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„Warp-Geschwindigkeit“: Der erste Flug eines mikroskopisch kleinen Objekts soll schon in nächster Zukunft durchgeführt werden
Foto: imago/depositphotos„Warp-Geschwindigkeit“: Der erste Flug eines mikroskopisch kleinen Objekts soll schon in nächster Zukunft durchgeführt werden

Astrophysik

Forscher rütteln am Tor zu den „unendlichen Weiten des Weltraums“

Bislang existiert er nur in der Phantasie von Science-Fiction-Autoren: der „Warp-Antrieb“. Doch etliche Fachleute vermuten, dass man ihn wirklich nutzen kann – Es wäre eine Revolution

Wolfgang Kaufmann
12.09.2024

Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit spielen in der Science-Fiction-Welt eine wichtige Rolle, weil sie es angeblich ermöglichen, auch weit entfernte Sternsysteme oder Planeten zu erreichen. Allerdings setzt die Natur dem in der Realität klare Grenzen: Materie kann sich nicht schneller als das Licht bewegen, denn die dazu nötige Beschleunigung würde unendlich viel Energie erfordern. Diese Schlussfolgerung aus Einsteins Spezieller Relativitätstheorie fand inzwischen mehrfache experimentelle Bestätigung.

Andererseits existiert ein hypothetischer Ausweg aus der Physik-Falle. Das ist der sogenannte Warp-Antrieb, von englisch „to warp“ für „verzerren“ oder „krümmen“, wie man ihn vor allem aus den Star-Trek-Geschichten von Eugene Roddenberry kennt. In denen kommt die „Enterprise“ unter dem Kommando von Captain James Tiberius Kirk schneller als das Licht voran, weil das Raum-Zeit-Gefüge um das Raumschiff herum so verändert wird, dass der Abstand zwischen Start- und Zielpunkt gegen Null geht. Selbiges geschieht durch eine Stauchung der Raumzeit in der Flugrichtung bei paralleler Streckung der Raumzeit hinter der „Enterprise“. So braucht diese sich nicht selbst zu bewegen und passiert dennoch binnen kürzester Zeit die immer wieder beschworenen „unendlichen Weiten“.

Das Rätsel „negative Energie“
Lange Zeit galt das aber als reines Hirngespinst, bis es dem mexikanischen Physiker Miguel Alcubierre Moya 1994 gelang, die theoretischen Grundlagen für eine Warp-Blase zu formulieren, in der Objekte mit dem Zehnfachen der Lichtgeschwindigkeit von einem Ort zum anderen gelangen können, ohne gegen die Formeln Einsteins zu verstoßen. Der Haken an dem Alcubierre-Antrieb ist, dass Zehn hoch 64 Kilogramm exotischer Materie mit negativer Energiedichte nötig wären, um ein Warp-Raumschiff durchs All zu schicken. Und das ist letztlich mehr, als es normale Materie im Universum gibt. Außerdem steht die Frage, ob die 1948 von dem niederländischen Physiker Hendrik Casimir ins Spiel gebrachte Materie mit negativer Energie überhaupt existiert.

Dennoch war die US-Weltraumbehörde NASA 1996 bereit, das Breakthrough Propulsion Physics Project (BPPP) zu finanzieren, in dessen Rahmen auch Computersimulationen des Warp-Antriebs stattfanden. Allerdings kamen die wichtigsten neuen Anregungen dann 1998 und 1999 von Casimirs Landsmann Chris van den Broeck und dem russischen theoretischen Physiker Sergej Krasnikow. Van den Broeck konstruierte drei ineinander verschachtelte Warp-Blasen, was den rechnerischen Bedarf an exotischer Materie auf „nur noch“ einige Sonnenmassen reduzierte, während Krasnikow die Ansicht vertrat, dass die Raumzeit ohnehin stark gekrümmt sei und man deswegen lediglich zehn Kilogramm exotischer Materie für die Schaffung einer Warp-Blase benötige.

Bald darauf wurde aber zunehmend Kritik laut: So meinte der Portugiese José Natário 2002, die extrem große Blauverschiebung des Lichtes innerhalb der Warp-Blase aufgrund der Raum-Zeit-Stauchung werde zu physikalisch unkalkulierbaren Folgen führen. Darüber hinaus kamen Brendan McMonigal, Geraint Lewis und Philip O'Byrne von der Universität Sydney 2012 zu dem Ergebnis, dass beim Abbremsen des Raumschiffes riesige Mengen an tödlicher Strahlung frei würden.

Damit war der Stab über den Warp-Antrieb vorerst gebrochen, und deswegen beendete auch die NASA ihre entsprechenden Studien. Doch wie so oft leben Totgesagte länger. 2021 erbrachte der Göttinger Physiker Erik Lentz den Nachweis, dass ein Alcubierre-Antrieb bei bestimmten Konfigurationen der Raum-Zeit-Krümmung auch ohne Materie mit negativer Energie funktionieren könnte. Allerdings wäre der Bedarf an Treibstoff mit konventioneller positiver Energie immer noch gigantisch. Bei einem 100 Meter langen Raumschiff läge er laut Lentz in der Größenordnung des Hundertfachen der Masse des Riesenplaneten Jupiter.

„Das Grundprinzip funktioniert“
Etwa zur gleichen Zeit wie Lentz machten Alexey Bobrick und Gianni Martire vom Advanced Propulsion Laboratory at Applied Physics der NASA, welches sich nunmehr mit dem Warp-Antrieb befasste, einen weiteren neuen Vorschlag. Wenn man statt der negativen Energie extrem starke Gravitationsfelder verwende, dürfte die notwendige Beeinflussung des Raum-Zeit-Gefüges ebenso gelingen.

Einen ganz anderen Weg ging Harold White, der die Eagleworks Laboratories für innovative Antriebe im Lyndon B. Johnson Space Center der NASA in Houston leitete. Er entwickelte ein Resonanzhohlraumtriebwerk, das den Namen EmDrive erhielt und Schub vermittels Mikrowellen erzeugen soll, wobei die Energie dafür von der Sonne kommt.

Aber dann wiesen Wissenschaftler der TU Dresden nach, dass die Aussagen von White, denen zufolge das EmDrive im Laborexperiment funktioniert habe, auf einem schlichten Messfehler beruhten. Daraufhin wandte sich White auch dem Warp-Antrieb zu, wobei er diese Forschungsarbeit nun im Rahmen des 2019 gegründeten Limitless Space Institute durchführte und hierfür Fördermittel des US-Verteidigungsministeriums erhielt. White und dessen Kollegen meldeten Ende 2021 die „Erzeugung einer echten Warp-Blase im Nano-Maßstab“. Diese sei natürlich nur die allererste Vorstufe zu einem tatsächlich nutzbaren Warp-Antrieb, zeige aber, dass das Grundprinzip funktioniere.

Den überraschend geringen Energiebedarf erklärte White mit der innovativen Torus-Form der Blase. Nun plant sein Team die Anfertigung eines ultrakleinen Raumschiffmodells mit Warp-Antrieb. Dieses „Gefährt“, dessen Durchmesser beim millionsten Teil eines Meters liegen soll, ist dazu ausersehen, irgendwann in nächster Zukunft im Inneren eines vier Mikrometer großen Zylinders den ersten „Warp-Flug“ in der Geschichte der Physik zu unternehmen. Währenddessen suchen andere Forscher nach Gravitationswellen im All, welche auf bereits in Betrieb befindliche Warp-Antriebe von Raumschiffen anderer Zivilisationen hindeuten.


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