03.08.2025

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Der Seesteg Zoppot: Er ist einzigartig und in ein Ensemble eingebettet, das seit den 1920er Jahren fast unverändert besteht
Bild: RosenthalDer Seesteg Zoppot: Er ist einzigartig und in ein Ensemble eingebettet, das seit den 1920er Jahren fast unverändert besteht

Seebrücken in Pommern

Flaniermeilen und Landebahn

Jede für sich ganz speziell mit individueller Geschichte – aber alle dem Meer ganz nah

Erwin Rosenthal
03.08.2025

Mit der Inbetriebnahme der Misdroyer Brücke im Jahr 1906 war ein Schlusspunkt unter die schier unendliche Geschichte der mühseligen Anreise nach Misdroy (Międzyzdroje) gesetzt worden. Der komfortable Salondampfer „Prinz Heinrich“ brachte Misdroy nun an Sonntagen hunderte Ausflügler und Gäste aus Stettin, die früher nach Swinemünde, Heringsdorf oder Ahlbeck befördert wurden. Die Freude über die neue Brücke sollte jedoch nicht lange währen. Zu Silvester 1913 richtete ein Orkan schwere Schäden an der Brücke an. Ein halbes Jahr später konnte das Bauwerk wieder übergeben werden.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde befürchtet, der Landungssteg könnte von den Russen genutzt werden. Kurzerhand sprengten Swinemünder Pioniere dessen seeseitiges Drittel mit dem Café in die Luft. Erst 1921 wurde die Brücke erneuert. Sie maß nun nur noch 200 Meter. Im Jahre 1954 beschädigte ein Sturm im nunmehr polnischen Ostseebad Misdroy das Bauwerk. Sechs Jahre später brannte der Eingangsbereich durch die Unachtsamkeit eines Strandkorbwächters nieder. Schließlich verfiel die Brücke mehr und mehr, sodass sie im Jahr 1985 aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste. Zehn Jahre später errichtete man eine neue, lediglich 120 Meter lange Seebrücke, die sich allerdings nur zum Promenieren eignete. Schließlich war im Frühjahr 2003 Baubeginn für deren Verlängerung auf 395 Meter. Eine deutsche Reederei hatte Millionen investiert, um Misdroy mit ihren Ausflugsdampfern anlaufen zu dürfen. Wie ein Phönix aus der Asche stieg die Brücke nach fast einhundert Jahren wieder auf, nicht weniger attraktiv als im Jahre 1913.

Im Eingangsbereich des neuen Bauwerks kann man shoppen, einen Imbiss nehmen, in einem Café seinen Latte Macchiato genießen, von seinem Eisbecher naschen oder in einem Restaurant speisen. Am Anlegesteg auf dem Brückenkopf herrscht im Sommer durch das sogenannte „Seebrücken-Hopping“ reges Leben. An manchen Tagen kommen dort 200 Passagiere mit dem Ausflugsdampfer an. Die Schiffspassage von Heringsdorf nach Misdroy hatte bereits 1924 den deutsch-amerikanischen Künstler Lyonel Feininger zu seinem Bild „Dampfer nach Misdroy“ inspiriert.

Zu den „Schönen“ in der pommerschen Bucht gehört auch der Seesteg im Rügenschen Ostseebad Sellin. Im Jahr 1906 war die erste, 508 Meter lange Brücke, eingeweiht worden. Ebenso wie ihre Nachfolgerin fiel sie dem Sturm und dem Eisgang zum Opfer.

Nach dem Muster der früheren Brücke entstand in den 1990er Jahren auf Initiative des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, eine neue, attraktive Brücke. Mit einer Länge von 394 Metern ist sie der Primus auf der Insel. Das 1998 eröffnete Brückenhaus ist ein Wahrzeichen des Ostseebades und gilt als Grande Dame der Selliner Bäderarchitektur. Seit 2015 verbindet ein Schrägaufzug die Seebrücke mit dem höher gelegenen Ortszentrum. Von der Brücke aus sind Schiffsfahrten zum Königsstuhl und rund um Rügen möglich. Auf dem Brückenkopf befindet sich eine Tauchgondel.

