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Es wächst zusammen, was zusammengehört

Preußisch- und Österreichisch-Schlesien wachsen rund um Ratibor wieder zusammen

Chris W. Wagner
16.09.2025

Auf einer der ältesten Straßen im oberschlesischen Ratibor [Racibórz] – der Langen Straße [ulica Długa] – sind am letzten Augustsonntag historisches Handwerk und Brauchtum gefeiert worden. Das Ratiborer Museum rief museale Institutionen, Landfrauenverbände und Trachtengruppen aus Oberschlesien zusammen, inklusive aus tschechischen Nachbarregionen, die wie Troppau und dem Hultschiner Ländchen [Hlučínsko] schlesisch sind oder Ostrau [Ostrava], das einst aus Mährisch und Schlesisch Ostrau zusammengeschlossen wurde, enge Verbindungen zu Schlesien aufweisen.

So präsentierten sich junge Frauen auf der Bühne bei einer Trachtenschau. Der westslawische lachische Dialekt mischte sich an diesem Sonntag mit dem oberschlesischen „Wasserpolnisch“, dem Polnischen, Tschechischen und Deutschen. Dies, „weil jeder Schlesier auch ein bisschen Deutscher ist“, erklärt Jiří Neminář vom Museum des Hultschiner Ländchens in Hultschin bezogen auf die Verhältnisse in diesem östlichen Grenzgebiet Schlesiens. „Man war in der Vergangenheit deutsch, dann wieder tschechisch. Meine Oma ist Deutsche, ihre Muttersprache war Deutsch, aber nach dem Krieg wurde sie Tschechin, weil das Deutsche verboten war“, sagt er. Als Städterin hätte sie kein Mährisch oder Lachisch gesprochen. Deshalb spreche die 90-Jährige heute die tschechische Hochsprache. Solche Familiengeschichten hatten Neminář schon als Kind fasziniert und auch zum Studium der Geschichte und zu seiner Arbeit im Museum geführt. Das 2005 entstandene Museum erzählt die Sonderstellung dieser Region, die als einziges Gebiet der Tschechischen und früher der Tschechoslowakischen Republik bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nicht zu Österreich-Ungarn, sondern zu Deutschland gehörte.

Die Hultschiner sehen demzufolge Prag als Hauptstadt Österreichisch-Tschechiens, Hultschin hingegen als Hauptstadt Preußisch-Tschechiens. Bis 1920 war das Ländchen Teil des heute polnischen Kreises Ratibor. Nach dem Münchner Abkommen 1938 wurde das Hultschiner Ländchen wieder dem Deutschen Reich angeschlossen und wurde vom Landratsamt in Ratibor verwaltet. Diese Verbundenheit ist noch heute im Dialekt auf beiden Seiten spürbar.

Aber, „nur noch die Älteren Menschen, die den Krieg oder die unmittelbare Nachkriegszeit noch miterlebt haben, wissen, dass Ratibor und das Hultschiner Ländchen zusammengehörten. Die junge Generation bei uns weiß nichts mehr darüber. Dafür sind wir Museen ja da, um aufzuklären“, sagt Iwona Mogielnicka vom Ratiborer Museum, dem Veranstalter des Festes. Sie organisiert Studienreisen ins Hultschiner Ländchen und ins Museum in Hultschin, mit dem es seit drei Jahren eine enge Zusammenarbeit gibt. „Das Hultschiner Museum zeigt einen sehr guten Film über die gemeinsame Geschichte unserer Region“, sagt sie. Als kleines und noch relativ junges Museum greift die Hultschiner Einrichtung gerne auf die Hilfe der Ratiborer zurück, sagt Neminář.

„Wir wissen, welche Forschung in Ratibor stattfindet und die Ratiborer wissen, was wir in unseren Sammlungen haben. Das ist wichtig, damit wir uns austauschen können. Das gab es vorher nicht“, freut sich Neminář, der bald auf eine gemeinsame Ausstellung hofft.

Fünfzehn Museen konnte Mogielnicka zum Fest mobilisieren. Ihr Ziel ist, „dass die Einrichtungen gut ankommen und keine verstaubten Kämmerchen voller Antiquitäten sind“, sagt sie. So lockt Andrea Węglarzová vom Museum in Ostrau mit der Ausstellung „Licht und Schatten von Ostrau“ über die berühmten Ostrauer Lauben [Lauby]. „Dort hatte sich vom Mittelalter bis zum Abriss der Arkadenbürgerhäuser 1964 das Geschäfts- und Gesellschaftliche Leben Mährisch Ostraus abgespielt, aber auch Prostitution und Glücksspiel“, berichtet sie und verrät, dass sie bereits an der nächsten Ausstellung zum Ostrauer Kaffeehausleben arbeitet, die im Oktober eröffnet wird.

Auch die Ratiborer hätten kulinarisches im Sinn, sagt Mogielnicka, „und werden im Oktober eine Schau zu kulinarischen Traditionen in Ratibor und Hultschin eröffnen“, kündigt sie an und freut sich auf den nächsten Schritt hin zur
Wiederkehr des Zusammengehörigkeits­gefühls.


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