Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Seit Monaten steckt die CDU fest. Und zwar nicht nur in den Werten der Meinungsumfragen, sondern auch programmatisch. Allzu oft hat sie nur die Wahl zwischen der Übernahme linker Positionen oder dem Vorwurf, AfD-Forderungen zu vertreten
In diesen Tagen macht allenthalben ein Wort die Runde, das eigentlich aus Bismarcks Zeiten stammt: „Kulturkampf“. Ging es Ende des 19. Jahrhunderts im wilhelminischen Kaiserreich darum, den Einfluss der katholischen Kirche auf den Staat zurückzudrängen, so handelt es sich heute um politisch-ideologische Fragen – um den Zeitgeist und darum, wer ihn dominiert. Angesichts steigender Umfragewerte der AfD, die inzwischen sogar die Kanzlerpartei SPD hinter sich gelassen hat, mehren sich nicht nur die Warnungen vor einem weiteren Erstarken der Rechtspopulisten, sondern auch besorgte Mahnungen an die CDU, sie solle nun, bitteschön, keinen Kulturkampf gegen Linke und Grüne anzetteln. Das bringe ihr gar nichts, weil der Feind nun mal rechts stehe.
Ein Schelm, wem auffällt, dass die besorgten Stimmen – ob in der „taz“ oder der „Süddeutschen Zeitung“, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder aus dem Munde zahlloser „Politikexperten“ – vor allem von jenen kommen, denen das Schicksal der Christdemokraten normalerweise keine schlaflosen Nächte bereitet.
Doch die flammenden Aufrufe, jetzt bloß keine kritische Auseinandersetzung mit „Gendergerechtigkeit“, „Wokeness“, „Achtsamkeit“ und all den anderen Zeitgeist-Phänomenen der politischen Korrektheit vom Zaun zu brechen, veranschaulichen ganz unfreiwillig die gesellschaftliche Schieflage: Der Kulturkampf von Linksgrün ist seit Jahren äußerst erfolgreich und hat längst den Mainstream der „Zivilgesellschaft“ erobert, Verbände, die PR- und Werbebranche, Gewerkschaften, Universitäten, Schulen und die Medien. Das hat zu der handlichen Gleichung geführt, dass alles, was nicht links ist, automatisch rechts sein muss.
Vergrünte Gesellschaft
Wie weit das eroberte ideologische Terrain inzwischen reicht, zeigt ein Vorfall in einer katholischen Kita im früher als reaktionär verschrienen Bistum Fulda, deren „Teamleitung“ an die Eltern schrieb, dieses Jahr würden keine Geschenke mehr zum Mutter- oder Vatertag gebastelt. Begründung: „In der heutigen Zeit, in der die Diversität einen immer höheren Stellenwert erhält, möchten wir diese vorleben und keinen Menschen ausschließen.“ Deshalb wolle man dieses Jahr auf „stereotype Geschenke“ wie „Blumen für die Mutter oder Werkzeug für den Vater“ verzichten. Zum gesellschaftspolitischen Hintergrund hieß es: „Die Konstellation Mutter-Vater-Kind“ sei „nicht mehr die Norm in heutigen Familien“. Und das in einer Kita, die es ohne die „Konstellation Mutter-Vater-Kind“ gar nicht gäbe.
Wer gegen diese ausufernde ideologische Umerziehungspropaganda Stellung beziehen will, und sei es in den etwas ungelenken Worten der fünffachen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein, die es wagte, „Mama“ und „Papa“ zu erwähnen, wird umgehend von „Shitstorms“ überzogen und in die rechte Ecke gestellt. So wird Friedrich Merz' Formulierung von den „kleinen Paschas“ zum Beleg einer „rechten“ Anbiederung an die AfD gemacht, obwohl er nichts weiter als die Wahrheit über bestimmte Zustände in deutschen Brennpunktschulen ausgesprochen hat.
Kein Zufall, gelten die Warnungen vor einem „Kulturkampf von rechts“ doch auch den Tabuzonen der politischen Debatte, etwa der Flüchtlings- und Integrationspolitik, deren Ergebnisse sich nicht nur in deutschen Großstädten jeden Tag besichtigen lassen.
Lieber denunziert man, wie jüngst der Online-Jugendsender von ARD und ZDF namens „funk“, alles, was nicht explizit links ist, als „rechts“ und stellt Friedrich Merz und Markus Söder in eine Reihe mit Björn Höcke und Tino Chrupalla von der AfD.