Im Nachbarort Binz hatte es am 28. Juli 1912 bei schönstem Sommerwetter beim Anlegen eines Dampfers ein schweres Unglück gegeben. Unter der Last der Besucher stürzte ein Balkon der „Prinz-Heinrich-Brücke“ ein und riss 50 Menschen ins Wasser. 16 Menschen, darunter zwei Kinder, kamen dabei ums Leben. Ein Jahr später wurde daraufhin in Leipzig die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) gegründet. Eine 1002 Meter lange Seebrücke war im Jahr 1898 am Göhrener Südstrand (Insel Rügen) erbaut worden. Sie wurde während des Ersten Weltkrieges aus Sicherheitsgründen – offensichtlich aus Furcht vor der Marine des russischen Zaren – abgetragen. Die mit 720 Metern längste Seebrücke im Ostseeraum hat seit dem vergangenen Jahr das Ostseebad Prerow auf dem Darß. Am Brückenkopf, die Wassertiefe beträgt hier fünf Meter, befindet sich der hufeisenförmig angelegte „Inselhafen Prerow“. Er bietet Platz für Fischkutter, Sportboote sowie den Seenotrettungskreuzer „Nis Randers“. Der Hafenneubau war erforderlich geworden, weil der Nothafen am Darßer Ort geschlossen werden musste.

Die Längsten
Damit ist die bis dahin längste Seebrücke in Zoppot [Sopot], früher zu Westpreußen, später zum Freistaat Danzig, und heute zum polnischen Westpommern gehörend, auf Rang zwei gerutscht und nennt sich jetzt „längste Holzbrücke an der Ostsee“. Die wunderschöne, weiß gestrichene Seebrücke ragt 511,5 Meter in die Danziger Bucht hinein. Während sie früher „Seesteg“ genannt wurde, nennt man sie heute schlicht und einfach Molo. Auf ihrem Brückenkopf befinden sich Gaststätten sowie Anlegemöglichkeiten für Boote und Ausflugsschiffe. Der einstige Wellenbrecher wurde in einen neuen Jachthafen integriert.

Bereits 1823 gab es den ersten Seesteg, wie die Seebrücke hier stets genannt wurde. Er war ganze 31 Meter lang. Bereits 1841 wurde er „auf dringenden Wunsch der Badegäste“ erweitert. Die Verlängerung auf 63 Meter und die Verbreiterung auf 2,5 Meter kosteten 233 Taler. Außerdem wurden Bänke aufgestellt.

Kontinuierlich geschah eine Erweiterung. Aber immer war der Seesteg Bestandteil der Gesamtanlage des Kurgarten-Ensembles mit Kurhaus, Warmbad, dem Großkurgarten mit Wandelhallen, dem Seesteg und dem Spielkasino. Der Seesteg erreichte jetzt eine Länge von über 500 Metern und war Anlaufstelle der Schiffe des Seedienst Ostpreußen.

Zoppot, mit seinen vielfältigen Angeboten, nannte sich das „Weltbad an der Ostsee“ und hatte tatsächlich Besucher aus der ganzen Welt, speziell zu den Wagner-Aufführungen in der Waldoper. Das Aussehen der Gesamtensembles ist nach Rekonstruktionsarbeiten der Polen, denn das Kurhaus in Zoppot war fast die einzige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, seit den 1920er Jahren nahezu geblieben.

Spektakulär: 2019 landete ein Kunstflieger mit seinem Kleinflugzeug als Werbeaktion auf dem Seesteg. Es war „Maßarbeit“, denn die Maschine nahm fast die gesamte Breite des Seestegs von 10,5 Metern ein, der teils bis 26 Meter breit ist.

Im Ranking der schönsten Seebrücken Europas im Jahr 2020 belegten Sellin, Heringsdorf und Zoppot vordere Plätze.

Teil Zoppot: B. Stramm


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