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Ob Frankreichs oder Großbritanniens Kernwaffenarsenale: Beide sind kein Schutz gegen Russland
Anfang der 1960er Jahre bot der französische Staatspräsident Charles de Gaulle dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer an, den nuklearen Schutzschirm der Grande Nation auch über der Bundesrepublik auszubreiten. Diese Initiative fiel allerdings beim „neuen deutschen Freund“ genauso wenig auf fruchtbaren Boden wie eine gleichlautende Offerte von Nicolas Sarkozy gegenüber Angela Merkel im Jahre 2007.
Die Ablehnungen resultierten stets aus der Gewissheit, dass die Sicherheit Deutschlands bereits durch die nukleare Supermacht USA garantiert wurde. Doch dann kam in Washington Donald Trump an die Macht, was in Europa Ängste vor einer Kehrtwende Amerikas beim Schutz der Verbündeten durch atomare Abschreckung auslöste. Vor diesem Hintergrund hielt der Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, im Februar 2020 eine Grundsatzrede in der École de guerre in Paris, der wichtigsten Kaderschmiede des französischen Militärs. Darin regte er einen „strategischen Dialog“ über die künftige Rolle der eigenen Atomstreitmacht bei der Gewährleistung der kollektiven Sicherheit aller Staaten der Europäischen Union an.
Seit Trump ist US-Schutzschirm für Deutschland nicht sicher genug
Damals verhallte Macrons Ruf noch. Doch im März dieses Jahres stieß sein abermaliges Angebot, Europa unter den Schutz der Force de dissuasion nucléaire française zu stellen, um den möglichen Wegfall des US-Schirmes zu kompensieren, angesichts der Wiederwahl von Donald Trump und der unerwartet eher europakritischen Rhetorik Washingtons nicht mehr auf taube Ohren. Besonders aufgeschlossen reagierten dabei der polnische Präsident Andrzej Duda und der präsumtive deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz.
Der deutsche Regierungschef war der Ansicht, weil die Bundesrepublik aufgrund der Restriktionen des Zwei-plus-Vier-Vertrages und des Atomwaffensperrvertrages keine eigenen Kernwaffen besitzen dürfe, sei eine „Teilhabe“ an der französischen wie im Übrigen auch der britischen Atomstreitmacht „durchaus ein Thema, über das wir reden müssen“.
Dabei hatte Macron sehr deutlich signalisiert, welchen maßgeblichen Einschränkungen diese „Teilhabe“ unterliegen würde. Zum einen sei Frankreich im Gegensatz zu den USA nicht bereit, seine Nuklearwaffen außerhalb des eigenen Territoriums zu stationieren; Ausnahmen könne man nur machen, wenn die Lagerorte der Sprengköpfe vom französischen Militär bewacht würden. Zum anderen müsse – „was auch immer geschieht“ – die absolute Entscheidungshoheit über den Einsatz der Waffen in den Händen des französischen Präsidenten liegen.
Damit läuft Macrons Angebot praktisch darauf hinaus, dass die Staaten, welche sich unter den französischen Schutzschirm begeben wollen, für den Erhalt beziehungsweise Ausbau der Nuklearstreitkräfte Frankreichs zahlen sollen, ohne im Gegenzug Mitsprache- oder gar Verfügungsrechte zu erhalten. Da fraglich ist, ob es überhaupt soweit kommt, sucht Paris nun den Schulterschluss mit London. Während des Staatsbesuches von Macron in Großbritannien bei Premierminister Keir Starmer Anfang Juli vereinbarten beide Länder „eine gemeinsame nukleare Abschreckung“.
Russlands Waffenarsenal ist beinahe zehn Mal so groß
Diese dürfte indes kaum ausreichen, um dem potentiellen Hauptgegner Russland Paroli zu bieten. Immerhin verfügt Moskau über 5459 Kernsprengköpfe und mehr als 600 leistungsstarke Trägersysteme in Form von land- oder seegestützten Interkontinentalraketen und Langstreckenbombern. Ein wirksames Gegengewicht hierzu bietet nur die nukleare Triade der USA mit fast 900 Trägersystemen für 5177 Sprengköpfe. Dazu gehören zahlreiche Flugzeuge für den Abwurf von Atombomben, 14 strategische Raketen-U-Boote und rund 400 in unterirdischen Silos an Land stationierte Interkontinentalraketen. Im Vergleich hierzu mutet das atomare Potential Frankreichs und Großbritanniens ziemlich bescheiden an.
Selbst beide EU-Atommächte zusammen sind keine Alternative
Paris besitzt lediglich 290 Sprengköpfe, welche durch Rafale-Jagdbomber oder Raketen vom Typ M 51 ins Ziel getragen werden können. Letztere befinden sich an Bord der vier Atom-U-Boote „Le Triomphant“, „Le Téméraire“, „Le Vigilant“ und „Le Terrible“, von denen aber immer nur eines auf See patrouilliert und bis zu 16 M 51 mitführt. Die 18 landgestützten Mittelstreckenraketen SSBS S 3 existieren hingegen nicht mehr, denn sie wurden bereits 1996 verschrottet.
Ähnlich sieht es in Großbritannien aus, wo die UK Nuclear Deterrent Forces aus einigen wenigen kernwaffentauglichen F-35-Mehrzweckkampfflugzeugen und den vier strategischen Atom-U-Booten „Vanguard“, „Victorious“, „Vigilance“ und „Vengeance“ bestehen. Diese sind derzeit mit jeweils acht US-amerikanischen Trident-II-D5-Raketen bestückt. Insgesamt wird die Zahl der britischen Nuklearsprengköpfe auf 225 geschätzt.
Allerdings fehlen der Atomstreitmacht Londons genauso wie der französischen Force de dissuasion nucléaire taktische Kernwaffen mit relativ geringer Sprengkraft. Solche sind nötig, um im Falle einer existentiellen Bedrohung letzte „Warnschüsse“ abzugeben.
Somit bliebe dann nur der Griff zu den strategischen Sprengköpfen, welcher sofort eine Spirale der gegenseitigen Vernichtung in Gang setzen würde, oder der Verzicht auf den Einsatz der Atomwaffen, die eigentlich als „Schutzschirm“ fungieren sollten. Auch deshalb bleibt die nukleare Abschreckung durch die USA deutlich glaubwürdiger.
Anna Lysen am 07.08.25, 17:21 Uhr
Die strategische Tiefe europäischer Sicherheitspolitik beeindruckt. Noch beeindruckender ist die geografische Dehnbarkeit des EU-Begriffs.
;^)