28.02.2025

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Begrüßt die aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrenden deutschen Frontsoldaten am Brandenburger Tor: Friedrich Ebert
Bild: imago/TTBegrüßt die aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrenden deutschen Frontsoldaten am Brandenburger Tor: Friedrich Ebert

Deutschland

Friedrich Ebert baute Brücken statt Brandmauern

Der letzte Kanzler des Kaiserreiches und erste Präsident der Weimarer Republik hat die im Reich auseinanderdriftenden Kräfte im Rahmen seiner Möglichkeiten zusammengehalten. Vor 100 Jahren starb der Politiker in Berlin

Bernhard Knapstein
28.02.2025

Zeiten moralischer Überhöhung und ideologisch aufgeblähter Politik, die Deutschland in eine veritable Schieflage gebracht haben, haben in der Demokratie sogenannte Brandmauern zwischen politischen Flügeln entstehen lassen. Da braucht es Pragmatiker, die in der Lage sind, Brücken zu bauen und Orientierung zu geben. Wenn man dabei bis zu den Wurzeln der deutschen Republik zurückblickt, stößt man rasch auf Friedrich Ebert.

Der im Reichsgründungsjahr, am 4. Februar 1871, in Heidelberg geborene Sozialdemokrat war von 1913 bis 1919 Vorsitzender seiner Partei und von 1919 bis zu seinem frühen Tod vor 100 Jahren der erste Reichspräsident der Weimarer Republik – vor allem aber war Ebert in Zeiten gewaltiger Umbrüche das, was man einen Brückenbauer nennt.

Während des Ersten Weltkriegs, während der Novemberrevolution und der Ruhrbesetzung behielt Ebert den Blick auf das Ganze, auf Deutschland und auf die Mehrheiten im politischen Ringen, wo heute Etikette als wichtiger erachtet wird denn Mehrheiten.

Ebert wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, besuchte die Volksschule und ging 1885 bis 1888 in die Sattlerlehre, später auf Wanderschaft und organisierte Gewerkschaften und Fachvereine. Es lag nahe, dass er 1889 in die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) eintrat, die sich im Jahr darauf bereits SPD nannte. Er studierte marxistische Schriften, befasste sich mit Ferdinand Lassalle und engagierte sich mit Agitation und Organisation in Handwerkerkreisen.

Pragmatisch und kompromissbereit
1891 fasst er in Bremen Fuß, schrieb kurze Zeit für die „Bremer Bürgerzeitung“ der SPD, nur um im Jahr darauf eine Schankwirtschaft zu übernehmen, in der sich Sozialdemokraten und Gewerkschafter trafen. Ebert heiratete 1894 Louise Rump, die ihm fünf Kinder gebar, von denen zwei Söhne später im Ersten Weltkrieg fallen sollten. Im selben Jahr wurde er Parteivorsitzender in Bremen. Die Gespräche an seinem Tresen und an den Tischen boten ihm genügend Stoff, um sich seinem künftigen Steckenpferd, der Sozialpolitik, zu widmen. Während sich Parteifreunde mehr in theoretischen Debatten vertieften, wie der Sozialismus durchzusetzen sei, suchte Ebert nach pragmatischen Ansätzen und Kompromissen, um die Lage der Arbeiter und Handwerker zu verbessern.

Auch wenn er sich zeitweise an August Bebels Klassenkampfidee orientiert und die Republik angestrebt hatte, plädierte er im Widerstreit zwischen Revolution und Evolution 1903 auf dem Dresdner Parteitag für eine „Diagonale der Kräfte“. 1905 wurde er zum ersten Parteisekretär der SPD gewählt, aber erst 1912 zog Ebert erstmals in den Reichstag ein. Der Tod Bebels brachte ihm den Parteivorsitz an der Seite von Hugo Haase.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, mühte sich Ebert, zwischen Kriegsbegeisterten und den unbedingten Pazifisten in der SPD zu vermitteln, die im Reichstag der Bewilligung von Kriegskrediten letztlich zustimmte, an der Kriegsfrage aber zerbrach und die linke Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) hervorbrachte. Streiks und revolutionäres Aufbegehren trachtete Ebert durch eine kompromissorientierte Regierungsbeteiligung zu beantworten. „Wir müssen sehen, ob wir genug Einfluss bekommen, unsere Forderungen durchzusetzen und, wenn es möglich ist, sie mit der Rettung des Landes zu verbinden“, suchte Ebert in der Partei Zuspruch für eine Regierungsbeteiligung unter Prinz Max von Baden. Die Oberste Heeresleitung (OHL) sah angesichts der erstarkenden Kräfte des Feindes durch die wachsenden US-Kontingente die Niederlage kommen und strebte selbst mehr parlamentarische Verantwortung an.

Mit Blick auf die Wirren im bolschewistischen Osten war aus dem einstigen Republikaner Ebert aus Gründen der Vernunft inzwischen ein Befürworter einer konstitutionellen Monarchie geworden. Er ging davon aus, dass ein brachialer Wechsel der Systeme in der breiten Masse der Deutschen nicht akzeptiert würde, und bat im November 1918 Kaiser Wilhelm II. um dessen Verzicht auf den Thron. Doch die Novemberrevolution hatte bereits das Reich erfasst.

Als Philipp Scheidemann vom Reichstagsfenster die Republik ausrief und Eberts Ausrufung zum Reichskanzler verkündete, blieb diesem nichts anderes übrig, als sich an die Spitze der Revolution zu stellen, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Bei den Weihnachtsunruhen bat Ebert reguläre Truppen, das Berliner Stadtschloss unter Beschuss zu nehmen, in dem sich eine meuternde Volksmarinedivision eingenistet hatte. Das war der finale Bruch mit der USPD.

Im Januar musste der Spartakusauf­stand niedergeschlagen werden. Ebert setzte mit Gustav Noske auf die Freikorps, die Berlin und letztlich damit auch die Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung vom 19. Januar 1919 absicherten. Als Ebert am 11. Februar von der Nationalversammlung zum Reichspräsidenten gewählt wurde, sagte er, er wolle „als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei“. Ebert mochte sich so die Loyalität nicht nur in der Arbeiterschaft, sondern auch in der Beamtenschaft gesichert haben, sodass im März 1920 der Kapp-Putsch letztlich am Generalstreik scheiterte.

Verratsvorwurf von Rechts wie Links
Kaum war die noch immer wabernde Revolution halbwegs im Griff, forderten ständig scheiternde Regierungskoalitionen, der Konflikt mit den Siegermächten um die Reparationsleistungen, die französisch-belgische Besetzung von Rhein und Ruhr sowie Adolf Hitlers Putschversuch das Reich heraus. Dass es im Krisenjahr 1923 nicht bereits zur Militärdiktatur unter Generaloberst Hans von Seeckt gekommen war, ist auf einen geschickten Schachzug Eberts zurückzuführen, der Seeckt als Chef der Heeresleitung der Reichswehr dazu brachte, sich gegen Hitler zu stellen.

In seinen letzten Lebensmonaten sah sich der Reichspräsident gezwungen, einen Beleidigungsprozess anzustrengen, was in eine öffentliche Schlammschlacht mündete. Ebert war für die politische Rechte ein Landesverräter und für die Linke ein Verräter des Sozialismus.

Friedrich Ebert hatte die im Reich auseinanderdriftenden Kräfte im Rahmen seiner Möglichkeiten zusammengehalten. Seine Brandmauer war allein der Bestand des Reichs zwischen Revolution und Putschversuchen.

Ebert starb am 28. Februar 1925, nach einer Bauchfellentzündung. Er wurde in seiner Geburtsstadt Heidelberg bestattet.


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