im südlichen Teil Ostpreußens einfachste Anlagen gegeben haben, in denen sogenanntes Sumpferz verarbeitet worden ist.

Etwa um Christi Geburt entfaltet sich in Westmasuren vor eben über 2000 Jahren eine reiche und vielgestaltige Eisenkultur, die wahrscheinlich bald auch die heimischen Eisenlager auszunutzen und die im eigenen Boden lagernden Metallschätze – wie später der Deutschritterorden – selbst zu verhütten verstand.

Jahrhundertelange Produktion
Während der fast 200-jährigen Siedlungsarbeit des Deutschritterordens bedeutete die Kultivierung der Wildnis zweifellos eine beträchtliche Vermehrung der Staatseinkünfte. An zahlreichen Flüssen und Bächen drehten sich nicht nur Wasserräder von Mühlen. Es hallten auch die Schläge von Eisenhämmern, welche gerade das in dieser Gegend so häufige Raseneisenerz verarbeiteten. Solche ordenszeitliche Eisenhämmer standen, wie nachfolgend nochmals erwähnt, in Kommusin, Symen (Schönau), Willenberg, Kutzburg, Malga, Rhein und ebenso in Hammerrudau.

Im Mittelalter waren im südlichen Masuren mehrere primitive Eisenschmelzöfen, kleine Eisenhütten und Eisenhämmer vorhanden, in denen das Raseneisenerz der Umgegend verhüttet wurde. Urkundlich, in den Rechnungsbelegen des Deutschen Ordens, lässt sich zum Ende des Mittelalters, und zwar aus dem Jahre 1409, nur das Eisenwerk bei Willenberg, das damals noch Wildenberg hieß, nachweisen. Diese Eisenhütten produzierten mehrere Jahrhunderte lang. Um 1570 gab es das Eisenwerk bei Willenberg nahe der Stadt, und ein weiteres bei Kutzburg (Kottenberg), nördlich von Willenberg gelegen, wo noch bis ins 19. Jahrhundert ein Berg mit schweren Eisenschlacken die Stätte der alten Eisenhütte nachwies. Ferner standen Eisenhämmer bei Malga, Schönau, Kommusin, Babienten, Waldpusch und bei Rosenkrug, das nordwestlich von Löbau gelegen ist. Allmählich verschwanden die alten Eisenhütten, von denen als letzte Kutzburg und Malga noch bis Anfang 19. Jahrhunderts existierten.

Einfacher Arbeitsverlauf mit kluger Technik
In diesen kleinen masurischen Eisenhütten bediente man sich eines sehr einfachen Schmelzverfahrens für die Eisenerze, wie nachfolgend beschrieben:

Anstatt wie in den Hochöfen noch Anfang 20. Jahrhunderts Roheisen herzustellen, das dann erst durch weitere Behandlung in anderen Schmelzöfen zu Schmiedeeisen und Stahl umgestaltet wird, gewann man damals durch einfaches Ausschmelzen der Erze mit Holzkohle in kleinen Feldöfen unmittelbar ein schmiedbares Eisen. Natürlich konnte das nur in einem Kleinbetrieb und auf sehr unwirtschaftliche Art geschehen, denn es war nur möglich, ein Drittel des Gehalts der Erze auf diese Weise auszuschmelzen. Zwei Drittel hingegen blieben in den Schlacken ungenutzt zurück. Überall, wo man die ungemein schweren Eisenschlacken, die bis 66 Prozent Eisengehalt besaßen – die besten Raseneisenerze wiesen selbst durchschnittlich nur
33 Prozent Eisengehalt auf – in der Nähe solcher alten Eisenhütten fand, konnte man sicher sein, dass das Metall auf diese uralte, einfache Art in kaum mannshohen Schachtöfen erschmolzen worden ist.

Diese überaus primitiven Eisenschmelzöfen waren aus Feldsteinen erbaut und ganz mit Lehm ausgeputzt und verstrichen. Der Ofen stand auf schwer schmelzbaren Fundamentsteinen, zwischen denen Lücken für das Schlackenabziehloch und Windöffnungen für die Blasebälge sich befanden.

Der Schmelzvorgang ging etwa folgendermaßen vor sich:

Zunächst wurde Feuer in den Herd gebracht und der Ofen mit Holzkohlen teilweise angefüllt. Dann wurden die bis Walnussgröße zerschlagenen kleinen Stücke von Raseneisenerz abwechselnd mit Lagen von Holzkohle darüber aufgebaut, bis der ganze Schmelzofen gefüllt war. Sobald der Ofen dann allmählich brannte, bedienten die Hüttenleute die Blasebälge, um das Feuer kräftig anzufachen und den Schmelzprozess einzuleiten.

Durch die erzeugte Glut wurde allmählich das Eisen reduziert und es bildete sich eine zähflüssige, eisenreiche Schlacke, die man von Zeit zu Zeit durch das Schlackenziehloch abließ. Auf dem Boden des Ofens setzte sich der langsam wachsende Eisenklumpen ab. Wenn dieser endlich die nötige Größe und Beschaffenheit zeigte, war der Schmelzprozess beendet, der Wind von den Blasebälgen wurde dann eingestellt, Kohlen und Schlacken aus dem Ofen herausgekratzt und die auf der Sohle liegende Eisenmasse, die sogenannte „Luppe“ oder auch „Wolf“ genannt, mit Brecheisen und Zangen herausgehoben und weiterbearbeitet.

