12.12.2024

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Friedensbäume in Pommern

Pommersche Baumriesen erinnern an Otto, Bogislaw und Irmtrud

Karl-Heinz Engel
12.12.2022

Man nennt sie Gedenk- oder Sagenbäume, die mächtigen, oft viele hundert Jahre alten Eichen und Linden, die da und dort im Pommernland ihren Platz behaupten. Sie erzählen Geschichte, so sie denn von Generation zu Generation weiter gegeben wurde. Man kann freilich nicht immer sicher sein, ob das, was über solche Bäume mitgeteilt wird, ganz und gar wahr ist. Fakten verschwimmen in der Ferne all zu leicht, zumal es wirklich lange her ist, dass man die Baumveteranen als Winzlinge der Wurzelerde anvertraute. Nur selten liegt darüber Schriftliches vor, das authentisch genannt werden darf.

Otto-Linde in Buchholz/Buchheide

Über einige Urbäume jedoch klingen die Nachrichten zum Anlass ihrer Existenz plausibel. Etwa bei der Otto-Linde in Buchholz am Nordostrand der Stettiner Buchheide. Sie ist dem Bischof Otto von Bamberg (1060–1139) gewidmet, der im Jahr 1124/25 Pommern erstmals bereiste, um den heidnischen „Bewohnern des Landes am Meer“ das Evangelium zu predigen. Er muss dabei Eindruck hinterlassen haben, denn es wurden alsbald zur steten Erinnerung an den charismatischen Gottesmann allerorten Steine gesetzt, später auch Denkmäler und Bäume gepflanzt.

Einer dieser mit der Zeit sehr selten gewordenen Gedenkbäume, eine Linde, steht also auf dem Buchholzer Kirchhof. Ihr Stammumfang misst gewaltige 8,85 Meter. Der Überlieferung nach soll Pommernapostel Otto, sein Grab befindet sich in der Benediktinerabtei Michaelsberg in Bamberg, den Setzling selbst in die Pflanzgrube getan und angehäufelt haben. Das geht jedenfalls aus dem Text auf der kleinen Infotafel des Kirchhofs hervor. Vermutlich handelt es sich bei der Linde jedoch, um eine Nachpflanzung, wie sie häufig vorgenommen wurden, wenn Altbäume aus unterschiedlichen Gründen – nicht selten Blitzschläge – eingingen. 900 Jahre alte Linden sehen in der Regel zerklüfteter aus. Wie auch immer. Die Pflanzstätte wird echt sein. Am christlichen Hintergrund der Pflanzung wird ebenfalls nicht zu deuteln sein, da das Buchholzer Baumdenkmal auch in deutscher Zeit heilige Linde hieß. Die heutigen Bewohner von Szczecin-Płonia nennen den Baum indes ohne Wenn und Aber Otto-Linde. Sie dürfte das älteste pommersche Baumzeugnis sein, das an die Missionsreise erinnert. Wegen seiner Erscheinung ein wirkliches Naturdenkmal, aber selbstverständlich ebenso ein seltenes Kulturdenkmal.

Die Suckower Eiche, arg gebeutelt

Im Lieper Winkel auf der Insel Usedom kennt man einen Eichbaum, dem man ebenfalls ein sagenhaftes Alter von wohl 800 und noch mehr Jahren zuschreibt. Er ist nach dem kleinen Dorf Suckow benannt, hat seine Wurzelanker tief in die Erde eines Turmhügels aus frühdeutscher Zeit getrieben und kümmert seit einigen Jahren doch dem Ende entgegen, weil ein Sturm seinen Stamm zerbrach.

Der Übermittlung nach wird die Eiche bereits 1298 von Herzog Bogislaw IV. von Pommern-Stettin im Schrifttum erwähnt, als man einmal mehr die Grenze der Stadt Usedom verortete. Der Baum wird so etwas wie ein Fixpunkt gewesen sein. Heute verläuft die Stadtgrenze zwei Kilometer südlich davon, was an erneute Streitigkeiten um den Landbesitz denken lässt. Die Suckower Ureiche legt Zeugnis davon ab.

Am See der Kleinstadt Löcknitz, zehn Kilometer westlich der deutsch-polnischen Grenze, steht eine andere geschichtsträchtige Eiche. Sie wurde nach Irmtrud, einer Nichte des Löcknitzer Burgvogts Conrad von Lokeniz benannt. Während der deutschen Besiedlung des Landes links und rechts der unteren Oder und seiner Hinwendung zum Christentum kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit noch heidnischen Pommern.

Irmtrud-Eiche in Löcknitz

So auch im Winter 1227/28, als auf dem zugefrorenen Löcknitzer See die Wehr des christlich gesinnten Burgvogts auf die Kriegerschar seines Gegenspielers Sweno traf. Sweno und seine Mannen verloren den Kampf und büßten ihre unweit gelegene Tempelburg ein. Irmtrud soll das Schlachtgemetzel in großer Sorge um ihren Onkel vom Nordufer des Sees aus verfolgt haben.

Nachdem die Fehde zu Conrads Gunsten ausgegangen war, habe sie, so lautet die Überlieferung, an ihrer Beobachtungsstelle aus Dankbarkeit ein Gedenkbäumchen, die heutige Irmtrudseiche, gepflanzt. Der grobborkige Baum, nun immerhin an die 800 Jahre alt, verbirgt seine Gebrechlichkeit nicht. Nachdem er 1995 baumchirurgisch behandelt wurde, hat sich sein Zustand jedoch erholt.

Friedens-, nicht Siegesbäume

Bei Weitem nicht so alt ist eine besondere Spezies der Gedenkbäume. Es handelt sich um die zahlreichen Friedenseichen und –linden in Pommern. Die ältesten erinnern an die Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813, bei der Napoleon Bonaparte bezwungen wurde. In Kölln, einem kleinen Dorf im Vorpommerschen, wurzelt an der Dorfstraße eine kräftige Linde mit fünf Meter Stammumfang.

Über sie weiß man, dass sie ihr Dasein dem Friedensschluss von Tilsit (1807) zu verdanken hat. Am häufigsten sind aber Eichen zu finden, die nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) als Friedensbäume und nicht etwa als Siegesbäume in vielen Ortschaften an exponierter Stelle gepflanzt worden sind.

Bei den Zeremonien war Alt und Jung auf den Beinen. Man stimmte, wie nachzulesen ist, patriotische Lieder an und hielt Reden, bei denen die Hoffnung auf einen lang haltenden Frieden zum Ausdruck gebracht wurde. Verbunden mit dem Wunsch, dass Folgegenerationen sich einst im Schatten der Friedensbäume dankbar der Verdienste der Väter erinnern.

Je nach Standortverhältnissen weisen die mittlerweile 150 Jahre alten Friedensbäume inzwischen Stämme mit etwa dreieinhalb Meter Umfang auf. Kein Maß, um als Naturdenkmal gewürdigt zu werden. Doch Gedenkbäume und damit Kulturdenkmale sind sie allemal. Ein Hinweis darauf fehlt aber in fast allen pommerschen Orten allzu oft.


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