Das Ziel ist klar: die Dominanz des linksgrünen Kulturkampfs, der phrasenhafte Begriffe wie „Diversität“ und „Weltoffenheit“ als Monstranz vor sich herträgt, um jeden Preis zu verteidigen. Und stets finden sich Parteienforscher, die die CDU davor warnen, die Komfortzone der von Linksgrün definierten „Mitte“ zu verlassen und damit unmissverständlich empfehlen, den Merkel-Kurs der programmatischen Entkernung und inhaltlichen Beliebigkeit fortzusetzen.
Das Erbe der Ära Merkel
Dabei ist es gerade diese umfassende Verwischung eines modernen liberal-konservativen Profils, das die Christdemokraten auch unter dem vermeintlich kantigen Friedrich Merz noch als Erbschaft mit sich herumschleppen. Das Ergebnis trotz der großen Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung: Man bleibt im 30-Prozent-Turm gefangen und ist weit entfernt von einer strategischen Regierungsmehrheit.
Stefan Aust, langjähriger „Spiegel“-Chefredakteur, jetzt Herausgeber der „Welt“, sagt es so: „Unter Angela Merkel als Kanzlerin und Parteichefin ist die Partei ,modernisiert' auch in Richtung Rot-Grün verändert worden, mit wenigen Unterscheidungsmöglichkeiten zu SPD und vor allem den Grünen. Wer jetzt unzufrieden ist mit der Ampelkoalition, kommt daher nicht zwangsläufig auf die Idee, dass mit der CDU eine ganz andere Politik möglich wäre.“
Um das zu verändern, um die CDU also auch wieder für Wähler attraktiv zu machen, die den grünen Zeitgeist mit seinen von oben verordneten volkspädagogischen und planwirtschaftlichen Strategien ablehnen, muss ein schlüssiges Gegenkonzept entwickelt werden. Deshalb hat Friedrich Merz recht mit seiner Feststellung, die Grünen seien die „Hauptgegner“ der Union, auch wenn in einigen Ländern mit ihnen derzeit die Regierung gebildet wird. Warum? Weil die Grünen mit rund 15 Prozent der Wählerstimmen es geschafft haben, eine politisch-kulturelle Hegemonie zu etablieren, die in alle Parteien jenseits der AfD ausstrahlt und Wirkung zeigt.
Längst wird auch in der Konrad-Adenauer-Stiftung gegendert, Olaf Scholz bezeichnet sich als Feminist, und Markus Söder zieht die Regenbogenfahne an der bayerischen Staatskanzlei auf, während die Fernsehwerbung nur so strotzt vor phrasenhaften Bekenntnissen großer Konzerne zu Nachhaltigkeit, Antidiskriminierung und Klimaneutralität.
Die Stärke dieses grünen Zeitgeists, der nun auch pubertierenden Jugendlichen freistellt, ihr Geschlecht mit einem Formular zu ändern, ist die Schwäche liberaler und konservativer Politiker (statt Positionen), ihr offenkundiger Opportunismus, die gedankenfaule Anpassungsbereitschaft und das willfährige Einknicken, das man auch schlicht Feigheit nennen kann.
Der Konformitätsdruck ist enorm. Er zeigt sich im Großen wie im Kleinen. Die Tatsache, dass in Berlin nicht mehr Rotrotgrün, sondern ein Regierender Bürgermeister der CDU die Geschicke der Hauptstadt bestimmt und nicht jeden geplanten Fahrradweg grüner Bezirksstadträtinnen automatisch durchwinkt, empört die Kreuzberger Stammesgesellschaft der einzig wahren Denkungsart zutiefst.
Andauernde Realitätsverweigerung
Das spürt man auch in der rbb-Abendschau, die mit dem neuen CDU/SPD-Senat sichtlich fremdelt. Die gewohnte Realitätsverweigerung wird dennoch munter weiter betrieben, etwa in einem mehrminütigen Bericht aus dem Neuköllner Columbia-Bad, wo es immer wieder zu Schlägereien kommt, die regelmäßig die Polizei beenden muss. Der Reporterin vor Ort gelingt es tatsächlich, die unübersehbare Kernklientel der gewalttätigen Konflikte, vorwiegend deutsch-türkische und arabischstämmige Jugendliche, mit keiner Silbe zu erwähnen. Im „Tagesspiegel“ wurde gar der Klimawandel für die hitzigen Prügeleien verantwortlich gemacht.
Wer hier Klartext sprechen will, muss sich auf starken Gegenwind gefasst machen – sogar in Teilen der CDU, die eben auch immer noch eine Merkel-CDU ist. Nicht zufällig versuchen die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, Günther und Wüst, sich als Merkel-Schüler der „Mitte“ und mögliche Kanzlerkandidaten zu profilieren. Dass genau dieser Kurs zum Machtverlust der Union geführt hat, wird geflissentlich übersehen.