Die Raseneisenerzverarbeitung wurde mit großem Eifer fortgesetzt. Um 1616 wurden weitere Eisenhämmer errichtet in Kollegienen bei Peitschendorf, in Waldpusch bei Willenberg, in Babienten, in Tautschken bei Gilgenburg, in Hammergehsen bei Johannisburg, in Polommen und bei Jaschkowen und Wiartel.

Wo lag die Eisenhüttenindustrie?
Im 18. Jahrhundert sind in Masuren noch sechs Eisenhütten in Betrieb gewesen. Der bedeutendste Hochofen in neuerer Zeit befand sich in Wondollek, südlich von Johannesburg. Er wurde im Jahr 1805 erstellt. Die aus dem Eisen gegossenen Gegenstände fanden in der ganzen Provinz einen guten Absatz.

Wondollek versorgte ganz Ostpreußen mit eisernen Wirtschaftsgegenständen. Im Jahre 1811 brachte das Wondolleker Hüttenwerk sogar Stabeisen auf den Markt. Aufgrund des Friedens von Tilsit 1807 hatte es jedoch sein wichtigstes Raseneisenerz-Abbaugebiet verloren. Es musste nun das nötige Rohmaterial bis aus der Ortelsburger und Willenberger Gegend beziehen. Trotzdem ergab die Gewinnung von Eisen befriedigende Erträge. Noch in den 1860er Jahren wurden etwa 5000 Zentner Gusswaren, darunter 55.000 Stück rohe und emaillierte Kochgeschirre wie Kochherde, Gewichte, eiserne Töpfe sowie etwa 1200 Zentner Schmiedeeisen gewonnen.

Außer Köhlern und Eisengräbern beschäftigte damals das Werk etwa 50 Fabrikarbeiter. Anders wurde es in den 1870er Jahren: Fabrikation und Absatz gingen allmählich zurück. Der Weltmarkt trat in einen zu erfolgreichen Wettbewerb. Die mangelhaften Verkehrsverhältnisse erschwerten außerdem zu sehr den Versand. Nach wechselnden Zeiten des Niederganges und des Wiederaufschwunges ist die letzte masurische Eisenhütte im Jahre 1878 vom Staat aufgegeben worden.

Wie entstand das Raseneisenerz?
Das Sumpferz, das auch den Namen Raseneisenstein beziehungsweise Raseneisenerz führt, ist hauptsächlich ein Produkt der Humusstoffe. Diese lösen das im Boden befindliche Eisenoxydul auf und führen es in eine innige Berührung mit dem Sauerstoff. Letzterer verwandelt die so entstandene lösliche Verbindung in das unlösliche Eisenoxydhydrat, das auf Grund seiner Schwere zu Boden sinkt und sich dort ansammelt. Es sind darum humusreiche Bodenflächen wie Wiesen und Brüche, die zudem einen nicht zu geringen Feuchtigkeitsgehalt haben, die die Bildung des Sumpferzes besonders begünstigen. Hier wird das Eisen um die Wurzeln abgeschieden und bleibt schließlich liegen. Bei der Weiterentwicklung der Pflanzendecke kommen neue Eisenmengen hinzu, bis endlich Schichten von ganz erheblicher Stärke geschaffen worden sind. Für gewöhnlich ist dem Sumpferz Phosphorsäure beigemengt, manchmal bis zu zehn Prozent und darüber. Dieser hohe Phosphorgehalt macht das Sumpferz leicht schmelzbar, beeinträchtigt aber nicht unwesentlich die Festigkeit der aus ihm hergestellten Gusswaren.

Eiserne Vorkommen in Masuren
Warum aber findet sich das Raseneisenerz ausgerechnet so häufig in Masuren und nicht in ganz Ostpreußen? Allgemein ist die Provinz Ostpreußen arm an verwertbaren Bodenschätzen. Masuren nimmt aber eine Ausnahmestellung ein. Hauptsächlich in den südlicheren Kreisen Johannisburg, Ortelsburg und Neidenburg fanden sich große Vorräte an Raseneisenstein beziehungsweise Sumpferz.

Voraussetzung für die Entstehung des Raseneisenerzes in Masuren ist jedoch ein überwiegend sandiger Boden, wie er in den Kreisen Ortelsburg zu 63,2 Prozent, Johannesburg zu 53,3 Prozent, Sensburg zu 39,3 Prozent und Neidenburg zu
37,9 Prozent vorhanden ist. Vergleichsweise hier die Kreise Goldap zu 8,3 Prozent, Treuburg zu 16,9 Prozent, Lyck zu 18,7 Prozent, Lötzen zu 14,9 Prozent, Osterode zu 29,8 Prozent und das restliche Ostpreußen zu 23 Prozent Sand.

Abschließend ist mit heutigem Wissensstand zu sagen, dass Raseneisenstein für die Landwirtschaft generell sehr schädlich ist. Er macht den Boden undurchlässig und verhindert seine ausreichende Durchlüftung. Dennoch ist die Eisenindustrie in Masuren ein wichtiger Meilenstein im Bereich der Rohstoffverarbeitung und kann auf eine lange wie erfolgreiche Geschichte zurückblicken.


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