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Finanzen

EZB warnt vor Engpass im Goldmarkt

Bislang war die physische Unterdeckung beim Handel von Gold-Derivaten kein Problem. Ein plötzlicher Sinneswandel bei den Käufern könnte das ändern

Wolfgang Kaufmann
07.07.2025

Gold gilt mehr denn je als sicherer Hafen. Geopolitische Spannungen und geldpolitische Unsicherheiten haben die Nachfrage seit der globalen Finanzkrise von 2007/08 kontinuierlich angeheizt, sodass der Preis immer neue Rekordmarken knackte. In jüngster Zeit ist die Verunsicherung besonders groß, weswegen nun auch etliche Zentralbanken rund um die Welt ihre Goldbestände aufstocken, um eine breitere Streuung ihrer Währungsreserven zu erreichen. So beliefen sich die Goldkäufe der Notenbanken 2024 auf mehr als 1000 Tonnen, was dem Doppelten des durchschnittlichen Kaufvolumens der vergangenen zehn Jahre entsprach. Vor diesem Hintergrund warnt die Europäische Zentralbank (EZB) nun in ihrer Risikoanalyse im Rahmen des aktuellen „Finanzstabilitätsberichtes“ vor Turbulenzen am Goldmarkt, die gravierende Auswirkungen auf das globale Finanzsystem haben könnten.

Ins Visier nimmt die EZB dabei die zunehmende Nachfrage nach Gold-Terminkontrakten, welche einem einfachen Prinzip folgen: Der Verkäufer verpflichtet sich beispielsweise, zu einem bestimmten Termin eine feste Menge Gold zu einem vorher vereinbarten Preis zu liefern. Ist der Marktpreis am Stichtag höher als der zuvor vereinbarte, hat der Käufer die Differenz als Gewinn. Normalerweise lässt er sich das Gold aber nicht ausliefern, sondern nur die Differenz in Geld auszahlen. Der Käufer kann aber auch auf der Übergabe des Edelmetalls bestehen.

Mehr Derivate als Gold im Markt
2024 betrug das Umsatzvolumen beim globalen Handel mit Gold sagenhafte 233 Milliarden US-Dollar pro Börsentag. Das war nur möglich, weil es sich beim Großteil des gehandelten Goldes nicht um physisches Gold, sondern lediglich um „Papiergold“ in Form von Finanzinstrumenten wie Optionen oder Gold Swaps und etliche andere handelte.

Allerdings ist der Nennwert dieses Ersatzes für Münzen und Barren weit höher als der des handelbaren Goldes: Allein im Euro-Raum sind nach Angaben der EZB schon derart viele Gold-Derivate im Umlauf, dass ihre physische Einlösung eine Goldmenge erfordern würde, die dem Dreifachen der weltweiten Jahresproduktion entspricht. Sollten die Marktakteure in Panik geraten und im großen Stil versuchen, ihr Papiergold durch reales Edelmetall zu ersetzen, solange das noch funktioniert, könnte dies massive Lieferschwierigkeiten auslösen.

Für besorgniserregend hält die EZB auch das Agieren der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, welche nach Alternativen für ihre Dollar- und Euro-Reserven suchen und deshalb erhebliche Goldbestände aufbauen. Sollten die Zentralbanken der BRICS-Staaten das erworbene Gold tatsächlich komplett in ihren eigenen Tresoren lagern wollen und auf physischer Lieferung bestehen, dann könnte das zu heftigen Preissprüngen und massiven Engpässen führen. Dies wiederum könnte die Existenz der Vertragspartner der BRICS-Zentralbanken in Europa und den USA gefährden, wenn diese das Gold nicht in ausreichender Menge vorrätig haben und teuer zukaufen müssen, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen.

Unerwähnt lässt die EZB, dass der so erzeugte Schock wahrscheinlich geeignet wäre, das gesamte Finanzsystem mit seinen Zins-, Aktien- und Rohstoffmärkten zu erschüttern, weil dieses immer anfällig für Vertrauensverluste ist. So müssen die Euro-Banken tagtäglich für Verbindlichkeiten in Höhe von rund neun Billionen Euro einstehen, obwohl sie nur über Zentralbankguthaben von 2,8 Billionen verfügen – von größeren Bargeldbeständen ganz zu schweigen.

Wenig entgegenzusetzen
Ansonsten beklagt die EZB kurioserweise auch noch die mangelnde Transparenz auf dem Goldmarkt: Ein großer Teil der Geschäfte mit Gold-Derivaten finde außerbörslich statt und unterliege damit keiner zentralen Aufsicht. Dabei weist die EZB in ihren Jahresbilanzen die eigenen Goldbestände grundsätzlich auch nur als „Gold und Goldforderungen“ aus, weswegen unklar bleibt, wie viel physisches Gold die Bank wirklich besitzt.

Sollte sich ein Beben am Goldmarkt mit Folgen für den Rest des Finanzsystems ankündigen, bliebe den Aufsichtsbehörden als letzte Möglichkeit zur Verhinderung einer Katastrophe die Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften für Banken mit hohem Derivate-Volumen sowie der Erlass von Handelsbeschränkungen – so lautet zumindest die Einschätzung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, welche als „Bank der Zentralbanken“ gilt. Derlei bräuchte allerdings Zeit zum Wirken, welche in einer eskalierenden Marktsituation kaum vorhanden sein dürfte. Der derzeitige Goldmarkt ist also in höchstem Maße störanfällig, was die Besitzer von real existierendem Gold freilich nicht zu bekümmern braucht.


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Kommentare

Peter Wendt am 13.07.25, 20:34 Uhr

Die Skrupellosigkeit der Finanzjongleure aber auch der verantwortlichen Politiker scheint keine Grenzen mehr zu kennen. Irgendjemand sagte einmal wir werden von Idioten regiert, richtig wäre wohl eher verantwortungslosen und skrupellosen Idioten.

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