Wie weit die grüne Dominanz in gesellschaftlich-kulturellen Fragen inzwischen reicht und mit welch harten Bandagen der Kulturkampf von links geführt wird, zeigt das Beispiel eines jüngst bekannt gewordenen Elternbriefes einer Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im grün regierten Hannover. Darin wurde ein „Körpererkundungsraum“ angekündigt, in dem auch Doktorspiele von Kindern möglich sein sollten. Man muss leider das Original zitieren: „Alle Kinder, vor allem im Kindergartenalter, kennen die Orte in der Einrichtung, wo Nacktheit und Körpererkundungen stattfinden können. Mädchen und Jungen streicheln und untersuchen sich nur so viel, wie es für sie selbst und andere Kinder angenehm ist. Kein Kind tut einem anderen dabei weh. Kein Kind steckt einem anderen etwas in die Körperöffnungen (Po, Vulva, Mund, Nase, Ohr) oder leckt am Körper eines anderen Kindes.“
Mit anderen Worten: Während viele Kinder sich noch nicht selbst die Schuhe zubinden können, übergewichtig und sozial auffällig sind und kaum Deutsch sprechen können, sollen sie schon mal im Voraus ihre erogenen Zonen erkunden.
Gefragt ist Stehvermögen
Auch wenn diese unglaubliche Grenzüberschreitung unterdessen vom Landesjugendamt gestoppt wurde, zeigt es doch den Geist, besser: den Ungeist dieser linksgrünen Kulturkämpfer, die dabei sind – im Namen von welchem Fortschritt eigentlich? –, zivilisatorische Grundwerte einzureißen.
Wer auch immer in der CDU dagegen antreten will, braucht einen langen Atem und viel Stehvermögen. Das Dilemma der Union ist und bleibt die strategische Kulturkampffalle: Verzichtet sie auf die Formulierung klarer, gesellschaftlich kontroverser Gegenpositionen, dann bleibt sie in der Karawane jener politischen Klasse gefangen, die von immer mehr Bürgern als abgehoben und wirklichkeitsfremd wahrgenommen wird. Wagt sie sich aber tapfer aus der Defensive und nimmt die Herausforderung des linksgrünen Kulturkampfs an, braust ein Sturm der Entrüstung durchs Land, der gar nicht oft genug vor einem Rechtsruck der Union, Rechtspopulismus und „reaktionärer Rückwärtsgewandtheit“ warnen kann.
„In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“ – das Wort des Dichters Friedrich von Logau (1605–1655) könnte in die richtige Richtung weisen: Nein, kein Weg des Extremismus hilft aus der Klemme, doch vielleicht die immer neue, ebenso mutige wie intelligente Konfrontation mit der Realität. „Sagen, was ist“ – jenes einst linke Motto könnte zur Waffe gegen die Dominanz der Rotgrünen werden, deren wahre Parole längst lautet: Bloß nicht drüber reden!
Heiner Geißler, langjähriger Generalsekretär der CDU, hätte da einen sachdienlichen Hinweis, auch wenn er schon ein paar Jahrzehnte alt ist: Wer Begriffe und Gedanken bestimmt, hat auch Macht über die Menschen.
Man könnte es ja mal versuchen.
Reinhard Mohr war bis 2004 Redakteur des „Spiegel“ und bis 2010 Autor von „Spiegel Online“. Er schreibt heute unter anderem für „Die Welt“ und „Neue Zürcher Zeitung“. Im August erscheint sein neues, zusammen mit Henryk M. Broder verfasstes Buch „Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik“ (Europa Verlag). www.europa-verlag.com
sitra achra am 14.07.23, 12:06 Uhr
Merz ist und bleibt auch nur ein Merz-Gefallener der grünen Transformation.
Michael Holz am 09.07.23, 13:51 Uhr
Herr Mohr, wann gehen Sie zum Standesamt und lassen Ihren "rassistischen" Familiennamen umbenennen? (;=D)) Wie wäre es mit "Afriko"?
Scherz beiseite: Sie haben mit Ihrer Analyse recht. Deutschland befindet sich im rot-grünen Morast, aber mit welcher Bevölkerung wollen Sie das ändern? Seit etwa 1970 wird die Bevölkerung "umerzogen". Das was die Amis nach 1945 gemacht haben, setzen die 68er & Nachfolger fort. Mit unserem verblödeten Volk können Sie kein Wandel herbeiführen. Flasche Deutschland leer!